04/01/2024
Flexible Kapitalgesellschaft
Veröffentlicht am 04. Januar 2024„Gut Ding braucht Weile.“ In diesem sprichwörtlichen Sinn hat es drei Jahre gedauert, bis die im Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition angekündigte neue Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die durch mehr Flexibilität gekennzeichnet ist, auf den Weg gebracht wurde. Rechtzeitig vor seinem Inkrafttreten am 1. Jänner 2024 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.1BGBl I 2023/179. footnoteDie neue Rechtsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft ist für Start-ups und internationale Investor:innen besser geeignet als die bisherigen Rechtsformen der Aktiengesellschaft und der GmbH. Mit dem neuen Gesetz rezipiert der Gesetzgeber bewährte, flexible Kapitalmaßnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Aktienrecht, vermeidet aber den ständigen Formalismus und die Weisungsfreiheit des Vorstands, wie sie im Aktienrecht bestehen und als nachteilig empfunden werden. Der Gesetzgeber führt eine neue, stimmrechtslose Anteilsklasse der so bezeichneten „Unternehmenswert-Anteile“ ein, die vor allem für die Beteiligung von Mitarbeiter:innen sehr gut geeignet ist und ihnen beim Exit der Gründungsgesellschafter:innen ein Mitverkaufsrecht zusichert. Der Gesetzgeber schafft weitere Regelungen, die die Beteiligung von Mitarbeiter:innen am Unternehmen begünstigen. In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen sind die steuerlichen Begleitmaßnahmen des Start-Up-Förderungsgesetzes: Dieses macht die Beteiligung von Mitarbeiter:innen am Unternehmen steuerlich wesentlich attraktiver und vermeidet die sofortige Besteuerung von Mitarbeiteranteilen schon anlässlich ihrer Ausgabe. Im Übrigen ist die neue Rechtsform der Flexiblen Kapitalgesellschaft ein Hybrid – eine Mischung aus eigenen Regelungen und dem subsidiär anwendbaren GmbH-Recht. Insofern baut der Gesetzgeber auf bestehenden und bewährten Regelungen auf und erspart dem Rechtsanwender in vielen Bereichen Auslegungsunsicherheiten, wie sie sonst mit einem neuen Gesetz verbunden wären. Wir erwarten daher eine hohe Akzeptanz und Beliebtheit der neuen Rechtsform bei Jungunternehmer:innen und wachstumsorientierten Start-ups. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die neue Rechtsform: A. Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG, FlexCo) Die Flexible Kapitalgesellschaft (im Folgenden kurz „FlexCo“) kann zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden. Auch die Ein-Personen-Gründung ist zulässig. Die Flexible Kapitalgesellschaft muss in ihrer Firma die Rechtsform angeben. Die Angabe der Rechtsform kann mit der Bezeichnung „Flexible Kapitalgesellschaft“, „flexible company“ oder abgekürzt als „FlexKapG“ oder als „FlexCo“ erfolgen. B. Mindeststammkapital, Stammeinlagen Das Mindeststammkapital der FlexCo beträgt EUR 10.000,-. Das Kapital kann durch Bareinlagen und/oder Sacheinlagen aufgebracht werden. Bareinlagen müssen mit mindestens EUR 5.000,- einbezahlt werden, sonst aber nur zu einem Viertel. Das geringste Nominale für einen Geschäftsanteil beträgt EUR 1,- (bei der GmbH: EUR 70,-). Für Unternehmenswert-Anteile ist die kleinste Einheit sogar noch geringer, nämlich nur ein Cent (EUR 0,01). Die FlexCo und ihre Gesellschafter:innen sind in das Firmenbuch einzutragen. Unternehmenswert-Beteiligte sind zwar nicht namentlich in das Firmenbuch einzutragen, doch ist jährlich eine Liste (Namensliste) zum Firmenbuch einzureichen, die für jedermann aus der Urkundensammlung ersichtlich ist. Darüber hinaus ist beim Firmenbuchgericht eine (nicht öffentliche) Anteilsliste der Unternehmenswert-Beteiligten einzureichen, die auch die Höhe der Anteilsnennbeträge für die Unternehmenswert-Beteiligten auszuweisen hat. C. Mitarbeiterbeteiligung: Unternehmenswert-Anteile Das Gesetz schafft eine neue Kategorie von Anteilen, nämlich die Unternehmenswert-Anteile. Diese unterscheiden sich von „normalen Geschäftsanteilen“, die Gesellschafter:innen haben, in mehreren Aspekten: Unternehmenswert-Anteile sind stimmrechtslos. Mit Unternehmenswert-Anteilen ist – im Gegensatz zu „normalen Geschäftsanteilen“ – keine Haftung für ausständige Stammeinlagen anderer Gesellschafter:innen und keine Haftung im Fall unzulässiger Einlagenrückgewähr an einzelne Gesellschafter:innen verbunden. Unternehmenswert-Anteile