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Zur Antragslegitimation im Vergabenachprüfungsverfahren

15/01/2014

Sind in einem Vergabeverfahren sämtliche Angebote auszuscheiden, ist jeder der Bieter zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens antragslegitimiert.

Der Rechtsprechung des EuGH (insb EuGH 19.6.2003, Rs C-249/01) folgend gingen die österreichischen Vergabekontrollbehörden in ihrer bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die Antragslegitimation dann zu verneinen ist, wenn es dem Angebot des Antragstellers an der grundsätzlichen Eignung, für den Zuschlag in Betracht gezogen zu werden, mangelt (VwGH 26.2.2005, 2004/04/0030). Die Nachprüfungsbehörde war daher gemäß der bisherigen Rechtsprechung befugt, bei entsprechendem Vorbringen sogar verpflichtet (VwGH 18.3.2009, 2007/04/0095), zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, wobei nur solche Ausschließungsgründe aufgegriffen werden durften, die aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlich sind (VwGH 18.3.2009, 2007/04/0095). Nach Antragstellung gesetzte Schritte des Auftraggebers waren nicht zu berücksichtigen.

In seiner Entscheidung vom 4.7.2013 zu C-100/12 („Fastweb“) präzisierte der EuGH seine Rechtsprechung insoweit, als er aussprach, dass dann, wenn sämtliche Angebote (darunter insbesondere das für den Zuschlag ausgewählte Angebot) auszuscheiden sind, jeder Bieter antragslegitimiert ist.

Der Entscheidung lag ein Vergabeverfahren der italienischen IT-Behörde CNIPA (Centro Nazionale per l’Informatica nella Pubblica Amministrazione) zugrunde, die auf Basis einer Rahmenvereinbarung mit den Unternehmen Fastweb und Telecom Italia Angebote für „Leitungen zur Datenübertragung und für Telefondienstleistungen“ einholte. Die Entscheidung fiel zugunsten des Angebots der Telecom Italia. Das italienische Gericht befasste den EuGH mit der Frage, ob die Mangelhaftigkeit des Angebots von Fastweb einer Anfechtung entgegensteht, wenn auch das für den Zuschlag in Betracht kommende Angebot der Telecom Italia auszuscheiden wäre.

Der EuGH stellte klar, dass die Klage eines Bieters, die nach italienischem Recht zu erheben ist, nicht mangels Antragslegitimation abgewiesen werden kann, wenn die Ordnungsmäßigkeit des Angebots jedes anderen Bieters im Rahmen desselben Verfahrens und aus gleichartigen Gründen in Frage gestellt wird. In einem solchen Fall kann sich jeder Wettbewerber auf ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen berufen, was zu der Feststellung führen kann, dass es dem öffentlichen Auftraggeber unmöglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen. Offen ließ der EuGH, ob dasselbe auch in Fällen gilt, in denen nicht alle Angebote auszuscheiden sind, sondern (bloß) das Angebot des Antragstellers und das Angebot des präsumtiven Zuschlagsempfängers.

Die Entscheidung „Fastweb“ ist dennoch zu begrüßen, da sie öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeiten einschränkt, unerwünschte Nachprüfungsverfahren durch das gezielte Ausscheiden von Bietern zu verhindern und somit die Effizienz des Vergaberechtsschutzes stärkt.

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Florian Kromer