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Stolperstein unechte Option - Teil 1

Die Parteien von befristeten Mietverträgen sind sich in den meisten Fällen zu wenig bewusst, welche Probleme sich im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer sogenannten unechten Option stellen können.

Seraina Kihm, März 2017

Befristete Mietverträge und echte Option auf Vertragsverlängerung

Geschäftsmietverträge werden meistens mit einer Mindestlaufzeit oder einer bestimmten Laufzeit (sogenannte befristete Mietverträge) abgeschlossen, d. h. die Parteien vereinbaren ausdrücklich, dass der Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt endet. Es bedarf demnach keiner Kündigung des Mietvertrages. Da der Mieter jedoch insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen – beispielsweise aufgrund von umfangreichen Ausbauinvestitionen im Mietobjekt – an einem Fortbestand des Mietvertrages über die Befristung hinaus interessiert sein kann, wird dem Geschäftsmieter, gelegentlich auch dem Wohnraummieter, ein Recht (eine sogenannte Option) auf Verlängerung des Mietverhältnisses eingeräumt. Bei der Option handelt es sich um ein Recht, das dem Berechtigten die Möglichkeit gibt, durch einseitige Willenserklärung das bereits festgelegte Vertragsverhältnis beizubehalten bzw. zu verlängern. Es müssen hierzu vor Ausübung der Option alle objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragspunkte des Mietvertrags bestimmt bzw. hinreichend bestimmt sein. Lehre und Rechtsprechung sprechen in diesem Fall von einer echten Option.

Unechte Option

Die Parteien können jedoch auch eine unechte Option vereinbaren, gemäss welcher die Optionserklärung nicht automatisch das Zustandekommen bzw. die Verlängerung des Mietverhältnisses bedeutet. Die Verlängerung wird vielmehr von einer Einigung der Parteien über einen wesentlichen Vertragspunkt – in der Regel über das Mietobjekt oder den Mietzins - abhängig gemacht. In diesem Zusammenhang wird in der Regel «dem Verpflichteten entweder die Möglichkeit eröffnet, dem Berechtigten neue Konditionen vorzuschlagen, oder er wird dazu angehalten, ernsthafte Verhandlungen mit dem Berechtigten über neue Konditionen aufzunehmen.»

Übt der Mieter frist- und formgerecht seine unechte Option auf Verlängerung aus, gehen einer Einigung über die wesentlichen Vertragspunkte in den meisten Fällen intensive Verhandlungen voraus. Anlass zu Diskussionen aufgrund einer unechten Option gibt beispielsweise die übliche Formulierung, dass der Mietzins den dannzumal aktuellen Marktverhältnissen angepasst werden soll. Auch wird über die Frage der ernsthaft geführten Vertragsverhandlung oder über den angemessenen offerierten Mietzins gestritten.

Nicht selten können sich die Parteien über die neuen Konditionen nicht einigen. Gerade bei langfristigen Mietverhältnissen an Top-Lagen erweist sich die Einigung über die Anpassung des Mietzinses an die aktuellen Marktverhältnisse oft als äusserst schwierig. Den Parteien sind bei Vertragsabschluss die konkreten Folgen einer Uneinigkeit meist nicht in vollem Umfang bewusst – wie die kürzlich erfolgte Berichterstattung in den Medien zum «Manor / Swiss Life»- Fall an der Bahnhofstrasse in Zürich anschaulich zeigt.

Folgen bei Nichteinigung 

Das Bundesgericht hat festgestellt, dass bei einem befristeten Mietvertrag die mangelnde Einigung über den Mietzins das Mietverhältnis zum Ende der vereinbarten festen Mietdauer automatisch beendet. Dem Mieter steht jedoch die Möglichkeit offen, spätestens 60 Tage vor Ablauf der festen Mietdauer ein Erstreckungsbegehren an die Schlichtungsbehörde zu stellen (Art. 273 Abs. 2 lit. b OR). Ausserdem steht es dem Mieter offen, den offerierten Mietzins (wegen eines allfällig übersetzten Mietertrages) und die Frage der seitens des Vermieters seriös geführten Vertragsverhandlungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Streitpunkte dieser Art würden durch die Vereinbarung einer echten Option im Mietvertrag vermieden.

Klare vertragliche Regelung

Wird im Mietvertrag keine echte Option vereinbart, sollte der ab Beginn der Verlängerungsdauer neu zu bezahlende Mietzins so genau wie möglich festgelegt werden. Dabei ist insbesondere der häufig verwendete Begriff «dannzumalige Marktverhältnisse» zu definieren. In der Regel verstehen die Parteien unter dem Begriff des «marktüblichen Mietzinses» nämlich denjenigen Mietzins, welcher im massgebenden Zeitpunkt der Beurteilung bei einer Neuvermietung des Mietobjekts auf dem freien Markt mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielt werden könnte. Dabei bleibt meist undefiniert, was unter «freiem Markt» genau zu verstehen ist und ob es auch zulässig wäre, eine andere Nutzung des Mietobjekts als die bisherige als relevanten Markt zu betrachten. Darf der Vermieter dem Mieter eines Gastronomiebetriebs oder Warenhauses beispielsweise die Offerte eines Dritten unterbreiten, welcher einen marktüblichen Mietzins anbietet, jedoch für eine andere als die bisherige Nutzung, etwa als Luxusboutique oder Büroräumlichkeit? Diese Frage ist von der Rechtsprechung bisher noch nicht endgültig entschieden worden.

Schliesslich besteht die Möglichkeit, die staatliche paritätische Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht gemäss Art. 361 Abs. 4 ZPO einzusetzen, welches die Streitigkeiten zwischen den Parteien entscheiden und in verbindlicher und endgültiger Weise den Mietzins (oder andere strittige Konditionen) festlegen würde. Bei Geschäftsraummieten sind die Parteien frei, auch ein anderes Gremium als Schiedsgericht zu bestimmen.3 Um Streitigkeiten zu vermeiden, könnten die Parteien für den Fall der Nichteinigung über den marktüblichen Mietzins vertraglich vorsehen, dass ein fachkundiger Schiedsgutachter bestimmt wird, der den Mietzins für die Parteien verbindlich festlegt.

Im Hinblick auf demnächst endende Mietverhältnisse und insbesondere bezüglich zukünftig abzuschliessender Mietverträge ist den Parteien zu empfehlen, einer allfälligen mietvertraglichen Optionsbestimmung erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, damit diese für die Parteien nicht zum Stolperstein wird. Falls möglich, sollte aus Vermietersicht auf die Einräumung von unechten Optionen besser verzichtet werden.

Dieser Artikel wurde in der Zeitschrift für die Immobilienwirtschaft IMMOBILIA im März 2017 veröffentlicht. 

Veröffentlichung
Stolperstein unechte Option - Teil 1 | IMMOBILIA 03/2017
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PDF 139,6 kB
Veröffentlichung
Stolperstein unechte Option - Teil 2 | IMMOBILIA 02/2020
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PDF 180,1 kB

Autoren

Seraina Kihm