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Wann ist ein aus mehreren Blättern bestehendes Testament gültig? Wie fest müssen die Seiten des Testaments miteinander verbunden sein?

OGH 29.04.2021, 2 Ob 4/21h

Entgegen älterer Judikatur ließ der OGH für die äußere Urkundeneinheit des Testaments genügen, wenn die Verbindung der losen Blätter des maschinenschriftlichen Testaments unmittelbar nach Unterfertigung des Testaments hergestellt wird. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen ist.

Sachverhalt:

Das verfahrensgegenständliche fremdhändige Testament besteht aus zwei genähten Blättern, wovon sich auf dem ersten Blatt die Verfügung zugunsten der Enkel des Erblassers sowie eine handschriftliche Nuncupatio und die Unterschrift des Erblassers befinden. Auf dem zweiten Blatt steht:

Mit nachstehender Unterschrift bestätigen wir, die ersuchten Testamentszeugen, dass der Testator in unserer gleichzeitigen und ununterbrochenen Anwesenheit den vorstehenden Zusatz eigenhändig geschrieben und die letztwillige Verfügung sodann eigenhändig unterschrieben hat.

Unter diesem Text befinden sich die Unterschriften der Zeugen mit Zeugenzusatz.

Der Erblasser kam am Tag der Errichtung des Testaments in das Notariat, wo die Notarsassistentin das Datum in den Entwurf einfügte und die Blätter mit einer Dokumentenschiene verband. Der Notar nahm die Blätter danach aus der Schiene und besprach das Testament noch einmal mit dem Erblasser, bevor er zwei weitere Zeuginnen in das Besprechungszimmer holte. Nachdem der Notar den Erblasser nochmals gefragt hatte, ob das Testament seinem Willen entspreche, unterschrieben der Erblasser, der Notar und die beiden weiteren Zeuginnen das Testament. Direkt anschließend wurden die Blätter wieder mit der Dokumentenschiene verbunden und nachdem der Testator aus dem Besprechungszimmer begleitet wurde (er verließ das Notariat aber nicht sofort, sondern war zumindest weitere 15 Minuten dort), übergab der Notar das Testament einer Assistentin, die es sofort binden sollte.  Es konnte nicht festgestellt werden, wie viel Zeit zwischen der Unterfertigung des Testaments und dem Binden verging, allerdings wurde das Testament noch am Tag der Unterfertigung gebunden. Ob der Erblasser noch anwesend war, als das Testament gebunden wurde oder ob ihm dieses noch einmal in die Hand gegeben wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Die beiden Vorinstanzen entschieden, dass die Blätter spätestens während des Testiervorgangs hätten verbunden werden sollen, was allerdings nicht geschah, das Testament sohin formungültig sei.

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Der OGH betonte, dass nach stRsp die äußere Urkundeneinheit bei einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung dann vorliegt, „wenn die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann.“ Dies muss „während“ des Testiervorgangs also „uno actu mit diesem“, hergestellt werden. 

Beispielsweise bei einer auswärtigen Amtshandlung eines Notars wäre diese Urkundeneinheit nach dem OGH nicht gegeben, wenn das Testament auf unverbundenen Blättern errichtet wurde und erst nachträglich im Notariat gebunden werden würde. Allerdings ist es durchaus ausreichend, wenn die Verbindung der Urkundenblätter im unmittelbaren Anschluss an die Unterzeichnung durch den Erblasser und die Zeugen hergestellt wird (2 Ob 141/20d). 

Der OGH folgerte im gegenständlichen Fall daraus, dass von einem einheitlichen Testiervorgang zu sprechen ist, wenn die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt wird. Dieser einheitliche Testiervorgang ist erst mit dieser Herstellung beendet, auch wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Vorort war. Das Erfordernis der Anwesenheit des Erblassers wäre laut dem OGH überspannt, wenn für diesen keine Bedenken bestanden, dass die Verbindung im unmittelbaren Anschluss erfolgen würde, und dies auch tatsächlich geschah. In einem solchen Fall ist das Austauschen von Blättern unabhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalls nämlich beinahe ausgeschlossen. 

Sohin war die äußere Urkundeneinheit gegeben, weil durch die Bindung der Blätter unmittelbar nach der Unterzeichnung derselben ein einheitlicher Testiervorgang vorlag.

Hauptansprechpartner

Johannes Reich-Rohrwig

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