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Was bringt die neue Business Judgement Rule?

13/01/2016

Das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 bringt an unerwarteter Stelle auch gesellschaftsrechtliche Änderungen mit sich, nämlich bei der gesetzlichen Grundlage für die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen. Nach internationalem Vorbild ist ab 1. Jänner 2016 die sogenannte Business Judgement Rule (BJR) auch in Österreich kodifiziert.

Geschäftsführer haben die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns einzuhalten und die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Allerdings ist eine unternehmerische Tätigkeit ohne das Eingehen von geschäftlichen Risiken undenkbar – materialisiert sich das Risiko, wird regelmäßig der Vorwurf erhoben, die Geschäftsführungsmaßnahme sei von Anfang an sorgfaltswidrig gewesen.

Die BJR stellt hier eine „Safe-Harbour“-Bestimmung dar: Sofern der Geschäftsführer die Voraussetzungen der BJR einhält, besteht keine Haftung für das Eingehen geschäftlicher Risiken, auch wenn das Risiko später schlagend wird. Das Unternehmensrisiko trifft schließlich die Gesellschaft, nicht den Geschäftsführer. Hält der Geschäftsführer die Anforderungen der BJR ein, besteht die (unwiderlegliche) Vermutung sorgfältigen Handelns.

Nach den neuen Gesetzesbestimmungen handeln Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder jedenfalls dann rechtmäßig, wenn sie sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lassen und auf der Grundlage angemessener Information annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

1.Unternehmerische Entscheidung

Die BJR privilegiert unternehmerische Entscheidungen: Entscheidungen mit einem Prognoseelement, die dem Ermessen des Geschäftsführers unterliegen. Verlangt hingegen das Gesetz, der Gesellschaftsvertrag, eine Geschäftsordnung oder der Geschäftsführervertrag vom Geschäftsführer ein bestimmtes Verhalten, so hat der Geschäftsführer keine Handlungsalternativen und es liegt keine „unternehmerische Entscheidung“ vor. Der Geschäftsführer hat dieses geforderte Verhalten schlicht zu erfüllen.

2.Freiheit von Interessenskollision

Geschäftsführer haben ausschließlich im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Führt eine riskante Entscheidung zu einem persönlichen Vorteil des Geschäftsführers oder naher Angehöriger, besteht die immanente Gefahr, dass der Geschäftsführer das Interesse der Gesellschaft nicht bestmöglich verfolgt. Das Privileg der BJR greift daher in diesen Fällen nicht.

3.Angemessene Information

Riskante Entscheidungen sind auf informierter Basis zu treffen, weil nur eine informierte Entscheidung ein Abwägen von Pro und Kontra und somit eine Entscheidung im Interesse der Gesellschaft erlaubt. Ein ausuferndes Informationsbedürfnis wird durch zwei Umstände begrenzt: Einerseits ist eine umfassende Informationsbeschaffung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht immer möglich, andererseits ist jede Informationsbeschaffung mit Kosten verbunden. Die Kosten und der sonstige Aufwand haben in angemessener Relation zum Beschlussgegenstand zu bleiben. Der Geschäftsführer hat sich vor der Entscheidung über die anstehende Geschäftsführungsmaßnahme die Frage zu stellen, auf welcher Informationsbasis er diese Entscheidung treffen will. Dabei kommt ihm Entscheidungsermessen zu. Anders formuliert: Auch die Frage nach dem Umfang der Informationsbeschaffung ist eine unternehmerische Frage, deren Nachprüfung dem Privileg der BJR unterliegt.

4.Gutgläubigkeit betreffend das Wohl der Gesellschaft

Der Geschäftsführer muss annehmen dürfen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Diese Voraussetzung wird z. B. nicht erfüllt, wenn Maßnahmen im Konzerninteresse, aber zu Lasten der eigenen Gesellschaft getroffen werden, oder wenn ein Risiko eingegangen wird, dem nicht zumindest auch eine entsprechende unternehmerische Chance gegenübersteht.

Haftung bei Verletzung der BJR?

Die Gesetzesmaterialien stellen klar, dass der Geschäftsführer nicht notwendigerweise haftet, wenn die Voraussetzungen für die BJR nicht erfüllt sind. Praktisch gerät der Geschäftsführer in diesem Fall jedoch in großen Argumentationsnotstand, wenn seine Entscheidung zu einem Schaden für die Gesellschaft geführt hat. Er müsste nämlich darlegen, dass er trotz Missachtung der BJR aus der Sicht ex ante sorgfältig gehandelt hat. Dies wird selten gelingen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die neue Rechtslage entspricht weitgehend der bisherigen Rechtsprechung der Zivilgerichte. Die Kodifikation bringt dennoch Rechtssicherheit: Wenn auch jede der Anwendungsvoraussetzungen der BJR selbst auslegungsbedürftig ist, so stellt der Gesetzgeber den Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern dennoch einen Leitfaden zur Verfügung, der bei der Fassung von Ermessensentscheidungen hilfreich ist. Das schafft ein Stückchen mehr Sicherheit für Entscheidungsträger und ist somit zu begrüßen.

Die zweite Auswirkung spannt den Bogen zurück zum Strafrecht: Ausgangspunkt der Einführung der BJR waren Entscheidungen zur strafrechtlichen Untreue, die in den Managementetagen für Verunsicherung gesorgt hatten. Die Organmitglieder können über die BJR einem Strafgericht nunmehr leichter darlegen, warum sie ihres Erachtens sorgfältig und somit nicht untreu gehandelt haben.

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Clemens Grossmayer
Partner
Wien