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VfGH zur Beendigung von Privatstiftungen - Eingeschränkte Besteuerung stiller Reserven

26/02/2020

Die Auflösung einer Privatstiftung kann zu erheblichen Steuerzahlungen führen. In diesem Zusammenhang von großem Interesse ist ein noch nicht veröffentlichtes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach die im Laufe der Jahre entstandenen stillen Reserven nur eingeschränkt steuerlich berücksichtigt werden sollen.

Konkret geht es darum: Sofern stille Reserven im Zeitpunkt der Vermögensstiftung vor dem 01.08.2008 nicht mehr steueranhängig waren, beschränkt sich die Besteuerung bei Widerruf einer Privatstiftung ("Mausefalle") auf den Verkehrswertzuwachs seit der Zuwendung an die Stiftung. Beim Stifter angehäufte stille Reserven vor Vermögenszuwendung sind in diesem Fall steuerlich unbeachtlich.

Dieses Erkenntnis des VfGH lag die Beschwerde einer Stifterin zugrunde, die sich gegen die vom zuständigen Finanzamt sowie vom Bundesfinanzgericht festgestellten "steuerlich maßgebenden Werte" richtete. Vom VfGH wird hier klargestellt, was im Fall eines Widerrufs einer Privatstiftung durch den Stifter unter diesen "steuerlich maßgebenden Werten" zu verstehen ist. Maßgeblich sind demnach nicht die "tatsächlichen" Anschaffungs- und Herstellungskosten des Stifters, sondern vielmehr der Verkehrswert der Liegenschaften im Zeitpunkt der Zuwendung. Dieser Verkehrswert im Widmungszeitpunkt kann vom Verkehrswert (fiktive Anschaffungskosten) im Widerrufszeitpunkt in Abzug gebracht werden; die Differenz (Verkehrswertzuwachs bei der Stiftung) unterliegt beim Letztbegünstigten der Kapitalertragsteuer. 

"Mausefallen-Effekt" bei Auflösung von Privatstiftungen

Nach Auflösung und Abwicklung einer Privatstiftung wird das verbleibende Vermögen an die Letztbegünstigten übertragen. Grundsätzlich ist dabei die gesamte Zuwendung beim Begünstigten steuerpflichtig (27,5% Kapitalertragsteuer). Dieser Umstand wird oftmals als "Mausefalle" bezeichnet, da die einmal in die Stiftung eingebrachten Vermögenswerte nicht wieder steuerfrei entnommen werden können.

Der "Mausefallen-Effekt" wirkt sich vor allem bei vor dem 01.08.2008 gewidmeten Vermögensmassen (Altvermögen) deutlich aus. Seit dem Schenkungsmeldegesetz 2008 wird nämlich zwischen Vermögen, das vor oder ab dem 01.08.2008 vom Stifter zugewendet worden ist, wie folgt unterschieden: 

  • Vermögen, das ab dem 01.08.2018 gestiftet wird (Neuvermögen), ist im Fall von Substanzauszahlungen beim Empfänger steuerfrei und unterliegt nicht dem Kapitalertragssteuerabzug. Steuerneutrale Substanzauszahlungen liegen dann vor, wenn sie im Evidenzkonto Deckung finden und den laufenden Bilanzgewinn, die Gewinnrücklagen sowie die stillen Reserven übersteigen.
  • Vermögen, das vor dem 01.08.2018 gestiftet wurde (Altvermögen), ist hingegen auch im Fall von Substanzauszahlungen beim Empfänger steuerpflichtig und unterliegt dem Kapitalertragssteuerabzug. Der Stifter kann lediglich unter bestimmten Voraussetzungen einen Abzug der ursprünglichen Stiftungseingangswerte im Ausmaß der "steuerlich maßgebenden Werte" beantragen.

Anrechnung bestimmter Stiftungseingangswerte bei Widerruf der Stiftung

27 Abs 5 Z 9 EStG sieht im Fall von Altvermögen vor, dass in bestimmten Fällen nicht die gesamte Rückholung aus der Stiftung der Kapitalertragsteuer unterliegt, sondern durch Anrechnung der ursprünglichen Stiftungseingangswerte eine Reduzierung der Steuerlast erfolgen kann.
 
Ist ein Stifter Letztbegünstigter seiner Privatstiftung, sind auf seinen Antrag die erzielten Einkünfte aus Stiftungszuwendungen um die "steuerlich maßgebenden Werte" seiner eigenen vor dem 01.08.2008 getätigten Zuwendungen an die Privatstiftung zu kürzen. Der Stifter hat diese steuerlich maßgebenden Werte nachzuweisen. 

