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Bucheinsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters

16/11/2016

zu 6 Ob 128/16s und 6 Ob 89/16f

Häufig geben die Informationsrechte von GmbH-Gesellschaftern Anlass zum Streit. Kürzlich hatte der OGH in zwei Entscheidungen ausführlich zum Bucheinsichtsrecht von GmbH-Gesellschaftern Stellung genommen und für eine Klarstellung des Ausmaßes und der Grenzen von Einsichtsrechten vorgenommen.

§ 22 GmbHG räumt den Gesellschaftern einer GmbH das Recht ein, Einsicht in die Bücher zu nehmen. Das Gesetz normiert hiefür nur eine kurze Frist von vierzehn Tagen vor der zur Prüfung des Jahresabschlusses berufenen Versammlung der Gesellschafter oder vor Ablauf der für die schriftliche Abstimmung. Die herrschende Lehre (stellvertretend J. Reich-Rohrwig GmbHR I 228 ff) entfernte sich bereits vor einigen Jahren vom bloßen Wortlaut des § 22 GmbHG und sieht das Bucheinsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters als ein jederzeit ausübbares Individualrecht, das nicht auf den im Gesetz genannten Zeitraum beschränkt ist. Dieses umfassende Einsichtsrecht wird aufgrund der weitreichenden Entscheidungskompetenz der Gesellschafter (in ihrer Gesamtheit), eines Größenschlusses der weitreichenden Rechte des Aufsichtsrates (wie etwa Auskunfts-, Berichts- und Prüfungsrechte), sowie unter hilfsweiser Heranziehung der Regelungen des § 1194 ABGB begründet.¹ 

Die Judikatur beschränkt dann das Bucheinsichtsrecht von Gesellschaftern, wenn dieses rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird, etwa wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden. Den Rechtsmissbrauch des Bucheinsichtsrechts hat, derjenige zu behaupten und zu beweisen, der die Bucheinsicht eines Gesellschafters verwehrt (RIS-Justiz RS0107752).

Lange Zeit war strittig, ob der Gesellschafter das Bucheinsichtsrecht ausschließlich persönlich ausüben kann. Vor wenigen Monaten stellte der OGH klar (6 Ob 89/16f), dass ein GmbH-Gesellschafter zwar aufgrund der Treuepflicht das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft von Gesellschaftsinterna beachten muss, er aber dennoch berechtigt ist, einen oder mehrere Sachverständige zur Bucheinsicht beizuziehen. Die Beiziehung von Sachverständigen darf aber weder durch die damit verbunden Störung des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft schikanös oder rechtsmissbräuchlich sein.

Jüngst hatte der OGH zudem auch klargestellt (6 Ob 128/16s), dass das Recht auf Bucheinsicht auch wiederholt ausgeübt werden kann. Hat der Gesellschafter in der Vergangenheit bereits Einsicht in die Bücher der Gesellschaft genommen, ist dies kein Versagungsgrund, dem Gesellschafter eine neuerliche Einsicht zu verwehren. Die Grenze des wiederholten Einsichtsbegehrens bildet wiederum der Rechtsmissbrauch. In dieser Entscheidung führte der OGH aus, dass die Übermittlung von Kopien von Belegen der Buchführung nicht ausreichend ist, dem Gesellschafter muss die Überprüfung der Kopien mit den Originalen freistehen.

Ebenso hat ein ausgeschiedener Gesellschafter einer GmbH – so der OGH – ein Einsichtsrecht für den Zeitraum bis zu seinem Ausscheiden, wenn er vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis verfolgt. Ein ausgeschiedener Gesellschafter hat sein Informationsinteresse allerdings konkret darzulegen und zu bescheinigen, weil das Interesse an der Informationserteilung nach dem Ausscheiden und dem damit verbundenen Verlust der Leitungs- und Prüfungsrechte als Gesellschafter nicht mehr evident ist.

Wird in der GmbH ein Aufsichtsrat eingerichtet, so kann gesellschaftsvertraglich das Bucheinsichtsrecht der Gesellschafter ausgeschlossen werden (§ 22 Abs 2 GmbHG).

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¹ Vormals (vor der GesbR-Reform) § 1199 ABGB.

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Johannes Reich-Rohrwig
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Wien