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Marktbeherrscher muss Geschäftspartner gleich behandeln

05/03/2013

1. Die ÖBB muss die Daten der Westbahn in ihr Fahrplaninformationssystem aufnehmen.

2. Als Anbieter von Fahrgastinformationsmedien nimmt die ÖBB keine Aufgabe der öffentlichen Hand wahr. Aus ihrer Stellung als Versorgungsunternehmen trifft sie noch keine Gleichbehandlungspflicht.

3. Kontrahiert ein Marktbeherrscher mit Dritten, besteht eine Pflicht zur Geschäftsaufnahme mit einem weiteren Marktteilnehmer, wenn keine sachlichen Gründe für eine Weigerung vorliegen.

Der OGH hat als Kartellobergericht im Urteil vom 11.10.2012, 16 Ok 1/12, Fahrplaninformationssystem ausgesprochen, dass die ÖBB-Personenverkehr AG (ÖBB) auf dem Markt für Fahrplaninformationsmedien marktbeherrschend ist. Während die ÖBB Informationen sonstiger Beförderungsunternehmen in ihr Informationssystem aufgenommen hatte, hatte sie dies hinsichtlich eines potentiellen Anbieters (Westbahn), der vor dem Markteintritt im Bereich des Personentransportverkehrs auf der Strecke Wien-Salzburg stand, verweigert.

Der OGH bestätigte das Urteil des Kartellgerichts, wonach die ÖBB verpflichtet ist, Fahrplandaten der Westbahn in ihr Informationssystem aufzunehmen:

Monopolisten und Unternehmen der öffentlichen Hand zur Daseinsvorsorge unterliegen einem „allgemeinen“ oder „mittelbaren“ Kontrahierungszwang; nicht monopolistische Unternehmen der öffentlichen Hand sind hingegen nur soweit zum Vertragsabschluss verhalten, als deren Verweigerung ihrer Pflicht zur Gleichbehandlung widerspräche. Da die ÖBB als Anbieter von Fahrplaninformationsmedien keine Aufgaben der öffentlichen Hand wahrnimmt, trifft sie keine aus ihrer Stellung als Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand abgeleitete Pflicht zur Gleichbehandlung.

Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten.

Weder nach dem KartG noch nach dem europäischen Wettbewerbsrecht besteht grundsätzlich ein Kontrahierungszwang. Marktbeherrschenden Unternehmen wird aber missbräuchliches Verhalten, insbesondere in Form einer Lieferungsverweigerung dann zugerechnet, wenn ihr Verhalten durch keine objektiven Gründe gerechtfertigt wird. Hat das marktbeherrschende Unternehmen bereits mit anderen kontrahiert, kommt bei der Verweigerung einer Geschäftsbeziehung mit geeigneten Dritten ein Verstoß gegen Art 102 Satz 1 AEUV in Betracht; auch bei nicht monopolistischen marktbeherrschenden Unternehmen besteht eine Pflicht zur Geschäftsaufnahme, wenn diese keine sachlichen Gründe für ihre Weigerung anführen können. Auf dem beherrschten Markt für die Veröffentlichung von Fahrplaninformationen darf die ÖBB einzelne Nachfrager nicht deshalb diskriminieren, weil diese auf dem Markt für Personenbeförderung Konkurrenz machen wollen, zumal sich erst mit dem Markteintritt auf der Westbahnstrecke ein Marktgeschehen entwickelt.

Die Weigerung der ÖBB, den Zugverkehr der Westbahn in ihren Fahrplanmedien zu veröffentlichen, ist daher als Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung zu beurteilen.

 

Anmerkung: Der OGH unterscheidet demnach zwischen (i) Monopolisten und (ii) solchen Versorgungsunternehmen, die Aufgaben der öffentlichen Hand wahrnehmen. Beide trifft jedenfalls eine Pflicht zur Gleichbehandlung. Die ÖBB-Personenverkehr AG ist auf dem Markt für Fahrgastinformationen weder Monopolunternehmen noch nimmt sie dabei eine Aufgabe der öffentlichen Hand war.

Dass sie im Bereich der Bereitstellung oder des Betriebes von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Verkehrsleistungen auf der Schiene im Sinne des § 169 BVergG tätig ist und wohl zumindest insofern auch Aufgaben der öffentlichen Hand wahrnimmt, wurde dabei vom OGH nicht diskutiert. Dies kann im Ergebnis aber dahinstehen, zumal die Gleichbehandlung der Westbahn schon deshalb geboten war, weil die ÖBB Fahrgastinformationen von anderen Verkehrsdienstleistern sehr wohl in ihr Informationssystem aufgenommen hatte und als marktbeherrschendes Unternehmen aus diesem Grund die Westbahn gleich behandeln hätte müssen.

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Bernt Elsner
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Wien