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Wesentliche Änderungen der Versicherungsregelungen in Bulgarien ab 2016

29/02/2016

Das komplett neue bulgarische Versicherungsgesetzbuch („VGB“) trat am 1. Januar 2016 in Kraft. Die wesentlichen Änderungen in den Versicherungsregelungen wurden vom Harmonisierungsbedarf des bulgarischen Rechtssystems an das EU-Recht bedingt.

Durch das neue VGB werden die grundlegende Richtlinie 2009/138/EG über die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), sowie die Richtlinien 2002/92/EG über die Versicherungsvermittlung und 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in das bulgarische Recht transponiert. Einige der wichtigsten Änderungen im VGB sind wie folgt:

Neue finanzielle Erfordernisse und Regelung der Beaufsichtigung

Ab 1. Januar 2016 werden neue Kapitalanforderungen für die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, eine neue Berechnungsweise der technischen Reserven, sowie neue Investitionsregelungen der Aktiva eingeführt. Dazu werden auch noch neue ausführliche finanzielle Erfordernisse und Beaufsichtigungskonditionen für die einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen in Kraft treten.

Die Berechnung der Solvabilitätsanforderung erfolgt entweder aufgrund einer für die ganze EU einheitlichen Standardformel oder einer internen Methode. Die interne Methode unterliegt einer vorläufigen Genehmigung seitens der Kommission für Finanzaufsicht (die „Kommission“). Alle quantitativ zu berechnenden Risiken werden bei der Berechnung der Solvabilität berücksichtigt und dadurch soll die Zahlungsunfähigkeit bis zu 0,5% pro Jahr sinken.

Die Kommission wird mit der Kontrolle der Einhaltung der neuen finanziellen Erfordernisse beauftragt. Sie übernimmt im Allgemeinen auch die Beaufsichtigungsfunktionen in Bezug auf die Richtlinie 2009/138 und den dazugehörigen Verordnungen der EU-Kommission. Spezifische Neuregelungen sollen diese Beaufsichtigungsfunktionen unterstützen, wie z.B.:

  • jedes Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sowie jede Versicherungsgruppe soll einen jährlichen Solvabilitäts- und Finanzbericht veröffentlichen;
  • die Anforderungen gegenüber den Wirtschaftsprüfern der Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen werden ebenfalls erhöht;
  • die Kommission soll einen entfernten Zugriff auf periodische Finanzauskünfte der Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen haben.

Die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die einen beschränkteren Tätigkeitsumfang haben, dürfen ohne sich an die neuen Solvabilitätsanforderungen anzupassen, ihre Versicherungstätigkeit weiter ausüben. In diesem Fall dürfen sie aber nicht in einem anderen EU-Land ihre Dienste anbieten - und können vom Dienstleistungsfreiheitsprinzip und Niederlassungsfreiheit keinen Gebrauch machen.

Garantiefond bei Insolvenz

Im Falle von Insolvenz eines Versicherungsunternehmens wird der Garantiefonds der Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen die Rolle des Insolvenzverwalters übernehmen. Der Garantiefond wird dementsprechend die Kosten für das Insolvenzverfahren übernehmen. Er wird bei Insolvenz eines Lebensversicherungsunternehmens die Forderungen der versicherten Personen bis zur Höhe von EUR 100.000 garantieren.

Ausführliche Regelung der Versicherungsansprüche

Auch die Verhältnisse mit den Versicherten werden näher geregelt. Jedes Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, jeden einzelnen Anspruch sowie weitere damit verbundene Unterlagen in schriftlicher Form mit glaubwürdigem Eingangsdatum anzunehmen. Dadurch werden die interessierten Personen einen Nachweis für die Übergabe jedes einzelnen Dokuments, das für die zukünftige Begründung ihrer Versicherungsansprüche dienen kann, erhalten können.

Des Weiteren soll jeder Versicherungsanspruch genaue Angaben über das Bankkonto, worauf die Versicherungszahlung überwiesen wird, enthalten, um mögliche Missbräuche seitens Drittpersonen auszuschließen.

Die Versicherungsansprüche müssen zuerst vor dem Versicherungsunternehmen erhoben werden. Die Versicherungsunternehmen werden verpflichtet, auch in den Fällen, in denen nicht alle verlangten Unterlagen/Beweise vorgelegt wurden, eine ausdrückliche Stellungnahme abzugeben, und zwar: in 3-monatiger Frist bei Kfz-Haftpflichtversicherungen, in 6-monatiger Frist bei allen anderen Versicherungen außer den Hochrisikoversicherungen, und in 1-jähriger Frist bei Hochrisikoversicherungen.

