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Altes und neues Erbrecht

13/12/2016

Länger als zwei Jahre zurückliegende Schenkung an Schwiegertochter begründet keinen Anspruch der pflichtteilsberechtigten Kinder auf Pflichtteilsergänzung. Stellt Schenkung an Schwiegertochter ein Umgehungsgeschäft zur Vereitelung von Pflichtteilsansprüchen oder Rechtsmissbrauch dar?

Jüngst hatte der OGH (2 Ob 145/16m) einen Fall zu entscheiden, der zum alten genauso wie zum neuen Pflichtteilsrecht von hoher Relevanz ist: Es ging um den Vorwurf eines „Umgehungsgeschäfts“ und des „Rechtsmissbrauchs“, indem der Gutsbesitzer P sein land- und forstwirtschaftliches Gut samt Schloss an seine Schwiegertochter – die Ehefrau seines ältesten Sohnes – verschenkte. Der betreffende Sohn (der Ehemann der Schwiegertochter) leitete fortan den Gutsbetrieb. Da die Schenkung mehr als zwei Jahre – im konkreten Fall 24 Jahre vor dem Tod des Geschenkgebers – zurücklag und die Schwiegertochter nach wie vor Eigentümerin des geschenkten Gutes war, hatte die Klage eines anderen, pflichtteilsberechtigten Kindes auf Leistung des Schenkungspflichtteils keinen Erfolg:

Der Oberste Gerichtshof hob die gesetzliche Regelung hervor, wonach bei Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Schenkungen u.a. dann unberücksichtigt bleiben, wenn sie früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person – hier an die Schwiegertochter – gemacht wurden: Dies traf hier unzweifelhaft zu. Denn eine Schwiegertochter gehört klarerweise nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten.

Unter Umgehungs-Gesichtspunkten wäre eine Ausnahme dann zu machen – so der OGH –, wenn die Schenkung an die Schwiegertochter den gleichen Zweck erfüllen würde, wie er eingetreten wäre, wenn der Erblasser das Vermögen des Erblassers auf deren Ehemann, den ältesten Sohn, unmittelbar übertragen hätte. Dieser hätte dann in Bezug auf das übertragene Vermögen eine rechtliche Stellung erlangen müssen, die jener eines Übernehmers des Vermögens vergleichbar wäre, etwa wenn die Schwiegertochter das Vermögen im Innenverhältnis für ihren Ehemann bloß treuhändig halten würde. Dafür gab es aber keine konkreten Anhaltspunkte. Der Umstand, dass die Schwiegertochter ihren Ehemann als fachlich qualifizierten Betriebsleiter einsetzt, ändere nichts an der ihr allein zustehenden rechtlichen Verfügungsgewalt über den Gutsbesitz.

Eingehend beschäftigte sich der OGH auch mit der Frage, ob hier „Rechtsmissbrauch“ anzunehmen wäre: Der hier vorliegende Fall unterscheide sich von jenen nach bisheriger Rechtslage, in denen eine an sich pflichtteilsberechtigte Person zunächst einen Pflichtteilsverzicht abgibt, um sodann das Geschenk übertragen zu erhalten und um unter die günstigere zwei-Jahres-Frist zu fallen, statt unter die dauerhafte Schenkungsanrechnung, wie sie für einen beschenkten Pflichtteilsberechtigten anwendbar ist: Denn hier gehört die Schwiegertochter von Vornherein nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Die Schwiegertochter als Geschenknehmerin habe daher nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt, da sie zu keinem Zeitpunkt pflichtteilsberechtigt war.

Auffassungen in der Literatur, die eine teleologische Reduktion der Fristenregelung¹ dahin befürworteten, dass man sie nur auf solche Fälle anwenden dürfe, die in ihrer Gesamtbetrachtung nicht dem Sittenwidrigkeitsurteil des § 879 ABGB unterliegen, daher die gesetzliche Fristenregelung nur als „typisierende Betrachtung“ verstanden und durch den Nachweis des Gegenteils entkräftet werden könne, lehnte der OGH ab: Denn auch im umgekehrten Fall, dass die Schenkung innerhalb der zwei-Jahres-Frist erfolgt, sei der Entlastungsbeweis des nicht pflichtteilsberechtigten Beschenkten auch nicht zulässig. Insoweit sei die Wertung des Gesetzgebers jedenfalls abschließend. Es bestehe nicht bloß eine gesetzliche Vermutung, die der Beschenkte widerlegen könne. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müsse dies auch für den umgekehrten Fall gelten, in welchem die Schenkung an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person vor der gesetzlichen zwei-Jahres-Frist erfolgt war: Ein Pflichtteilsberechtigter kann sich daher nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Schenkung an einen nicht Pflichtteilsberechtigten nur zur Vermeidung einer Schenkungsanrechnung – und somit rechtsmissbräuchlich – vorgenommen wurde. Damit werde auch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Genüge getan.

Die Klage des Klägers, eines pflichtteilsberechtigten Kindes des Erblassers, wurde daher abgewiesen.

Anmerkung: Diese OGH-Entscheidung, die noch zum „alten“ Erbrecht ergangen ist, hat auch Auswirkungen für das neue, am 1.1.2017 in Kraft tretende Erbrecht: Denn die Erbrechtsreform hat die gesetzliche zwei-Jahres-Frist für die Schenkung an „Dritte“ – also etwa an die Schwiegerkinder oder an Lebensgefährten – beibehalten. Allerdings werden künftig auch „abstrakt Pflichtteilsberechtigte“ – also etwa Enkelkinder, wenn deren pflichtteilsberechtigter Vater/Mutter noch leben – in den Kreis derjenigen, die zur unbefristeten Schenkungsanrechnung verpflichtet sind, miteinbezogen.

Das Problem der Umgehung des Pflichtteilsrechts durch eine Schenkung an Schwiegerkinder ist, wie der OGH ausführt, nur einzelfallbezogen zu lösen: Danach ist eine Schenkung an „Dritte“, wie etwa die Schwiegertochter, auch über die zwei-Jahres-Frist hinaus anzurechnen, wenn das beschenkte Schwiegerkind in Wahrheit nur Treuhänder des pflichtteilsberechtigten Kindes ist und das „wirtschaftliche Eigentum“ (Verfügungs- oder Nutzungsbefugnis) dem Pflichtteilsberechtigten zukommt.

Ob ein zwischen Schwiegertochter und Sohn des Erblassers gleichzeitig abgeschlossener Ehepakt, Erbvertrag und/oder Schenkungsanbot eine solche Umgehung des Pflichtteils darstellen würde, hatte der OGH hier nicht zu entscheiden.

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¹des § 785 Abs 3 ABGB aF.

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Johannes Reich-Rohrwig
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Wien