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Augen auf beim Grundstückskauf

27/06/2017

Grundsatz: Kauf wie gesehen

Nach Schweizer Recht sehen Grundstückskaufverträge in der Regel eine Freizeichnung des Verkäufers für Rechts- und Sachmängel der verkauften Liegenschaft vor. Die Liegenschaft wird, mit anderen Worten, vom Käufer „wie gesehen" erworben. Das Bundesgericht hat die grundsätzliche Zulässigkeit von solchen Freizeichnungsklauseln wiederholt bejaht.

Aus diesem Grund ist es für den Käufer essentiell, das Kaufobjekt vor dem Erwerb genau zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung sind sowohl bauliche und technische Gegebenheiten (Alter und Zustand der Liegenschaft, Baugrund, allfällige Altlasten usw.), rechtliche Aspekte (Grundbucheinträge, Zoneneinteilung, öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen, Mietverträge, Vorkaufsrechte usw.) wie auch finanzielle Eckdaten (Mieterträge, mutmassliche Renovationskosten, Steuern und Abgaben usw.) zu analysieren. In der Regel zieht der Käufer dazu Fachpersonen bei. Je nach Ergebnis der Due Diligence wird der Käufer auf dem Verhandlungsweg versuchen, punktuelle Zusicherungen in den Kaufvertrag aufzunehmen.

Due Diligence ist essentiell

Ein kürzlich ergangener Bundesgerichtsentscheid zeigt die Wichtigkeit einer sorgfältigen Due Diligence durch den Käufer. Dem Entscheid liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Eine Aktiengesellschaft erwarb im Sommer 2013 ein Grundstück in der Bauzone im Kanton Zürich zum Preis von CHF 675‘000. Die Käuferin wollte das Grundstück überbauen, stellte aber nachträglich fest, dass dies aufgrund einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit mit dem Stichwort „Pflanzund Benützungsrecht“ nicht möglich war. Der Wortlaut dieser Dienstbarkeit besagt, dass der Eigentümer des berechtigten Grundstücks das alleinige Recht habe, die Erdoberfläche des belasteten Grundstücks als Gartenfläche zu benutzen und zu bepflanzen.

Die Käuferin, welche vom Wortlaut dieser Dienstbarkeit beim Abschluss des Kaufvertrages keine Kenntnis hatte, hat den Kaufvertrag im Sommer 2014 angefochten und unter Berufung auf Grundlagenirrtum eine Rückabwicklung verlangt.

Entscheid

Das Bundesgericht hat im beschriebenen Fall keinen Grundlagenirrtum zugelassen. Als Begründung führte es an, die Käuferin habe im öffentlich-beurkundeten Grundstückskaufvertrag bestätigt, dass ihr der Wortlaut der Dienstbarkeiten bekannt sei. Da die Käuferin im Kaufvertrag selbst bestätigt hatte, den Wortlaut der Dienstbarkeiten zu kennen, kann sie sich gemäss Bundesgericht später nicht mehr darauf berufen, sie habe sich betreffend einer Dienstbarkeit und damit einhergehend der Bebaubarkeit des Grundstücks in einem Irrtum befunden. (Vgl. BGer 4A_461/2016 vom 10.02.2017)

Take-aways für Immobilienkäufer

Bemerkenswert an diesem Entscheid ist Folgendes:

  • Es gilt das Prinzip der Öffentlichkeit des Grundbuches; daraus folgt unter anderem, dass der nachträgliche Einwand ausgeschlossen ist, man habe einen Grundbucheintrag nicht gekannt (Art. 970 Abs. 4 ZGB). Das Bundesgericht stellt im oben erwähnten Urteil allerdings klar, dass dieser Grundsatz im Verhältnis von Verkäufer und Käufer nicht gilt, d.h. trotz Grundbucheintrag ist eine Irrtumsanfechtung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
  • Im erwähnten Fall scheiterte die Irrtumsanfechtung an der Formulierung im Kaufvertrag, wonach die Käuferin den Wortlaut der Dienstbarkeiten kenne. Es handelt sich dabei um eine Standardformulierung, welche in praktisch allen öffentlich beurkundeten Kaufverträgen zu finden ist. Empfehlung: Als Käufer sollte man in jedem Fall den Inhalt der im Grundbuch auf dem Kaufobjekt eingetragenen Dienstbarkeiten, Anmerkungen und Vormerkungen kennen.
  • Das Stichwort betreffend der Dienstbarkeit im erwähnten Fall („Pflanz- und Benützungsrecht“) mag auf den ersten Blick nicht dramatisch erscheinen. Der Inhalt der Dienstbarkeit schloss allerdings die Benutzund Überbaubarkeit des Grundstücks faktisch aus. Empfehlung: Man sollte sich vom Stichwort einer Dienstbarkeit nicht täuschen lassen. Insbesondere wenn die Liegenschaft umgenutzt oder überbaut werden soll, empfiehlt es sich, sämtliche Grundbucheinträge auf deren Inhalt und Auswirkung, d.h. insbesondere die Dienstbarkeitsverträge und dazugehörigen Pläne, zu prüfen.

