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Schweizerische und grenzüberschreitende Nachlass- und Vermögensplanung

unter besonderer Berücksichtigung der schweizerisch-deutschen Rechtsbeziehungen

Das schweizerische Erbrecht und die Anknüpfungsregeln in den Nachbarstaaten der Schweiz haben sich über lange Zeit als stabiles Regel­werk erwiesen. Sie boten über mehr als hundert Jahre eine verlässliche Grundlage dafür, Familienvermögen an die nächste Generation weiterzugeben. Doch in dieser Zeit hat sich die Lebenswirklichkeit vieler Menschen verändert: Heute lebt man mobiler, liberaler und in vielfältigeren Familienkonstellationen als vor hundert Jahren. Die Altersvorsorge leisten heute vor allem staatliche und private Pensionskassen, der Generationenvertrag tritt vermehrt in den Hintergrund. Diesen Umständen muss das Erbrecht Rechnung tragen. Der Gesetzgeber ist tätig geworden und hat mehrere Änderungen im nationalen und internationalen Erbrecht unternommen. Weitere Reformen stehen in absehbarer Zeit an. Die Hauptelemente dieses Wandels sind die folgenden:

  • Der schweizerische Bundesrat hat dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine grundlegende Revision des schweizerischen Erbrechts zum Inhalt hat. Zu den wesentlichen Änderungen gehört die Reduktion der Pflichtteile für Nachkommen (von heute 75% des Erbteils auf neu 50% des Erbteils). Zudem soll das Pflichtteilsrecht der Eltern entfallen. Beide Änderungen haben zur Folge, dass zukünftige Erblasser mit mehr Freiheit über ihr Vermögen werden verfügen können. Wer in seiner bisherigen Planung seine Kinder oder einzelne davon auf den Pflichtteil gesetzt hat (beispielsweise zur Maximalbegünstigung des Ehegatten), tut gut daran, seine Planungsdokumente zu überprüfen und sicherzu­stellen, dass sie auch unter Berücksichtigung der neuen Pflichtteilsregeln stimmig sind. Das neue Recht wird nämlich unmittelbar auf alle Todesfälle nach Inkrafttreten Anwendung finden und somit auch Nachlässe erfassen, deren Planungsinstrumente schon vor Jahren erstellt wurden.
  • Seit 29. Januar 2019 entfaltet die Europäische Güterrechtsverordnung volle Wirksamkeit. Sie bestimmt das auf ehegüterrechtliche Verhältnisse anwendbare Recht und verdrängt bisherige nationale Regeln. Die Europäische Güterrechtsverordnung ist auch im Verhältnis zur Schweiz wichtig: Über ein Drittel der Ehen in der Schweiz weisen grenzüberschreitende Komponenten auf, etwa weil die Ehegatten unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben, aus dem Ausland zugezogen sind oder ihnen Vermögenswerte im Ausland gehören. Die neuen europäischen Regeln zum Güterrecht erlauben jetzt eine Wahl zwischen dem Recht am Lebensmittelpunkt und dem Heimatrecht. Diese Innovation eröffnet in der Schweiz lebenden Ausländern und gemischt-nationalen Ehen die Möglichkeit, die attraktiven Regeln des schweizerischen Güterrechts (Errungenschaftsbeteiligung, Meistbegünstigung des überlebenden Ehegatten) zur Anwendung zu bringen. Die Bedeutung des Ehegüterrechts für das Erbrecht ist dabei kaum zu überschätzen. Denn im Todesfall eines Ehegatten wird zuerst das eheliche Vermögen zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten aufgeteilt, bevor der Nachlass selbst verteilt wird. Das Ehegüterrecht kann also die Grösse des Nachlasses erheblich beeinflussen.
  • Seit Mitte 2015 ist die Europäische Erbrechtsverordnung in Kraft. Sie bringt bei der grenzüberschreitenden Nachlassplanung bedeutende Vorteile mit sich. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen kommt es regelmässig zu Kompetenzkonflikten zwischen den Behörden der involvierten Staaten und zu sich widersprechenden Entscheidungen. Die EU hat deshalb mit der Europäischen Erbrechtsverordnung für internationale Nachlasssachen die zwischenstaatliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung von ausländischen Rechtsakten geregelt. Sie hat überdies einheitliche Regeln darüber festgelegt, welches Erbrecht jeweils anzuwenden ist. Die Erbrechtsverordnung ermöglicht einerseits in der Schweiz lebenden Europäern sowie im europäischen Ausland lebenden Schweizern die sichere Wahl ihres Erbrechts (Heimatrecht oder Recht am Ort des Lebensmittelpunkts). Andererseits führt die Erbrechtsverordnung zur Anerkennung des in der Schweiz bewährten Instruments des Erbvertrags im europäischen Ausland, und zwar auch dort, wo man den Erbvertrag bislang nicht kannte oder ihm skeptisch gegenüberstand. Vielfach zeigt sich der Erbvertrag als starkes Instrument für eine einvernehmliche Nachfolgeregelung, insbesondere in Unternehmerfamilien.
  • Die europäischen Änderungen haben Folgen für die Schweiz: Der Bundesrat will Kompetenzkonflikte mit den EU-Staaten im Bereich des Erbrechts minimieren und so weitere Rechts- und Planungssicherheit schaffen. Er hat deshalb im Februar 2018 die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Revision des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) eröffnet mit dem Ziel, das schweizerische internationale Erbrecht mit der EU-Erbrechtsverordnung abzustimmen.

Für uns als Beraterinnen und Berater wird eine stärkere Vernetzung über die Grenzen und Themenbereiche hinweg immer wichtiger, um unsere Klienten und Kunden in internationalen Themen erfolgreich zu begleiten. Internationalität ist heute zum Normalfall geworden, rein nationale Nachlässe werden immer seltener.

In diesem Leitfaden haben wir den derzeitigen Stand zur schweizerischen und grenz-überschreitenden Nachlass- und Vermögensplanung zusammengetragen. Wir freuen uns, wenn wir Ihnen ein Kompendium an die Hand geben können, das Ihnen eine Hilfe ist, den Überblick zu behalten.

Zürich / Hamburg, im Februar 2019

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Schweizerische und grenzüberschreitende Nachlass- und Vermögensplanung
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Tobias Somary, LL.M.
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Dr. Jasper Philippi
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