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Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union

2013-03

Am 1.7.2013 ist Kroatien als 28. Land der Europäischen Union beigetreten. Durch den Beitritt ist auch das europäische Recht auf Kroatien anwendbar geworden. Im Vorfeld hat dies für große Erwartungen bei den Investoren gesorgt. Auch wir haben hohe Erwartungen und nehmen unmittelbar am Beitritt teil: Unser Büro in Zagreb, das mit 21 kroatischen Juristen (davon sechs Steuerrechtsexperten) zu den größten Kanzleien im Lande zählt, vertritt seit über zehn Jahren ausländische Investoren und inländische Unternehmen in Rechts- und Steuerrechtsangelegenheiten.

Dieser Artikel soll einen Überblick über wichtige rechtliche Neuerungen geben, die sich durch den Beitritt Kroatiens ergeben.

1. Die vier Grundfreiheiten

Der EU-Beitritt Kroatiens macht die vier Grundfreiheiten zu einem Teil des kroatischen Rechtssystems.

Die Niederlassungsfreiheit vereinfacht es Unternehmen, die in der EU niedergelassen sind, auf dem Gebiet Kroatiens wirtschaftlich tätig zu werden. Umgekehrt können auch kroatische Gesellschaften nunmehr ihre wirtschaftliche Aktivität auf dem Gebiet der EU entfalten. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Stammkapital kroatischer GmbHs mit etwa € 2.650 spärlich bemessen ist. Ähnlich wie bei der Gesellschaftsform der britischen „Limited“ (und auch den GmbHs „light“ anderer EU-Länder) ist daher Umsicht geboten.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht gegenüber fast allen EU-Ländern. Bis dato hat nur Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Vorbehalt aussprechen, der es kroatischen Bürgern für die nächsten sieben Jahre verwehrt, ungehindert einer Beschäftigung in Deutschland nachzugehen. Dieser Vorbehalt gilt auch für deutsche Staatsbürger, die in Kroatien arbeiten wollen. Österreich hat einen Vorbehalt für die nächsten zwei Jahre ausgesprochen.

Der freie Warenverkehr wird mittelfristig hoffentlich für niedrigere Preise sorgen. Kroatien ist bei Importwaren bedingt durch Zölle eher ein Hochpreisland; es wird daher spannend, ob dieser Vorteil letztlich bei den Konsumenten ankommen wird.

Die Dienstleistungsfreiheit macht es künftig möglich, auch ohne kroatischen Partner bei größeren Projekten anzubieten (siehe aber Punkt B unten, auch in diesem Zusammenhang herrschen rechtliche Bedenken). Bei größeren Projekten war dies bisher gang und gäbe. Es ist zu erwarten, dass nunmehr auch bei mittleren und kleineren Aufträgen EU-Konkurrenten ebenfalls anbieten. Umgekehrt wird auch kroatischen Unternehmen diese Möglichkeit eröffnet. Die recht EU-kritische Diskussion der letzten Zeit lässt vermuten, dass hier noch ein gewisser Aufholbedarf besteht.

Die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs wird, wie schon in anderen Ländern beim EU-Beitritt, zur Erhöhung des Angebots an Finanz- und Versicherungsprodukten führen. Dieser Bereich ist schon jetzt stark durch internationale Anbieter besetzt und die rein lokalen Anbieter dürften daher auf den Wettbewerb gut vorbereitet sein.

2. Immobilien

Immobilienerwerb: Für EU-Bürger ist es schon seit 2009 möglich, Immobilien in Kroatien unter denselben Bedingungen wie kroatische Staatsangehörige zu erwerben. Ausnahmen gelten beim Erwerb von Agrarland, das bisher nur von Kroaten gekauft werden durfte. Durch den EU-Beitritt Kroatiens hat sich daran vorläufig nichts geändert; die Beschränkungen betreffend Agrarland bleiben während einer Übergangsfrist von sieben Jahren bestehen. Alle anderen Arten von Grundstücken können bereits jetzt unbeschränkt erworben werden.

Ein paar Änderungen gegenüber dem Status Quo erfährt die Immobilienwirtschaft: Makler dürfen nach dem Beitritt Kroatiens ihrer Tätigkeit in Kroatien nachgehen, wenn sie in einem Mitgliedstaat als Makler registriert sind, in einem EU-/EWR-Staat niedergelassen sind und sie die kroatische Wirtschaftskammer über ihre Absicht, Maklerleistungen in Kroatien anzubieten, informieren.