Kehrseite: Aufklärungspflicht des Verkäufers

Grundsatz

Bei der Lektüre des erwähnten Bundesgerichtsentscheides drängt sich die Frage auf, ob der Verkäufer den Inhalt der betreffenden Dienstbarkeit gekannt und diesbezüglich allenfalls eine Aufklärungspflicht gegenüber der Käuferin gehabt habe. Dieser Punkt wurde im vorinstanzlichen Verfahren ausgeklammert, weshalb sich das Bundesgericht dazu auch nicht geäussert hat.

Gemäss Gesetz ist ein Gewährleistungsausschluss ungültig, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat (Art. 199 OR und Art. 193 Abs. 3 OR).

Ein „arglistiges Verschweigen” eines Mangels kann nur dann vorliegen, wenn der Verkäufer über die betreffenden Umstände eine Aufklärungspflicht hatte. Es stellt sich somit die Frage, wie weit die Aufklärungspflicht des Verkäufers im Rahmen von Liegenschaftsverkäufen geht, bzw. inwieweit ein Käufer selbst für die Prüfung des Kaufobjekts (Due Diligence) verantwortlich ist.

Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers setzt Folgendes voraus:

  • Der Verkäufer hat selbst Kenntnis vom Mangel bzw. muss ernsthaft mit dem Vorhandensein eines Mangels rechnen. Das Wissen von Hilfspersonen (z.B. Verwaltung) wird dem Verkäufer grundsätzlich zugerechnet; und
  • Der Verkäufer weiss oder nimmt an, dass der Käufer keine Kenntnis vom Mangel hat, aber womöglich auf den verschwiegenen Umstand Wert legt.

Fallbeispiel

Das Bundesgericht hat beispielsweise in folgendem Entscheid eine Aufklärungspflicht des Verkäufers bejaht:

Ein Ehepaar hatte ein Grundstück mit einer Doppelhaushälfte samt Pool sowie ein angrenzendes Grundstück mit einem Gartenhaus im Kanton Neuenburg erworben. Der Vertrag enthielt die übliche Freizeichnungsklausel. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses befanden sich beide Grundstücke überwiegend in der Zone für öffentliche Nutzung, welche u.a. die Unüberbaubarkeit zu privaten Zwecken vorsah. Auf Intervention der Käufer wurde das Grundstück mit der Doppelhaushälfte umgezont, das andere Grundstück verblieb aber in der Zone für öffentliche Nutzung.

Die Käufer machten einen Rechtsmangel geltend und verlangten eine Kaufpreisminderung. Das Bundesgericht hat das Vorliegen eines Mangels und damit die Zulässigkeit der Kaufpreisminderung bejaht.

Das Bundesgericht war der Ansicht, dass die Käufer als juristische Laien die Zuordnung der gekauften Grundstücke zur Zone für öffentliche Nutzung und die entsprechenden Konsequenzen nicht in Betracht ziehen mussten. Auf der anderen Seite reiche es für eine Aufklärungspflicht des Verkäufers, wenn dieser mit der Möglichkeit gerechnet und in Kauf genommen habe, dass die Käufer bei Vertragsabschluss keine Kenntnis über die Zonenzuordnung der Parzellen gehabt hätten. (Vgl. BGer 4A_11/2015 vom 25.06.2015)

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Autoren

Foto vonSibylle Schnyder
Dr. Sibylle Schnyder, LL.M.
Partnerin
Zürich
Foto vonStefan Gerster
Dr. Stefan Gerster, LL.M., MRICS
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