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Anforderungen an eine Barsicherheit iSd Finanzsicherheitengesetzes (FinSG)

28/11/2016

Allgemeines

Ein Guthaben auf einem Bankkonto stellt in der Praxis ein wichtiges Sicherungsinstrument dar. Das Guthaben kann auf traditionelle Weise in Gestalt der Forderungsverpfändung nach den Regeln des ABGB verpfändet werden. Daneben kann das Guthaben auch als Finanzsicherheit nach dem Finanzsicherheitengesetz (FinSG) bestellt werden. Das FinSG wurde in Umsetzung der RL 2002/47/EG (Finanzsicherheiten-Richtlinie) erlassen und sieht Erleichterungen sowohl bei der Bestellung als auch bei der Verwertung der Sicherheit vor.

Der Oberste Gerichtshof von Lettland befasste den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens mit mehreren Fragen zur Auslegung der Finanzsicherheiten-Richtlinie. Das vorlegende Gericht hatte unter anderem Zweifel am sachlichen Anwendungsbereich der RL. Der EuGH hat das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 10. November 2016, C-156/15 beantwortet.

Barsicherheit

Eine Barsicherheit ist nach Art 2 Abs 1 lit d) der RL "ein in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Betrag oder vergleichbare Geldforderungen, beispielsweise Geldmarkt-Sichteinlagen". Bargeld ist davon eindeutig nicht umfasst. In Österreich bestanden bislang keine Zweifel daran, dass ein auf einem gewöhnlichen Bankkonto gutgeschriebener Betrag Gegenstand einer Barsicherheit sein kann. Das lettische Gericht hegte Zweifel, ob die RL auf ein Guthaben anzuwenden ist, das sich auf einem gewöhnlichen Girokonto befindet, das nicht im Rahmen von Wertpapierliefer- und –abrechnungssystemen im Sinne der RL 98/26/EG genutzt werden soll. Die Zweifel des Gerichts rührten daher, dass sich der Erlass der Finanzsicherheiten-Richtlinie nach ihren Erwägungsgründen 1 und 4 in den u.a. von der RL 98/26/EG errichteten Rechtsrahmen für Wertpapierliefer- und –abrechnungssystemen einfügt. Der EuGH hält dazu fest, dass eine Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Guthaben auf Konten, die im Rahmen der erwähnten Systeme genutzt werden, im Wortlaut der Finanzsicherheiten-Richtlinie keine Stütze findet. Auch die Entstehungsgeschichte der RL spricht dagegen. Geklärt ist damit zunächst, dass ein Guthaben auf einem gewöhnlichen Bankkonto als Finanzsicherheit bestellt werden kann.

Der EuGH hat jedoch auch geprüft, welche weiteren Anforderungen eine Barsicherheit erfüllen muss, um in den Anwendungsbereich der RL zu fallen. Dabei nahm er das Kriterium der Besitz- oder Kontrollverschaffung genau unter die Lupe. Nach Art 2 Abs 2 RL bedeutet die Bestellung einer Finanzsicherheit nämlich, dass dem Sicherungsnehmer oder seinem Vertreter eine Finanzsicherheit geliefert oder im Wege des elektronischen Effektengiros gutgeschrieben wurde oder ihnen auf sonstige Weise der Besitz oder die Kontrolle daran verschafft wurde, sofern er den Besitz oder die Kontrolle nicht bereits innehatte. Das Kriterium der Besitz- oder Kontrollverschaffung ist nach dem EuGH autonom auszulegen. Die Bestellung einer Finanzsicherheit erfordert nach dem EuGH eine bestimmte Form der Besitzaufgabe. Dies erinnert an das Faustpfandprinzip. Im Zusammenhang mit einem Bankkonto ist nach dem EuGH unabdingbar, dass der Sicherungsgeber daran gehindert ist, ohne Zustimmung des Sicherungsnehmers über das als Sicherheit bestellte Guthaben zu verfügen. Dies bedeutet, dass das Konto grundsätzlich gesperrt sein muss, um als Barsicherheit iSd der Finanzsicherheiten-Richtlinie (bzw des FinSG) zu gelten. Der Besitzaufgabe steht nach Art 2 Abs 2 RL jedoch nicht entgegen, dass der Sicherungsgeber Anspruch auf Austausch der bestellten Sicherheiten durch andere Sicherheiten oder auf Rückgewähr überschüssiger Sicherheiten hat.

Der EuGH hat sich damit der Auffassung des High Court London angeschlossen, der sich in zwei Entscheidungen aus 2010 und 2012 mit der Frage der Besitz- oder Kontrollverschaffung beschäftigt hat. Auch das englische Gericht ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass eine Barsicherheit nur dann in den Anwendungsbereich der RL fällt, wenn der Sicherungsgeber nicht ohne Zustimmung des Sicherungsnehmers über die Sicherheit verfügen kann. Davon ausgenommen sei lediglich die Befugnis des Sicherungsgebers, bestellte Sicherheiten auszutauschen oder überschüssige Sicherheiten zurückzuverlangen. Diskutiert wird in der englischen Literatur die Frage, ob diese zwei Ausnahmen abschließend sind oder ob auch andere Verfügungsmöglichkeiten vereinbart werden können. Die englische Literatur empfiehlt dazu, auch im Falle der Vereinbarung bestimmter Verfügungsmöglichkeiten in der Sicherungsabrede die konkrete Verfügung stets an die Zustimmung des Sicherungsnehmers zu knüpfen. Nur so könne nach derzeitigem Stand gewährleistet werden, dass die Sicherheit in den Anwendungsbereich der RL fällt.

Ergebnis

Der EuGH hat in der Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofes von Lettland bestätigt, dass auch ein Guthaben auf einem gewöhnlichen Bankkonto als Barsicherheit im Sinne der Finanzsicherheiten-Richtlinie bestellt werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass das betreffende Konto im Rahmen von Wertpapierliefer- und –abrechnungssystemen im Sinne der RL 98/26/EG genutzt wird. Daran bestanden in Österreich auch nie Zweifel. Zu berücksichtigen sind in der Praxis hingegen die Anforderungen, die der EuGH an die Besitz- oder Kontrollverschaffung stellt. Ein Guthaben auf einem Konto gilt demnach nur dann als Finanzsicherheit im Sinne der RL, wenn der Sicherungsnehmer nicht ohne Zustimmung des Sicherungsgebers über das Guthaben verfügen kann.

Autoren

Andreas Göller