Die restriktiven Bestimmungen betreffend Projektmanager bleiben leider bestehen. Auch weiterhin darf Projektmanagement (inklusive Baukostenüberwachung und verwandte Tätigkeiten) nur von einem Unternehmen ausgeübt werden, das jeweils einen Projektmanager, Architekten, Zivilingenieur, Juristen und Ökonomen beschäftigt. Diese strikte Regelung hat in der Vergangenheit zum Rückzug einiger internationaler Mitbewerber geführt, was dem Markt nicht unbedingt gut getan hat. Es könnte gut sein, dass diese strengen Gewerbevoraussetzungen gegen eine der Grundfreiheiten verstoßen.

3. Finanzdienstleistungen

Durch den Beitritt Kroatiens zur EU können europäische Kredit- und Finanzinstitute ihre Finanzdienstleistungen unmittelbar in Kroatien anbieten, ohne zu diesem Zweck eine Niederlassung in Kroatien gründen zu müssen. Der Zulassungsprozess – im Wesentlichen das Informieren der „eigenen“ Nationalbank, die diese Information wiederum an die kroatische Nationalbank weiterleitet – ist theoretisch einfach, in der Praxis jedoch oft nicht ganz unkompliziert. Von Relevanz ist dies auch für Kroaten, die nunmehr uneingeschränkt Bankkonten im Ausland einrichten dürfen.

4. Steuerrecht

Das kroatische Steuerrecht wurde bereits mit den wesentlichen europäischen steuerrechtlichen Richtlinien harmonisiert, so zu Beispiel mit der Mutter-Tochter-Richtlinie, der Zins- und Lizenzrichtlinie und der Fusionsrichtlinie. Dadurch ergeben sich in diesen Bereichen grundsätzlich keine Änderungen. Durch den EU-Beitritt wird jedoch auch die bisherige Rechtsprechung der europäischen Gerichte in das steuerliche Gefüge integriert, was dabei helfen sollte, die Interpretation der Steuergesetze näher an den europäischen Standard heranzuführen. Eine solche Annäherung wäre wünschenswert, weil damit die Rechtssicherheit in einem heiklen Bereich nachhaltig verbessert würde.

5. Anerkennung und Vollstreckung von europäischen Urteilen

Ein wesentlicher Vorteil einer EU-Mitgliedschaft ist die erleichterte Rechtsdurchsetzung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Ein Urteil gegen eine in Kroatien ansässige (natürliche oder juristische) Person, das in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde, ist grundsätzlich anzuerkennen und durch die kroatischen Organe zu vollstrecken. Dasselbe gilt auch umgekehrt; nicht-kroatische Streitparteien dürfen sich daher nicht mehr darauf verlassen, dass die kroatischen Urteile im Heimatland nicht ohne Weiteres durchgesetzt werden können.

Darüber hinaus sind kroatische Gerichte nunmehr an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gebunden und verpflichtet, allfällige europäische Rechtsfragen dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen.

6. Fazit

Durch die Zugehörigkeit Kroatiens zur Europäischen Union wird die Zusammenarbeit zwischen Kroatien und den übrigen Mitgliedstaaten erleichtert. Neben den kroatischen Bürgern, die durch den Beitritt z. B. einfacher reisen oder sich leichter um eine Arbeitsstelle oder einen Studienplatz in einem anderen Mitgliedstaat bewerben können, profitieren insbesondere kroatische und europäische Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen grundsätzlich ohne Hindernisse und Diskriminierung herstellen und ausbauen können.

Kroatien hatte die meisten Vorschriften schon während des Beitrittsprozesses an die europäischen Standards angepasst. Der Beitritt selbst war daher in den meisten Rechtsgebieten nur mehr der logische nächste Schritt. Die Umsetzung des europäischen Rechts und insbesondere seine Anwendung auch in den ersten Verwaltungsinstanzen werden noch einige Schritte erforderlich machen. Es ist zu hoffen, dass diese Anpassungen relativ rasch erledigt werden können.

Für ein Gespräch über die Potenziale Kroatiens sowie darüber, wie man kroatische Stolpersteine am besten vermeidet oder ihre Folgen mildert, und in allen Rechts- und Steuerfragen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Weitere Beiträge von Dr. Gregor Famira finden Sie auf unserem CMS Blog.

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Gregor Famira
Partner
Wien
Daniel Kocab