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Der Ministerialentwurf zur Umsetzung der Kartellschadenersatz-Richtlinie liegt vor:

Der Zugang zu Schadenersatz für Kartellgeschädigte (private enforcement) wird deutlich erleichtert

30/09/2016

Schwerpunkt der Kartellgesetz-Novelle 2016 ist die bis 27.12.2016 fällige Umsetzung der Kartellschadenersatz-Richtlinie 2014/104/EU. Zugleich soll eine Reform des österreichischen Kartellrechts zur Schaffung "fairer Spielregeln für Wettbewerb" mehr Transparenz schaffen, wobei Vorschläge aus der Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirats Nr. 87, 2014 "Effizienz - Rechtsstaatlichkeit - Transparenz im österreichischen Wettbewerbsrecht" sowie Anregungen aus der Vollzugspraxis aufgegriffen werden.

Das sind die wichtigsten Änderungen des Entwurfs:

Die RL 2014/104/EU wird in den §§ 37a bis k KartG umgesetzt. Die Grundsätze der bisherigen EuGH-Judikatur zum Recht auf vollständigen Schadenersatz aus Wettbewerbsrechtsverletzungen werden kodifiziert. Gehaftet wird für einen Schaden inklusive entgangenem Gewinn und Zinsen aufgrund einer schuldhaften Wettbewerbsrechtsverletzung. Dass ein Horizontalkartell Schaden verursacht, wird gesetzlich vermutet (lit c). Mehrere Rechtsverletzer haften den Geschädigten solidarisch, können aber anteilig entsprechend der "relativen Verantwortung" Regress nehmen. Klein- und Mittelunternehmen sowie Kronzeugen haften nur gegenüber ihren eigenen Abnehmern oder Lieferanten (lit e).

Für die Einrede, dass der Abnehmer den Preisaufschlag ganz oder teilweise seinen eigenen Kunden weitergereicht hat ("passing on"), trägt der Beklagte die Beweislast (lit f). Im Falle einer einvernehmlichen Streitbeilegung reduziert sich der Ersatzanspruch gegen die übrigen Rechtsverletzer anteilig (lit g).

Die Verjährungsfrist wird auf fünf Jahre verlängert und während eines Kartellverfahrens gehemmt. Zehn Jahre nach Schadenseintritt tritt absolute Verjährung ein (lit h).

Gerichte werden an rechtskräftige Feststellungen der Kartellbehörden gebunden (lit i). Besondere praktische Bedeutung wird der Zugang zu Beweismitteln für die Kläger haben. Diesbezüglich ist vorgesehen, dass in der Klage eine Plausibilisierung des Schadenersatzanspruchs genügt und das Gericht auf begründeten Antrag nach Interessenabwägung dem Beklagten die Offenlegung von Beweismitteln auftragen kann (lit j). Auch die Aktenbeischaffung im Wege der Amtshilfe kann verfügt werden, ausgenommen davon ist aber der Kronzeugenantrag (lit k). Zur Feststellung der Höhe des Schadenersatzes – eine praktisch bedeutsame Hürde – kann das erkennende Gericht das Kartellgericht, den Bundeskartellanwalt und die Bundeswettbewerbsbehörde um Unterstützung ersuchen (lit l).

Parteien und deren Vertreter können zu Ordnungsstrafen bis EUR 100.000 verhalten werden, wenn sie relevante Beweise beseitigen. Damit wird ein Rechtsrahmen geschaffen, der den Schadensausgleich für Kartellgeschädigte deutlich erleichtern wird.

Folgende Bestimmungen sollen mehr Fairness und Transparenz schaffen:

Das Kartellgericht muss nicht nur stattgebende, sondern auch ab- oder zurückweisende Entscheidungen, auch über die Erlassung einstweiliger Verfügungen, veröffentlichen (§ 37).

In der Freigabeentscheidung eines Gemeinschaftsunternehmens kann das Kartellgericht aussprechen, dass kein Anlass besteht, gegen die mit dem Zusammenschluss verbundene wettbewerbsbeschränkende Abreden tätig zu werden (§ 12 Abs 4), was die Rechtssicherheit erhöht.
Das Kartellgericht kann nun im Rahmen einer Hausdurchsuchung mittels Zwangsgeldern den Zugang zu elektronisch abrufbaren Daten erzwingen (§ 35). Damit wird darauf reagiert, dass Dokumente häufig nicht mehr vor Ort, sondern auf externen Laufwerken gespeichert sind. Der Präsident des HG Wien wird die Liste von Sachverständigen für das neue Fachgebiet „Wettbewerbsökonomie“ führen (§ 73).

Weitere relevante Änderungen betreffen den Katalog der Milderungsgründe bei Rechtsverletzungen (§ 30), der Ersatz externer Kosten im Ausmaß des Obsiegens (§ 41), Rekursgründe (§ 49) und Gerichtsgebühren (§ 50). Die Anzahl der Laienrichter am Kartellobergericht wird auf fünf verringert (§ 68). Künftig können weitere Stellvertreter des Bundeskartellanwalts bestellt werden (§ 75 Abs 3).

Insgesamt liegt damit eine durchaus bedeutsame Novelle vor, die, wenn sie so beschlossen wird, dem Kartellrecht, vor allem aber dem Kartellschadenersatzrecht, weitere Dynamik geben wird.

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Bernt Elsner
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Wien