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Abschaffung der niederösterreichischen Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge

11/2019

Das letzte gallische Dorf ist gefallen. Mit der jüngsten Novelle des niederösterreichischen Vergabe-Nachprüfungsgesetzes (NÖ VNG, LGBl 54/2019) wurde die schrittweise Abschaffung der Schlichtungsstelle eingeleitet. Bislang ein in der Praxis beliebtes und effektives Instrument, ist sie nunmehr de facto bedeutungslos. Zum 01.05.2022 wird sie gänzlich abgeschafft.

Die im Mai beschlossene Novellierung des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes trat im Juli 2019 in Kraft.

Rückblick: Verpflichtende Befassung der NÖ Schlichtungsstelle 

Das NÖ VNG hatte bis zur jetzigen Novelle festgelegt, dass Unternehmer vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge anrufen mussten. Eine vergleichbare Rechtslage hatte es mit der Bundes-Vergabekontrollkommission in den Anfängen des Vergaberechts auch auf Bundesebene gegeben. Gerade bei Bedenken gegen die Ausschreibung, etwa wegen diskriminierender Festlegungen, war der Weg zur Schlichtungsstelle beliebt und oftmals erfolgreich. Die Anrufung der Schlichtungsstelle war gebührenfrei, die Begegnung vor der Schlichtungsstelle wurde weniger als „unfreundlicher Akt“ betrachtet als ein Nachprüfungsantrag und eine Korrektur der Ausschreibung wurde seitens der Auftraggeber oft vorgenommen, wenn dies die Schlichtungsstelle nahelegte. Hingegen führte ein Schlichtungsverfahren wegen einer Zuschlagsentscheidung sehr selten zu einer Schlichtung und wurde insofern als sinnlose Zeitverschwendung angesehen.

Auf Bundesebene und in allen Bundesländern außer Niederösterreich wurden verpflichtende Schlichtungsverfahren sukzessive abgeschafft. Der niederösterreichischen Verpflichtung zum Schlichtungsverfahren nahm allerdings der Verwaltungsgerichtshof bereits vor mehreren Jahren ihre Schärfe: Nach seiner ständigen Rechtsprechung bestand auch bislang aufgrund des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung keine Pflicht zur vorherigen Befassung der Schlichtungsstelle. Vielmehr war – entgegen dem Gesetzeswortlaut – die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auch in Niederösterreich freiwillig. Nichtsdestotrotz blieb das Schlichtungsverfahren in diversen Stadien eines Vergabeverfahrens ein gern beschrittener Weg. Vor allem bei Bedenken an der Rechtmäßigkeit von Festlegungen in der Ausschreibung bot die Schlichtungsstelle oftmals eine rasche Lösungsmöglichkeit.

Ob es am bis zuletzt unveränderten Wortlaut des NÖ VNG lag oder an anderen Umständen, die Schlichtungsstelle hatte in Niederösterreich – anders als in den übrigen Bundesländern – einen hohen praktischen Stellenwert erlangt.

Status Quo: Faktische Entmachtung der NÖ Schlichtungsstelle

In Anbetracht des bisherigen Wortlauts des NÖ VNG leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein, was der niederösterreichische Landtag zum Anlass für die jetzige Novelle nahm. Diese Novelle beschränkt sich jedoch nicht darauf, die Anrufung der Schlichtungsstelle als freiwillige Möglichkeit vorzusehen (wie beispielsweise das Wiener Vergaberechtsschutzgesetz), sondern schafft zusätzliche Einschnitte. So hat die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nunmehr keine aufschiebende Wirkung mehr für das Vergabeverfahren selbst. Auftraggeber können daher trotz eines laufenden Schlichtungsverfahrens das Vergabeverfahren weiterführen. Außerdem sind Unternehmer faktisch verpflichtet, gleichzeitig mit einem Schlichtungsantrag den Nachprüfungsantrag einzubringen. Denn – und auch das ist eine Neuerung im NÖ VNG – die Zeit, während der das Schlichtungsverfahren anhängig ist, wird in die zehntätige Nachprüfungsfrist nicht mehr eingerechnet.

Damit wird dem Schlichtungsverfahren jegliche Effektivität genommen und die Schlichtungsstelle de facto entmachtet. Auch wenn für die Novelle ein Vertragsverletzungsverfahren Anlass war, wäre ein derart rigider Eingriff für die Schaffung einer unionsrechtskonformen Gesetzeslage nicht erforderlich gewesen.

Ausblick: Gänzliche Abschaffung der Schlichtungsstelle

Die derzeitigen Einschnitte sind zudem nur eine Übergangslösung. Per 01.05.2022 treten sämtliche Bestimmungen betreffend die Schlichtungsstelle außer Kraft. Mit diesem Tag wird das Instrument eines Schlichtungsverfahrens damit (leider) auch in Niederösterreich der Vergangenheit angehören.

Neu eingeführt wurde hingegen (Inkrafttreten am 01.01.2020) die Laienbeteiligung am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in vergaberechtlichen Verfahren, sodass zukünftig Fünf-Richter Senate (3 Berufsrichter und 2 Laienrichter) entscheiden.

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