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Anlagestiftungen: Mehr Flexibilität bei der Durchführung von Anlegerversammlungen

Seit dem 1. Juli 2024 haben Anlagestiftungen bei der Einberufung und Durchführung von Anlegerversammlungen analoge Möglichkeiten wie Aktiengesellschaften bei den Generalversammlungen.

Ausgangslage

Bezüglich der Einberufung und Durchführung von Anlegerversammlungen verweist Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die Anlagestiftungen (ASV) auf einzelne Normen des Aktienrechts. Bisher umfasste der Verweis ausdrücklich nur die Art. 699, 700, 702, 702a und 703 des Obligationenrechts (OR). Das heisst, es blieben nicht nur Neuerungen bezüglich Einberufung und Durchführung von Generalversammlungen unberücksichtigt, die im Rahmen der am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Aktienrechtsrevision eingeführt worden waren, sondern es fehlte nach wie vor ein Verweis auf die Bestimmung über die Universalversammlung (Art. 701 OR), die für Anlagestiftungen mit nur einem oder wenigen Anlegern relevant ist. Diese Unterlassung galt es daher – wohl nach Hinweisen aus der Praxis – zu korrigieren, mit dem Ergebnis, dass der Verweis in der ASV zum 1. Juli 2024 erweitert wurde.

Änderung der ASV zum 1. Juli 2024

Der Bundesrat hat am 24. April 2024 beschlossen, die ASV anzupassen und die Änderung zum 1. Juli 2024 in Kraft zu setzen. Neu verweist Art. 3 Abs. 1 ASV integral auf die Art. 699–703 OR und hält fest, dass diese Bestimmungen für die Einberufung und Durchführung von Anlegerversammlungen sinngemäss gelten.

Folgende Bestimmungen haben weiterhin Geltung:

  • Art der Einberufung (Art. 699 OR): Die Anlegerversammlung soll innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres durchgeführt und grundsätzlich vom Stiftungsrat einberufen werden.
  • Inhalt der Einberufung (Art. 700 OR): Diese Bestimmung schreibt den Zeitpunkt und Inhalt der Einberufung einer Anlegerversammlung vor.
  • Vorbereitende Massnahmen / Protokoll (Art. 702 OR): Der Stiftungsrat ist verantwortlich für die Feststellung der Stimmrechte, wobei insb. bei Themen, die nur einzelne Anlagegruppen betreffen, Vorsicht geboten ist. Ausserdem hat er für die Führung des Protokolls, inkl. vorgeschriebenem Mindestinhalt, zu sorgen.
  • Äusserungs- und Antragsrecht (Art. 702a OR): Der Stiftungsrat darf sich an der Anlegerversammlung zu jedem Traktandum äussern und Anträge stellen.
  • Beschlussfassung und Wahlen (Art. 703 OR): Sofern die Statuten nicht anderes vorsehen, werden Beschlüsse und Wahlen mit der Mehrheit der vertretenen Stimmen gefasst bzw. vollzogen. Massgebend für die Stimmenzahl ist die Beteiligungsquote am Anlagevermögen bzw. an der betreffenden Anlagegruppe.

Aufgrund der Aktualisierung des Verweises gelten neu zusätzlich folgende Bestimmungen:

  • Bekanntmachung des Geschäftsberichts bzw. Jahresberichts (Art. 699a OR): Der Geschäfts- bzw. Jahresbericht ist den Anlegern mindestens 20 Tage vor der Anlegerversammlung zugänglich zu machen.
  • Traktandierungs- und Antragsrecht (Art. 699b OR): Anleger, die (zusammen) über mindestens 5% des Anlagevermögens verfügen, können die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen bzw. die Aufnahme von Anträgen verlangen. Dieses Quorum kann in den Statuten oder im Reglement herabgesetzt, aber nicht erhöht werden. Ferner ist zu beachten, dass bei Themen, die lediglich eine oder einzelne Anlagegruppe(n) betreffen, oft nur die Anleger der betreffenden Anlagegruppe(n) für die Berechnung des Quorums zu berücksichtigen sind.
  • Universalversammlung und Zustimmung zu einem Antrag (Art. 701 OR): Es besteht die Möglichkeit, eine Universalversammlung ohne Einhaltung der Einberufungsvorschriften durchzuführen. Ausserdem können Beschlüsse auf schriftlichem oder elektronischem Weg gefasst werden. In der Praxis bietet sich dies v.a. für Anlagestiftungen mit nur einem Anleger bzw. einem kleinen Anlegerkreis an.
  • Tagungsort (Art. 701a und 701b OR): Der Stiftungsrat kann den Tagungsort (oder mehrere) festlegen. Falls dieser im Ausland sein soll, ist eine Bestimmung in den Statuten erforderlich. Es wird wohl selten ein Bedürfnis bestehen, einen Tagungsort im Ausland zu bestimmen, da die Anleger von Schweizer Anlagestiftungen ihren Sitz in der Schweiz haben müssen.
  • Verwendung elektronischer Mittel (Art. 701c–701f OR): Neu kann gestattet werden, dass Anleger, die nicht an der Anlegerversammlung anwesend sind, ihr Recht auf elektronischem Weg ausüben können (sog. hybride Anlegerversammlung), oder es ist nun möglich, eine rein virtuelle Anlegerversammlung durchzuführen, vorausgesetzt die Statuten sehen diese Möglichkeit vor. Das Gesetz statuiert die Voraussetzungen für die Verwendung elektronischer Mittel und regelt das Vorgehen bei technischen Problemen.

Die Praxis der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) hat bereits vor der Anpassung der ASV Regularien (Statuten, Stiftungsreglement und Organisationsreglement) von Anlagestiftungen zugelassen, die vorgesehen haben, dass Anlegerversammlungen analog den neuen, zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Vorschriften zur Einberufung und Durchführung von Generalversammlungen abgehalten werden, allerdings mit dem Hinweis, dass dies auf eigene Verantwortung der betreffenden Anlagestiftung erfolge, insbesondere weil das Risiko einer Anfechtung von Beschlüssen von Anlegerversammlungen bestehe, welche an virtuellen oder hybriden Anlegerversammlungen bzw. auf dem Zirkularweg gefasst werden.

Beurteilung

Die Aktualisierung des Verweises in der ASV bringt die Regeln über die Einberufung und Durchführung von Anlegerversammlungen in Einklang mit jenen für die Einberufung und Durchführung von Generalversammlungen. Dies ist zu begrüssen, weil dadurch für Anlagestiftungen die Rechtssicherheit gestärkt und eine zeitgemässe Regelung geschaffen wird.

Mit den Neuerungen wird den technologischen Entwicklungen und dem Bedürfnis nach mehr Flexibilität auch im Bereich der Anlagestiftungen Rechnung getragen. Anlagestiftungen können ihren Anlegern nun ermöglichen, mit geringerem Aufwand bzw. auf verschiedene Arten (physisch und/oder elektronisch) an Anlegerversammlungen teilzunehmen, was nicht nur den Aufwand der Anleger senkt, sondern auch die Qualität der Willensbildung (durch eine höhere Teilnahmequote) an Anlegerversammlungen erhöhen sollte.

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Autoren

Alina Fancelli
Alina Fancelli
Associate
Zürich