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Auswirkungen der jüngsten kartellrechtlichen Rechtsprechung in der Schweiz auf internationale Distributions- und Lizenzverträge

26/02/2019

Auswirkungen der jüngsten kartellrechtlichen Rechtsprechung in der Schweiz auf internationale Distributions- und Lizenzverträge 

Das Schweizerische Bundesgericht hat im Frühjahr 2017 im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Elmex Mund- und Zahnpflegeprodukten ein Urteil publiziert, welches unter anderem zu einer Verschärfung der kartellrechtlichen Praxis zu Abreden im Rahmen von Distributionsverträgen geführt hat. Das Urteil wurde von den Wettbewerbsbehörden und Beschwerdeinstanzen in kürzlich ergangenen Entscheiden bestätigt und präzisiert.

Aufgrund dieser neuen Praxis sind die in Distributionsverträgen enthaltenen Preis- und Gebietsabreden grundsätzlich unabhängig davon unzulässig, ob sie tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben. Die im Schweizer Kartellgesetz („KG“) in Art. 5 Abs. 1 KG vorgesehene Voraussetzung der „Erheblichkeit“ der Wettbewerbsbeschränkung wird vom Bundesgericht als reine „Bagatellschwelle“ ausgelegt, wobei unklar ist, ob diese Bagatellschwelle in Fällen von harten Kartellabsprachen überhaupt Anwendung findet. Zudem und für internationale Distributionsverträge besonders relevant fallen Auslandssachverhalte auch dann in den räumlichen Anwendungsbereich der Schweizer Kartellgesetzgebung, wenn sie zwar keinen Bezug zur Schweiz aufweisen, sich aber potentiell auf die Schweiz auswirken könnten, unabhängig von der Intensität dieser Auswirkung. Im Ergebnis bedeutet dies, dass unter anderem sämtliche ausdrücklichen und faktischen Exportverbote in die Schweiz wettbewerbsrechtlich unzulässig sind, selbst dann, wenn nicht explizit auf die Schweiz Bezug genommen wird.

Gemäss Art. 3 Abs. 2 KG fallen Wettbewerbsbeschränkungen, die sich ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben, nicht unter das Kartellgesetz. Allerdings erschöpfen unter Schweizer Recht Urheber-, Marken- und Designrechte international. Demzufolge kann der Inhaber von urheber-, marken- oder designrechtlich geschützten Produkten gestützt auf diese Rechte nicht gegen den Import der Produkte durch Dritte in die Schweiz vorgehen, falls die Produkte mit seiner Zustimmung bereits irgendwo in der Welt in Vertrieb gesetzt wurden. Der Rechteinhaber kann somit allfällige Lieferbeschränkungen in Vertrieb gesetzter Produkte in die Schweiz in keinem Fall mit seinen Urheber-, Marken- und Designrechten rechtfertigen. Anders in der EU: dort gilt für alle Immaterialgüterrechte die gemeinschaftsweite Erschöpfung, d.h. der Rechteinhaber kann sich unter Umständen gestützt auf seine IP Rechte gegen den Import seiner Produkte in die EU von ausserhalb der EU wehren, selbst wenn die Produkte bereits ausserhalb der EU in Vertrieb gesetzt wurden.

Anzumerken ist zudem, dass Art. 3 Abs. 2 KG den Vorbehalt der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ausdrücklich insofern wieder einschränkt, als „Einfuhrbeschränkungen, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen“ trotz grundsätzlichem Vorbehalt in den Anwendungsbereich des KG fallen. Die jüngste Rechtsprechung dürfte so zu interpretieren sein, dass absolute Lieferbeschränkungen (d.h. Beschränkungen, die auch die Erledigung unaufgeforderter Bestellungen umfassen) mit Bezug auf bisher nicht im Ausland in Vertrieb gesetzte (Lizenz-)Produkte kartellrechtlich unzulässig sind.

Hersteller, die sich nicht dem Risiko erheblicher Geldbussen in der Schweiz aussetzen wollen, sollten daher bei der Ausarbeitung sämtlicher Distributionsverträge mit Dritthändlern die folgenden Punkte beachten:

  • Verzicht auf ausdrückliche oder faktische absolute Exportverbote in die Schweiz: Lieferungen an Kunden in die Schweiz, die unaufgefordert Waren bestellen (sogn. passive Verkäufe), müssen zulässig sein, auch wenn die Schweiz nicht Teil des Vertragsgebietes des betreffenden Händlers ist. Dies gilt auch für Lizenzverträge, in denen sich die räumliche Lieferbeschränkung aus dem Immaterialgüterrecht selber ergibt (d.h. die Lizenz auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass die Schweiz nicht Mitglied des EWR ist und eine Lieferbeschränkung auf den EWR einem Exportverbot in die Schweiz gleichkommt.
  • Verzicht auf Abreden über Mindest- und Festpreise für den Weiterverkauf.
  • Verzicht auf Preisempfehlungen für den Weiterverkauf, es sei denn, die Preisempfehlung wurde vorab einer kartellrechtlichen Prüfung unterzogen.

 

Unsere Empfehlung

Allgemein ist zu empfehlen, bei der Ausarbeitung von Distributions- und Lizenzverträgen (einschliesslich gemischter Verträge) stets auch abzuklären, ob sich diese zumindest potentiell auf die Schweiz auswirken können und gegebenenfalls, ob sie aus Sicht des Schweizer Kartellrechts unzulässige Wettbewerbsabreden enthalten. Bei Unsicherheit ist ein Schweizer Kartellrechtsspezialist beizuziehen. Wie die jüngste Praxis der Wettbewerbsbehörden zeigt, kann ein diesbezüglicher Mangel an Sorgfalt zu Strafen in Millionenhöhe führen.

Personen

Foto vonMarquard Christen
Marquard Christen, LL.M., MAS
Partner
Zürich
Foto vonSimone Brauchbar Birkhäuser, LL.M.
Dr. Simone Brauchbar Birkhäuser, LL.M.
Partnerin
Zürich