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Zulässigkeit von Dashcams

28/10/2016

Mit Urteil vom 12.09.2016 hat der Verwaltungsgerichtshof (Ro 2015/04/0011) entschieden, dass die verfahrensgegenständliche „Dashcam“ nach dem DSG 2000 zu Beweissicherungszwecken unzulässig ist. Entgegen der Rechtsansicht der Datenschutzbehörde und des Bundesverwaltungsgerichts hielt der VwGH zwar die rechtliche Befugnis des Revisionswerbers zur Überwachung des Fahrzeugs für gegeben, ein System, das jederzeit durch Auslösen eines sogenannten „SOS-Buttons“ Daten dauerhaft speichert, sei jedoch nicht als gelindestes Mittel anzusehen und daher unzulässig. Auf weitere Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit der Dashcam ging der VwGH daher nicht ein.

Im Gegensatz zu „üblichen“ Dashcams (solche Kameras werden üblicherweise am Armaturenbrett befestigt) zeichnen die verfahrensgegenständlichen Dashcams (eine in Fahrtrichtung, eine entgegen der Fahrtrichtung) für Zwecke der Beweissicherung bei Verkehrsunfällen die Bilddaten verschlüsselt auf einem Zwischenspeicher für 60 Sekunden auf. Im Anlassfall (bei starker Erschütterung oder Drücken des „SOS-Buttons“) werden die Daten (für einen Zeitraum von insgesamt maximal 90 Sekunden) verarbeitet und leserlich gespeichert. Vor dem Anlassfall hat niemand Zugriff auf die verschlüsselten Aufzeichnungen.

Das Verfahren nahm seinen Ausgang mit der Meldung der Dashcam für Zwecke der Beweissicherung bei Verkehrsunfällen bei der Datenschutzbehörde am 25.02.2014. Die Datenschutzbehörde lehnte die Registrierung mittels Bescheid wegen fehlender rechtlicher Befugnis des Antragstellers zur Überwachung des öffentlichen Raums ab, wobei die Behörde vom Vorliegen einer Videoüberwachung gemäß § 50a DSG 2000 ausging. Diese Rechtsansicht wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, das aussprach, dass eindeutig personenbezogene Daten verarbeitet werden würden und selbst die Verarbeitung sensibler Daten nicht ausgeschlossen werden könne.

Der VwGH stimmte der Qualifikation der Videoaufnahmen als personenbezogene Daten zu, da eine Identifizierbarkeit der aufgenommenen Personen in der Regel möglich sei. Es sei unerheblich, dass während der Dauer der Zwischenspeicherung niemand Zugriff auf die verschlüsselten Daten habe, da das System in seiner Gesamtheit zu betrachten und einer einheitlichen datenschutzrechtlichen Beurteilung zu unterziehen sei. Der Gesamtzweck diene unzweifelhaft der Identifikation von Personen im Anlassfall, womit eine Verarbeitung personenbezogener Daten gegeben sei.

Entsprechend der gesamtheitlichen Betrachtung der Dashcam gelangt der VwGH (wie die Vorinstanzen) weiter zur Ansicht, dass diese als Videoüberwachung (§ 50a DSG 2000) zu qualifizieren sei. Im vorliegenden Fall würden nämlich Bilddaten fortlaufend und auf eine Art und Weise gespeichert, die letztendlich eine dauerhafte und damit systematische Speicherung ermögliche. Auch die Auffassung des Revisionswerbers, dass kein bestimmtes Objekt überwacht werde, wies der VwGH zurück, da jedenfalls die überwachten Ereignisse das Fahrzeug des Revisionswerbers beträfen. Dass die Ereignisse nicht in einem räumlich fix abgegrenzten Gebiet stattfinden (die Straße) würden, vermöge am Vorliegen einer Videoüberwachung nichts zu ändern. Bei einer Videoüberwachung bestehe hinsichtlich der zulässigen Zwecke und der Interessensabwägungen eine einschränkendere Regelung und es sei nicht sachlich gerechtfertigt, die Überwachung aus beweglichen Objekten, bei der die Gefahr, unbeteiligte Dritte zu erfassen, noch größer sei als sonst, dem allgemeinen Regime des DSG 2000 zu unterwerfen.

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen verneinte der VwGH jedoch die rechtliche Befugnis des Revisionswerbers nicht alleine schon deshalb, weil der öffentliche Raum überwacht werde. Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums sei zwar grundsätzlich den Sicherheitsbehörden vorbehalten, ausnahmsweise sei aber auch eine Überwachung durch Private gerechtfertigt, nämlich bei der Überwachung einer besonders gefährdeten Person oder im Randbereich zum beschränkt öffentlichen Raum. Maßgeblich sei, dass zum überwachten Objekt im Sinne des § 50a DSG 2000 ein privatrechtliches Rechtsverhältnis des Auftraggebers bestehe. Da dies hinsichtlich des Fahrzeugs des Revisionswerbers der Fall sei, wäre die rechtliche Befugnis zu bejahen gewesen.

