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Variable Vergütungssysteme: Fallstricke bei der vertraglichen Gestaltung

29/05/2017

Variable Vergütungssysteme, welche die Entlohnung des Arbeitnehmers vom Erfolg seiner Tätigkeit und/oder von Unternehmenskennzahlen abhängig machen, sind aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Bei deren Gestaltung lauern jedoch arbeitsrechtliche Fallen, die bei nahezu allen Formen der variablen Vergütung auftreten können. Umso wichtiger ist es, das von den Vertragsparteien gewünschte Modell schriftlich und im Detail zu regeln – damit etwa Rechtsansprüche, die einer unverbindlichen Vereinbarung oder unpräzisen Formulierungen geschuldet sind, vom Arbeitgeber nicht eines Tages teuer „abgekauft“ werden müssen.

Die Privatautonomie ermöglicht den Arbeitsvertragsparteien im überkollektivvertraglichen Bereich die Entlohnung von erfolgsbezogenen Kriterien abhängig zu machen. Ihre Gestaltungsformen sind vielfältig: Sie reichen von „klassischen" Zielerreichungsprämien, die z.B. einen prozentuellen Anteil am Jahresgehalt für das Erreichen bestimmter (persönlicher) Ziele versprechen über Provisionen für erfolgreiche Geschäftsvermittlung bis hin zu höchst komplexen, langfristigen Aktienbeteiligungsprogrammen. Derartige Entlohnungsformen sollen primär die Leistungsbereitschaft und Motivation des Arbeitnehmers fördern. In einigen Bereichen, wie z. B. bei Banken und Versicherungen, sind langfristig gestaltete Prämienmodelle mit Clawback-Mechanismen regulatorisch notwendig. Bei der Gestaltung variabler Vergütungssysteme sollten jedoch arbeitsrechtliche Fallstricke im Auge behalten werden, die bei fast allen Formen der variablen Vergütung auftreten können und mit erheblichen Kostenrisiken verbunden sind.

Unklare Formulierungen gehen zu Lasten des Arbeitgebers

Oft ergeben sich beim Thema Vergütung Probleme infolge schlechter Vertragsgestaltung. Wichtig zu wissen: Unklare Formulierungen gehen zulasten des Arbeitgebers, der die (in der Regel einzelvertragliche) Erklärung verfasst hat (§ 915 ABGB). Widersprüchliche Aussagen im Arbeitsvertrag, Bonus-Richtlinien oder Prämienvereinbarungen führen oftmals zur Frage, ob die Leistung aus Sicht des Arbeitgebers freiwillig ausgestaltet wurde oder ein Anspruch darauf besteht, ob sie widerruflich ist oder nicht. Derartige Widersprüche verbergen sich häufig auch in Regelungen, die auf den ersten Blick unscheinbar sind: So dürfte ein vertraglich als „freiwillig“ bezeichneter Bonus, auf den es laut Bonusrichtlinie aber „Vorauszahlungen“ ohne jegliche vertraglich fixierte Rückzahlungsverpflichtung bei Unterperformance gibt, im Endergebnis nicht so freiwillig ausgestaltet sein, wie zunächst beabsichtigt.

Probleme können auch bei den von Arbeitgebern gut gemeinten (aber nicht gut gemachten) Unverbindlichkeitsvorbehalten auftreten, die einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistung ausschließen sollen, sich bei genauerem Hinsehen jedoch als schlichter Widerrufsvorbehalt herausstellen. Großer Nachteil hierbei: Der Widerrufsvorbehalt unterliegt im Gegensatz zum Unverbindlichkeitsvorbehalt einer gerichtlichen Ausübungskontrolle. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht in jedem Fall, sondern nur nach billigem Ermessen die Leistungen an seine Arbeitnehmer einstellen kann.

Knackpunkt Vertragsbeendigung

Kritisch kann es bei variablen Vergütungssystemen auch bei Vertragsbeendigung werden: Arbeitgeber versuchen häufig die Gewährung von Bonuszahlungen, die für die gesamte Arbeitsleistung im Kalenderjahr gebühren, vom aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen. Solche „Stichtagsregelungen" sind jedoch – zumindest im Anwendungsbereich des Angestelltengesetzes („AngG") – rechtsunwirksam.§ 16 AngG sieht vor, dass dem Arbeitnehmer ein bestehender Anspruch auf eine periodische Remuneration oder auf eine andere besondere Entlohnung auch dann zusteht, wenn das Dienstverhältnis vor Fälligkeit des Anspruchs gelöst wird. Der Anspruch besteht dann aliquot, das heißt in dem Betrag, der dem Verhältnis zwischen der Dienstperiode, für die die Entlohnung gewährt wird, und der zurückgelegten Dienstzeit entspricht. § 16 AngG setzt jedoch grundsätzlich einen bereits bestehenden Anspruch auf Entgelt voraus.

Zu beachten ist weiters der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der verlangt, dass die begünstigte Gruppe nach sachlichen Kriterien zu bestimmen ist. Weicht der Arbeitgeber ohne sachlichen Grund vom generalisierenden Prinzip ab, haben willkürlich schlechter gestellte Arbeitnehmer einen Anspruch auf gleichartige Behandlung und auf Gewährung jener Vorteile, die den übrigen Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmergruppen, wenn auch freiwillig, zugewendet wurden. Innerhalb aller Arbeitnehmer oder einer Gruppe von Arbeitnehmern kann aber etwa die Höhe des gewährten Vorteils nach objektiven Merkmalen durchaus unterschiedlich gestaffelt sein (z. B. im Ausmaß eines Prozentsatzes des Bruttobezuges). 

Anspruch auf Mindestentgelt im Zusammenhang mit variablen Bezügen

Aus aktuellem Anlass wollen wir noch auf einen letzten Punkt hinweisen: Sofern variable Entgeltbestandteile vereinbart werden, ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer stets einen Anspruch auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt hat und dieses auch ausbezahlt werden muss. Eine Unterentlohnung bringt nicht nur einen erzwingbaren Differenzanspruch des Arbeitnehmers mit sich, sondern führt insbesondere auch zu einer strafbewährten Unterentlohnung nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG"). Dies kann zu empfindlichen Verwaltungsstrafen mit bis zu EUR 10.000 pro Arbeitnehmer, im Wiederholungsfall sogar mit bis zu EUR 20.000 pro Arbeitnehmer führen. Empfehlenswert sind besondere Kontrollmechanismen, die insbesondere bei Arbeitnehmern, deren Grundgehalt im Zusammenhang mit variablen Bezügen unter dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt liegen kann, sicherstellen, dass zumindest das kollektivvertragliche Mindestentgelt im Lohnzahlungszeitraum" (mangels zulässiger anderer Vereinbarung das Kalendermonat) ausbezahlt wird.

Unser Fazit lautet daher: Da arbeitsrechtliche, gesetzliche Vorgaben hinsichtlich variabler Vergütungssysteme spärlich sind, ist es umso wichtiger, das von den Vertragsparteien gewünschte Modell in einer schriftlichen Vereinbarung im Detail zu regeln. Die Vertragsgestaltung bedarf großer Sorgfalt, vor allem um bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der damit einhergehenden immer größeren Bereitschaft der Arbeitnehmer zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche vorzubeugen. Darüber hinaus können Unschärfen in der Formulierung schnell dazu führen, dass aus der ursprünglich beabsichtigten unverbindlichen" Gewährung einer Leistung ein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht, den der Arbeitgeber nicht einseitig beenden kann, sondern oftmals teuer abkaufen" muss.

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Jens Winter
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Wien