Beispiel: Im Jahr 2000 wird eine Privatstiftung errichtet, wobei der Stifter 1.000.000 in bar sowie eine 100%-Beteiligung an einer GmbH mit Anschaffungskosten von 35.000 zuwendet. Im Jahr 2020 wird die Stiftung vom Stifter widerrufen, wobei sich das Stiftungsvermögen inzwischen auf 2.000.000 beläuft. Sofern der Stifter Letztbegünstigter ist, kann er den Abzug der Stiftungseingangswerte (1.000.000 + 35.000) beantragen, sodass sich eine Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer in Höhe von 965.000 ergibt.

Klare Aussage zu "steuerlich maßgebenden Werten"

In der noch nicht veröffentlichten Entscheidung E 5018/2018-16 ging es um eine im Jahr 2000 errichtete Privatstiftung, bei der die Stifterin Barvermögen sowie Liegenschaftsanteile zugewendet hat. Bei den Liegenschaftsanteilen behielt sie sich jedoch unter anderem das Fruchtgenussrecht vor. Im Jahr 2005 widerrief die Stifterin die Privatstiftung und beantragte bei der Kapitalertragsteuer-Anmeldung eine Kürzung der Bemessungsgrundlage mit den Stiftungseingangswerten. Die Stiftungseingangswerte seien dabei mit den fiktiven Anschaffungskosten zu bewerten.

Das zuständige Finanzamt sowie das Bundesfinanzgericht lehnten eine Bewertung der Stiftungseingangswerte mit den "fiktiven" Anschaffungskosten (entspricht grundsätzlich dem Verkehrswert) ab und gingen stattdessen von den "tatsächlichen" Anschaffungs- und Herstellungskosten des Stifters aus. Dies führt dazu, dass nicht nur die Wertsteigerungen (stille Reserven) in der Privatstiftung (2000-2005) besteuert werden, sondern auch die im Zeitpunkt der Widmung (2000) bereits bei der Stifterin angehäuften stillen Reserven berücksichtigt werden. 

Die Beschwerde der Stifterin an den VfGH basierte auf der Begründung, dass die "steuerlich maßgebenden Werte" für die Stiftungseingangswerte verfassungskonform auszulegen und deshalb die "fiktiven" Anschaffungskosten anzusetzen seien. Dies sah letztendlich auch der VfGH so und hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wegen Verkennen der Rechtslage auf. Steuerlich maßgebend für das gestiftete Vermögen sei der Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt der Zuwendung an die Privatstiftung.


Dies ergibt sich auch aus jener Regelung, wonach für Zuwendungen an die Privatstiftung die zugewendeten Wirtschaftsgüter mit dem Betrag anzusetzen sind, der für die Ermittlung von Einkünften beim Stifter im Zeitpunkt der Zuwendung maßgeblich gewesen wäre. Es sei "denkunmöglich", die tatsächlichen (historischen) Anschaffungs- und Herstellungskosten anzusetzen, weil diese in Folge des bereits erfolgten Ablaufs der Spekulationsfrist nicht mehr steuerlich maßgebend sind.

Schlussfolgerungen zur Auflösung von Privatstiftungen

Das Ergebnis des VfGH entspricht dem gesetzlichen Zweck, die Gesamtbelastung der Stiftung und des Stifters mit Ertragsteuern auf jenem Niveau zu halten, das im Falle des Fortbestehens des zugewendeten Vermögens beim Stifter gegeben wäre. Waren die stillen Reserven der zugewendeten Vermögenwerte im Einlagezeitpunkt nicht mehr steuerverfangen, können sie auch nicht nachträglich beim Widerruf der Stiftung wieder steuerlich berücksichtigt werden. Steuerlich maßgebend für die Exit-Besteuerung sind lediglich die im Stiftungszeitraum neu angehäuften stillen Reserven (Verkehrswertzuwachs von der Widmung bis zum Widerruf).

Die Anwendung der vergünstigten Besteuerung (Abzug der Stiftungseingangswerte von der Bemessungsgrundlage) ist jedoch an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft: 

  • Die Auflösung der Privatstiftung muss in Form eines Widerrufs gemäß § 34 PSG erfolgen. Auflösungen aus anderen Gründen (z.B. Zeitablauf) sind nicht begünstigt.
  • Der Widerruf der Privatstiftung muss vom Stifter selbst erfolgen, der zugleich Letztbegünstigter sein muss. Sollte der Stifter bereits verstorben sein oder laut Stiftungsurkunde nicht Letztbegünstigter sein, ist § 27 Abs 5 Z 9 EStG nicht anzuwenden. 
  • Die Regelung ist explizit nicht auf betriebliche Privatstiftungen anzuwenden.

Da der Großteil der bestehenden Privatstiftungen in Österreich vor dem Jahr 2008 errichtet und mit Vermögen ausgestattet wurde, sind die nun vom VfGH getroffenen Aussagen im Zusammenhang mit der Exit-Besteuerung bei Privatstiftungen sehr praxisrelevant.

Autoren

Daniel Kropf