Die Versicherungsunternehmen werden auch verpflichtet, dem Versicherten eine Erläuterung zu der Art und Weise der Berechnung der Versicherungsentschädigung schriftlich innerhalb einer 7-tägiger Frist ab Einspruchsäußerung vorzulegen.

Der Abschluss des Versicherungsvertrags wird ergänzt und verbessert

Der Versicherungsvertrag kann nunmehr über die Internetseite des Versicherungsunternehmens oder in der Form eines elektronischen Dokuments abgeschlossen werden. In manchen Fällen wie z.B. beim Abschluss der Kfz-Haftpflichtversicherung über die Internetseite des Versicherungsunternehmens oder des Versicherungsmaklers, sind letztere verpflichtet, der versicherten Partei innerhalb von 3 Tagen ab Vertragsabschluss eine schriftliche Versicherungspolizze zu versenden. Wenn die Haftpflichtversicherung in der Form eines elektronischen Dokuments abgeschlossen wird, muss das Versicherungsunternehmen oder der Versicherungsmakler eine beglaubigte Abschrift des Versicherungsvertrags ebenfalls in 3-tägiger Frist an die versicherte Partei übermitteln.

Zum ersten Mal wird der Abschluss eines Versicherungsvertrags für ein zukünftiges Versicherungsinteresse wie z.B. der bevorstehende Beginn einer Tätigkeit, die Haftpflichtversicherung verlangt, zugelassen. Es wird auch der Abschluss eines langjährigen, eines unbefristeten, sowie eines Vertrags mit Vertragsdauer von weniger als einem Jahr geregelt.

Eine wichtige Neuigkeit ist auch die gesetzliche Festlegung der vorläufigen und rückwirkenden Versicherungsdeckung, die bislang nur aufgrund des Gewohnheitsrechts angewandt wurde. Eine Vermögensversicherung mit einer vertraglich bestimmten pauschalen Versicherungsentschädigung (ohne die Höhe der erlittenen Schäden überhaupt zu untersuchen) wird nunmehr auch möglich sein.

Wesentliche Neuigkeiten werden auch in den einzelnen Versicherungsarten wie professionelle Haftpflichtversicherung, Lebensversicherung, Unfallversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung, eingeführt.

Die Verjährungsfristen werden auch zugunsten der versicherten Parteien neu geregelt.

Besserer Schutz der Nutzer von Versicherungsdienstleistungen durch erhöhte Anforderungen an die Verbreitung von Versicherungsprodukten

„Nutzer von Versicherungsdienstleistungen“ ist ein neuer Begriff, der den Versicherer, die versicherte Partei, den Drittbegünstigten, den Drittgeschädigten, alle anderen Parteien, denen der Versicherungsvertrag irgendwelche Rechte einräumt, sowie alle an der Versicherung interessierten Parteien, umfasst. Das Ziel der Einführung dieses allgemeinen Begriffes ist, einen gleichwertigen allgemeinen Schutzstandard für die obigen Kategorien von Personen festzulegen.

Jedes Versicherungsunternehmen sowie jeder Versicherungsmakler wird verpflichtet, eine interne Organisation für die Bearbeitung von Ansprüchen der Nutzer von Versicherungsdienstleistungen einzuführen. Die Versicherungsmakler unterliegen einer strengeren Kontrolle – wenn ein Makler nicht rechtzeitig, teilweise oder gar nicht zahlt, sowie wenn an seiner Geschäftsadresse keine vertretungsbefugte Personen anzufinden sind, kann er vom Versicherungsmaklerregister gelöscht werden.

Die Information, die der Versicherer oder der Makler dem Nutzer von Versicherungsdienstleistungen zur Verfügung stellen soll, ist detailliert beschrieben.

Der Makler soll das Versicherungsunternehmen noch am selben Tag über jede erhaltene Versicherungsprämie informieren und die erhaltene Zahlung dem Versicherer innerhalb von 30 Tagen überweisen.

Fazit

Das neue VGB ist bestimmt ein positiver Schritt für die bulgarische Gesetzgebung. Die Harmonisierung der bulgarischen mit der europäischen Versicherungsregelung ermöglicht EU-Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen einen viel leichteren Marktzutritt in Bulgarien.

Parallel dazu sind auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass bulgarische Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen viel leichter in andere EU-Länder expandieren können. Das neue VGB bringt aber nicht nur den Versicherern etwas Positives, sondern es werden auch zahlreiche Neuregelungen eingeführt, die zugunsten der einzelnen Nutzer von Versicherungsdienstleistungen sind.