haben beim „Exit“ ein gesetzliches Mitverkaufsrecht, wenn die Gründungsgesellschafter:innen die Mehrheit ihrer Anteile verkaufen. Bei Kapitalerhöhungen haben Unternehmenswert-Anteile allerdings kein gesetzliches Bezugsrecht. Dieses könnte aber im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. D. Flexible Kapitalmaßnahmen Die aus dem Aktienrecht bekannten Möglichkeiten flexiblerer Kapital- und Finanzierungsmaßnahmen sind nun auch bei der FlexCo zulässig: Zu nennen ist hier das „genehmigte Kapital“, bei welchem die Geschäftsführung auf die Dauer von höchstens fünf Jahren ermächtigt wird, das Kapital durch Ausgabe neuer Anteile in bestimmtem Umfang zu erhöhen. Auf diese Weise erhält die Geschäftsführung mehr Spielraum, mit Investor:innen nicht nur zu verhandeln, sondern auch die Kapitalerhöhung direkt abschließen zu können. Mit der Einführung des „bedingten Kapitals“ wird für die FlexCo die Möglichkeit eröffnet, für die Ausgabe von Anteils-Optionen und für Unternehmenszusammenschlüsse vorzusorgen, um jederzeit in der Lage zu sein, die durch die Anteils-Optionen versprochenen Anteile auch tatsächlich ausgeben zu können. Das Gegenstück, der Erwerb eigener Anteile (indem die FlexCo Anteile an sich selbst erwirbt), die Einziehung und die Zwangseinziehung von Anteilen, wie sie schon im Aktienrecht bekannt sind, wird nun auch für die FlexCo erlaubt (alles im Gegensatz zur GmbH, wo diese Instrumente gesetzlich nicht geregelt sind). E. Umwandlung in eine FlexCo Man kann die Rechtsform der FlexCo nicht nur durch Neugründung wählen, sondern auch durch Umwandlung einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH in eine FlexCo. Gleichermaßen ist die Umwandlung auch in umgekehrter Richtung möglich. F. Erleichterungen bei der Formpflicht Heftig umstritten war im Gesetzwerdungsprozess die verlangte Erleichterung der Formpflicht. Denn für die GmbH ist nicht nur bei der Gründung2Wenn man von der vereinfachten Gründung einer Ein-Personen-Gesellschaft unter Mitwirkung eines Kreditinstitutes absieht. footnote ein Notariatsakt erforderlich, sondern auch bei jeder Kapitalerhöhung und bei Anteilsübertragungen. Dies ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch kostspielig und kann bei kleinen Formalfehlern sogar zur Nichtigkeit des Notariatsaktes führen. Schließlich hat hier der Gesetzgeber einen Mittelweg eingeschlagen: So werden nun anlässlich der Kapitalerhöhung für Übernahmeerklärungen ebenso wie für Anteilsübertragungen auch Privaturkunden, an denen ein Rechtsanwalt oder Notar mitwirkt, zugelassen.Für den Abtretungsvertrag zur Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen genügt sogar die Einhaltung der Schriftform. G. Poison Pill – Aufsichtsratspflicht In einem Punkt hat der Gesetzgeber allerdings – unnötigerweise – die FlexCo schlechter gestellt als die GmbH: Bei der FlexCo kann die Aufsichtsratspflicht früher eintreten als in vergleichbaren Fällen bei einer GmbH. So bestimmt das Gesetz für Flexible Kapitalgesellschaften, dass bei diesen die Pflicht zur Bestellung eines Aufsichtsrats bereits dann eintritt, wenn die FlexCo als „mittelgroße Kapitalgesellschaft“ einzustufen ist und zwei der drei folgenden Merkmale mehr als zwei Jahre hindurch überschreitet: nämlich, wenn ihre Bilanzsumme mehr als € 5 Mio. beträgt, ihre Umsatzerlöse mehr als € 10 Mio. betragen bzw. die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer:innen 50 übersteigt. Die in den Gesetzesmaterialien für diese bei der FlexCo früher eintretende Aufsichtsratspflicht gegebene Begründung, dass die Instrumente des genehmigten und des bedingten Kapitals wie bei der Aktiengesellschaft eine Aufsichtsratspflicht nahelegen, überzeugt nicht, da die Aufsichtsratspflicht nicht davon abhängig gemacht ist, dass sich die FlexCo überhaupt der Instrumente des „genehmigten Kapitals“ und des „bedingten Kapitals“ bedient. H. Prognose Wir sind überzeugt, dass sich die FlexCo über kurz oder lang im Wirtschaftsleben sehr gut etablieren wird. Wer als Gründer: in von den zusätzlichen Gestaltungsfreiheiten Gebrauch machen will, insbesondere bei der Kapitalaufbringung, bei neuen Finanzierungsformen und auch im Zusammenhang mit Optionen oder Unternehmensbeteiligungen von Mitarbeiter:innen, ist in der neuen Rechtsform der FlexCo bestens aufgehoben.
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