Ungeachtet des Vorliegens der rechtlichen Befugnis muss die Zulässigkeit der gegenständlichen Videoüberwachung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 7 Abs. 3 DSG 2000) bzw. im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Erlaubnistatbestands nach § 50a Abs. 3 DSG 2000 beurteilt werden. Da im vorliegenden Fall nach Ansicht des VwGH die dauerhafte Speicherung von Bilddaten jederzeit durch Auslösen des „SOS-Buttons“ erfolgen könne und somit offenbar ohne Einschränkungen möglich sei, erachtete er das System nicht als gelindestes Mittel (§ 7 Abs. 3 DSG 2000) und somit für unzulässig. Auf weitere Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit und die Erlaubnistatbestände des § 50a Abs. 3 und 4 DSG 2000 war daher nicht weiter einzugehen.

Konklusion

Obwohl der VwGH die vorliegende Dashcam für unzulässig erachtete, machte er als obiter dictum einige interessante Bemerkungen zur (ausnahmsweisen) rechtlichen Befugnis von Privaten zur Überwachung des öffentlichen Raums. Eine Überwachung im öffentlichen Raum durch Private sei etwa im Randbereich zum beschränkt öffentlichen Raum möglich: Wenn die Überwachung eines Bereiches, der dem hausrechtsähnlichen Verfügungsrecht des datenschutzrechtlichen Auftraggebers unterliege, ohne Miteinbeziehung (in gewissem Ausmaß) des öffentlichen Raumes nicht wirkungsvoll vorgenommen werden könne, dann wäre dies unter Berücksichtigung der konkreten Reichweite und der Qualität der erfassten Bilddaten bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen und wäre somit im Rahmen einer Abwägungsentscheidung im Einzelfall einer wertenden Beurteilung zu unterziehen.

Daraus kann geschlossen werden, dass der VwGH Dashcams in Fahrzeugen jedenfalls nicht generell für unzulässig erachtet. Welche konkrete Ausgestaltung einer Dashcam zulässig wäre bleibt jedoch offen.

Eine weitere wesentliche Feststellung des VwGH ist, dass sich der Umfang einer Datenanwendung in ihrer Gesamtheit nach dem angestrebten Zweck der Verarbeitung beurteilt. Es sei demnach unzulässig, ein System, das einem Zweck dient, in mehrere separate Anwendungen bzw. Datenarten zu „zerlegen“ und diese jeweils einer gesonderten datenschutzrechtlichen Beurteilung zu unterziehen.

Anzumerken ist, dass Videoaufnahmen für familiäre oder persönliche Zwecke nach europäischem Recht gemäß der sogenannten „Household Exemption“ (Art. 3 Abs. 2 Datenschutzrichtlinie 95/46/EG) generell vom Datenschutzrecht ausgenommen sind. Foto- und Videoaufnahmen zu rein touristischen Zwecken beispielsweise fallen dann unter den Begriff der Datenverarbeitung für persönliche oder familiäre Tätigkeiten, wenn sie vom Auftraggeber in privater Eigenschaft erstellt werden. Die österreichische Umsetzung in § 45 DSG 2000 sieht jedoch keine generelle Ausnahme von den übrigen Bestimmungen des Datenschutzrechts vor: Daten werden für „private“ Zwecke nur dann rechtmäßig verarbeitet, wenn sie entweder vom Betroffenen selbst mitgeteilt wurden oder dem Auftraggeber sonst rechtmäßiger Weise zugekommen sind. Fraglich ist bei Videoaufnahmen aus Fahrzeugen, selbst wenn sie für rein private Zwecke erfolgen, ob Betroffene im Sinne von § 45 DSG 2000, die von einer Dashcam aufgenommen werden, ihr äußeres Erscheinungsbild „mitteilen“ und die Aufnahmen daher unter die Ausnahme fallen.

Die insbesondere bei Motorradfahrern beliebten „Erinnerungsvideos“ einer Ausfahrt können daher theoretisch unter § 45 DSG 2000 fallen, es verbleibt jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit. Unzulässig ist aber die Veröffentlichung solcher Videos aus einer Dashcam (auf denen Dritte erkennbar sind) auf Videoportalen wie YouTube.

Beim rechtswidrigen Betrieb einer Dashcam drohen Verwaltungsstrafen von bis zu 10.000 Euro.

Unabhängig von der Zulässigkeit der Videoüberwachung selbst darf ein rechtswidrig erlangter Beweis z.B. in einem Schadenersatzprozess grundsätzlich verwendet werden. So wurden Aufnahmen von Dashcams bereits von Gerichten bereitwillig als Beweismittel bei Verkehrsunfällen verwertet.

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Johannes Scharf