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Business Judgment Rule: Sicherer Hafen auch für Stiftungsvorstände

18/07/2016

Nicht selten ziehen in der Praxis dunkle Wolken in der Beziehung zwischen Stiftungsvorstand und Begünstigten auf. Anders als den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft ist den Begünstigten der Einfluss auf die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Stiftungsvorstandes weitgehend verwehrt. Das schärfste – bisweilen einzige – Mittel der Begünstigten gegen die Mitglieder des Stiftungsvorstandes ist deren Antrag an das Gericht auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern der Stiftung aus wichtigem Grund. In der Praxis am häufigsten wird der Vorwurf der groben Pflichtverletzung erhoben (§ 27 PSG).

Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr in einer grundlegenden Entscheidung festgehalten, unter welchen Voraussetzungen jedenfalls keine grobe Pflichtverletzung des Stiftungsvorstandes vorliegt.

Business Judgment Rule

Der Umstand, dass eine Entscheidung des Stiftungsvorstands den Begünstigten nicht passt oder eventuell sogar einen Schaden für die Stiftung verursacht hat, reicht für sich alleine nicht aus. Denn – so sprach der Oberste Gerichtshof nunmehr aus – sind auch beim Stiftungsvorstand Geschäftsführungsentscheidungen an der sog „Business Judgment Rule“ zu messen (OGH 6 Ob 160/15w). Die Business Judgement Rule hat der Gesetzgeber im Jahr 2015 im Aktien- und GmbH-Recht verankert. Wie der OGH nun erstmals ausspricht, gilt die Business Judgment Rule auch für sonstige Gesellschaftsformen und dies bereits in der Vergangenheit, also zeitlich vor Inkrafttreten der ausdrücklichen Verankerung durch den Gesetzgeber per 01.01.2016. (Siehe zur Business Judgment Rule näher Blogbeitrag J. Reich-Rohrwig/Zimmermann)

Den Stiftungsvorstand trifft und traf daher – genauso wie den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand eine AG – eine Erfolgshaftung. Er ist sohin haftungsrechtlich und auch für die Frage der Abberufung aus wichtigem Grund nicht am Ergebnis seiner Handlungen, sondern rein an der sorgfältigen Entscheidungsfindung zu messen, wobei ihm hierbei ein weites unternehmerisches Ermessen zukommt.

Die maßgeblichen Kriterien der Business Judgment Rule, sind – kurz skizziert – die folgenden:

  1. Das Mitglied des Stiftungsvorstandes darf keinem persönlichen Interessenkonflikt unterliegen;
  2. Der Stiftungsvorstand muss hinreichende Informationen eingeholt haben;
  3. Die Entscheidung muss aus der Sicht ex ante geeignet gewesen sein, dem Wohl der Stiftung zu dienen;
  4. Der Stiftungsvorstand muss hinsichtlich der oben genannten Kriterien gutgläubig gewesen sein.

Liegen diese Voraussetzungen vor, scheidet eine Haftung des Stiftungsvorstandes sowie auch eine Abberufung aus wichtigem Grund aus (der sog. „sichere Hafen“). Eine Einschränkung findet dieser Grundsatz allerdings dort, wo der Stiftungsvorstand das Gesetz, Bestimmungen der Stiftungsurkunde oder sonstige ihn bindende Regulative verletzt. Ihn trifft daher eine strenge Legalitätspflicht1.

Thesaurierung von Gewinnen durch den Stiftungsvorstand

Im hier erörterten, vom OGH entschiedenen Fall machten die Begünstigten geltend, dass der Stiftungsvorstand im überhöhten Maße Gewinne in Tochtergesellschaften belasse („thesauriere“) und so unzureichende Erträge der Stiftung erziele und zu wenig Zuwendungen an die Begünstigten ausschütte:

Gerade die Beurteilung, welche Maßnahmen zum Erhalt beziehungsweise der Fortentwicklung des Tochterunternehmens der Stiftung aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendig und zweckmäßig sind, ist eine klassische „unternehmerische Entscheidung“. Zudem holte der Stiftungsvorstand auch ein betriebswirtschaftliches Gutachten über die Fortentwicklung des Unternehmens ein, entschied also auf Basis hinreichender Informationen.

Der Stiftungsvorstand konnte sich daher auf den sicheren Hafen der Business Judgment Rule berufen, mit dem Erfolg, dass seine Entscheidung zur Gewinnthesaurierung in der Tochtergesellschaft nicht der inhaltlichen Nachkontrolle – insb durch einen Gerichtsgutachter – unterlag, sondern so, wie sie getroffen wurde, hinzunehmen war.

Verknüpfung von Ausschüttungen an die Begünstigten mit dem Verbleib im Amt

Weiters machten die Begünstigten geltend, dass die Junktimierung einer Ausschüttung von € 1,1 Millionen an sie mit dem eigenen Verbleib des Stiftungsvorstandes im Amt eine grobe Pflichtverletzung sei:

Hier ist unseres Erachtens die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule durchaus in Zweifel zu ziehen, zumal der Vorstand ein offenkundiges Eigeninteresse an seinem Verbleib im Amt hat.

Der OGH legte sich diesbezüglich nicht eindeutig fest, ließ aber durchblicken, dass er ob der jahrelangen Streitigkeiten in der Stiftung dem Vorstand durchaus zugesteht, im Sinne einer Generalbereinigung auch seinen eigenen Verbleib in der Privatstiftung zu fordern. Zudem stellt der OGH klar, dass selbst wenn man die Business Judgment Rule aufgrund eines allfälligen Eigeninteresses des Stiftungsvorstandes als nicht anwendbar sähe, hieraus nicht zwingend ein Pflichtenverstoß des Vorstandes folgt. Vielmehr unterläge die Entscheidung des Vorstandes dann bloß der vollinhaltlichen Nachkontrolle. Zumal im konkreten Fall der Stiftungsvorstand im Vorhinein einen Gutachter mit der Überprüfung der Angemessenheit der Ausschüttung an die Begünstigten beauftragte, erblickte der OGH auch ohne Anwendung der Business Judgment Rule jedenfalls keine Sorgfaltswidrigkeit.

Verletzung des Einsichtsrechts der Begünstigten

Gestützt auf ein Rechtsgutachten verweigerte der Stiftungsvorstand den Begünstigten die umfassende Einsicht in die Bücher jener Tochtergesellschaften, an denen die Privatstiftung nicht zu 100% beteiligt ist.

Nach Ansicht des OGH handelt es sich hierbei um keine unternehmerische Entscheidung, zumal „kein Risiko bei der Entscheidungsfindung“ vorliege (siehe bereits zuvor zur Legalitätspflicht). Allerdings, so der OGH offenlassend, ob die Begünstigten tatsächlich ein Einsichtsrechts hatten, habe der Stiftungsvorstand das ihm Zumutbare getan, um die objektive Rechtslage zu ermitteln und er traf eine jedenfalls vertretbare Entscheidung. Eine Pflichtverletzung des Stiftungsvorstandes lag daher gleichfalls nicht vor.

Veräußerung einer Liegenschaft

Die Begünstigten erachteten auch die Veräußerung einer Liegenschaft durch den Stiftungsvorstand als grobe Pflichtverletzung, die angeblich der Bestimmung in der Stiftungsurkunde widerspräche, wonach das Stiftungsvermögen zu erhalten sei.

Dazu hält der OGH zunächst fest, dass die Stiftungsurkunde die „zweckmäßige“ Veräußerung von Liegenschaftsvermögen ausdrücklich zulässt (somit ist die Legalitätspflicht eingehalten). Was die Zweckmäßigkeit des Liegenschaftsverkaufes betrifft, kommt dem Stiftungsvorstand wiederum ein weites Ermessen iSd Business Judgment Rule zu, weshalb sich der Stiftungsvorstand auch diesbezüglich wieder im sicheren Hafen befand.

Änderung der Stiftungsurkunde

Der Stiftungsvorstand beantragte gerichtlich auch (erfolglos) die Änderung der Stiftungsurkunde zulasten der Begünstigten. Ob hierbei die Business Judgment Rule greift, beantwortet der OGH nicht. Eine grobe Pflichtverletzung sei dem Stiftungsvorstand angesichts der umfassenden rechtlichen Überlegungen bei der Beantragung der Änderung Stiftungsurkunde jedenfalls nicht vorzuwerfen.

Fazit

Auch für Stiftungsvorstände gilt die Business Judgment Rule umfassend. In der Praxis muss der Stiftungsvorstand vor allem zwei Dinge beachten, um den „sicheren Hafen“ nicht zu verlassen. Einerseits ist es Voraussetzung, dass der Stiftungsvorstand seine unternehmerischen Entscheidungen hinreichend informiert trifft, wobei dies tunlichst auch dokumentiert werden sollte. Andererseits stößt die Business Judgment Rule dort an ihre Grenzen, wo Gesetz oder Stiftungsurkunde zwingende Vorschriften enthalten (Legalitätspflicht). Von besonderer Bedeutung ist daher die strikte Einhaltung kompetenzrechtlicher Vorschriften (Zustimmungsvorbehalte, Konsultationsrechte etc) und materieller Vorschriften über die Verwaltung des Stiftungsvermögens, die sich aus den Stiftungsurkunden ergeben.


1.) Einschränkend zur Legalitätspflicht J. Reich-Rohrwig Entscheidungsbesprechung zu OGH 6 Ob 160/15w ecolex August 2016; siehe auch Blogbeitrag J. Reich-Rohrwig/Zimmermann zur Legalitätspflicht bei unklarer Rechtslage.

Autoren

Foto vonJohannes Reich-Rohrwig
Johannes Reich-Rohrwig
Partner
Wien