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Die 11 häufigsten Fragen zum Erbrecht

1. Frage:
Mein Ehemann ist ohne Testament verstorben. Er hinterlässt mich, seine Ehefrau, und zwei Kinder. Wie hoch sind die gesetzlichen Erbteile von mir als Witwe und jene meiner Kinder?

Antwort:    
Der überlebende Ehegatte hat ein gesetzliches Erbrecht von einem Drittel. Die restlichen zwei Drittel werden auf die Kinder nach Köpfen aufgeteilt: Sohin hat auch jedes der beiden Kinder eine Erbquote von zu einem Drittel.

Gäbe es neben dem überlebenden Ehegatten nur ein Kind, so wäre die Erbquote des einzigen Kindes zwei Drittel.
Gäbe es neben dem überlebenden Ehegatten drei Kinder, so hätte jedes der Kinder eine gesetzliche Erbquote von zwei Neuntel (2/3 : 3 = 2/9).

2. Frage:
Unser Vater ist ohne Testament verstorben. Unsere Mutter war schon früher verstorben. Unser Vater hinterlässt zwei Kinder. Wie hoch ist die Erbquote jedes der Kinder?

Antwort:    
Das gesetzliche Erbrecht der Kinder bestimmt sich – wenn kein überlebender Ehegatte oder eingetragener Partner vorhanden ist – nach jener Quote, die der Zahl der Kinder entspricht:

Bei einem Kind: Dieses ist Alleinerbe.
Bei zwei Kindern: Jedes erbt zur Hälfte.
Bei drei Kindern: Jedes erbt zu einem Drittel.
Bei vier Kindern: Jedes erbt zu einem Viertel.
usw.

3. Frage: Meine Eltern hatten neben mir als einzigem leiblichen Kind ein weiteres Kind adoptiert. Ist dieses auch erbberechtigt?

Antwort:
Ja

4. Frage:    Ich bin ein uneheliches Kind meines Vaters. Dieser hat auch eheliche Kinder. Bin ich, das uneheliche Kind, nach meinem Vater erbberechtigt?

Antwort: 
Ja; uneheliche Kinder sind erbrechtlich ehelichen Kindern gleichgestellt.

5. Frage:    Zusatzfrage zu Frage 4.: 
Mein Vater hat testamentarisch nur seine ehelichen Kinder als Erben eingesetzt und mich, das uneheliche Kind, auf den Pflichtteil gesetzt und meinen Pflichtteil auf die Hälfte gemindert. Ist das zulässig, bzw. unter welchen Voraussetzungen?

Antwort:    
Diese Frage ist zweigeteilt zu beantworten: 
Zunächst ist es zulässig, dass der Vater einzelne Kinder zu Erben einsetzt und andere auf den Pflichtteil beschränkt. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass der Verstorbene den Pflichtteil letztwillig auf die Hälfte mindert, ist gesondert zu prüfen.

Zulässig wäre diese Minderung des Pflichtteils auf die Hälfte, wenn der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum in keinem Naheverhältnis standen, wie es zwischen Familienangehörigen und Ehegatten gewöhnlich besteht. Als Richtschnur für diesen "längeren Zeitraum" wird eine Dauer von 20 Jahren angenommen. Mit Ehelichkeit/Unehelichkeit des Kindes hat die Minderung des Pflichtteils aber nichts zu tun.

6. Frage:    Zur testamentarischen Erbfolge: 
Mein verstorbener Ehemann hat mich, seine Ehefrau und nunmehrige Witwe, testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Unsere beiden Kinder, mit denen wir jahre- und jahrzehntelang in harmonischer, familiärer Eintracht gelebt haben, sind im Testament nicht erwähnt. Erben die Kinder nichts oder haben sie zumindest Anspruch auf den Pflichtteil?

Antwort:    
Testamentarische Alleinerbin und somit einzige Erbin sind Sie als überlebende Ehefrau. Die Kinder sind – mangels Erbseinsetzung – keine Erben.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kinder pflichtteilsberechtigt sind: Sofern die Kinder nicht zu Recht enterbt wurden, haben die beiden Kinder im geschilderten Fall Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Der Pflichtteil jedes der beiden Kinder beträgt die Hälfte dessen gesetzlichen Erbteils (1/3), sohin je 1/6 des Nachlasses.

Liegt bei einem Kind ein Enterbungsgrund vor, so kann in der Nichterwähnung, dem "Übergehen" des betreffenden Kindes im Testament eine "stillschweigende Enterbung" erblickt werden.

Der Verstorbene muss in seinem Testament den Enterbungsgrund nicht anführen. Damit die Enterbung wirksam ist, muss der Enterbungsgrund aber tatsächlich gegeben und für die Enterbung ursächlich gewesen sein. Andernfalls hat das jeweilige Kind Anspruch auf seinen Pflichtteil.

7. Frage:    Mein verstorbener Ehemann hinterlässt mich als seine Ehefrau und nunmehrige Witwe. Kinder hatte er keine. Seine hochbetagte Mutter (90-jährig) ist noch am Leben. Es gibt eine letztwillige Verfügung, in der ich – die Witwe – als Alleinerbin eingesetzt bin. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die letztwillige Verfügung wirksam ist. Bin ich (die Witwe) nun Alleinerbin, oder erbt auch die Mutter meines Mannes oder hat sie einen Pflichtteilsanspruch?

Antwort:    
Die Antwort muss je nach Konstellation – Gültigkeit oder Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung – geben werden:

Wenn die letztwillige Verfügung gültig ist, ist Ihre testamentarische Einsetzung als Alleinerbin wirksam. Die Mutter Ihres Mannes erbt dann neben Ihnen als Ehefrau bzw. Witwe nicht und hat auch keinen Pflichtteilsanspruch.

Wenn die letztwillige Verfügung ungültig ist und daher gesetzliche Erbfolge eintritt, erbt die Witwe zu 5/6 und die Mutter des Verstorbenen zu 1/6.

8. Frage: Mein verstorbener Ehemann hat keine letztwillige Verfügung (Testament) errichtet. Er hinterlässt mich als Witwe; mein Mann hatte keine Kinder, aber er hat zwei Geschwister. Seine Eltern sind vorverstorben. Wie ist die Erbrechtslage? Erben auch seine Geschwister?

Antwort:
Gesetzliche Alleinerbin sind in diesem Fall Sie als seine Ehefrau. Seine Geschwister haben in dieser Konstellation kein Erbrecht.

9. Frage: Der Verstorbene lebte seit 10 Jahren von seiner Ehefrau getrennt. Der Verstorbene hatte keine Kinder. Ich bin die Lebensgefährtin des Verstorbenen. Wir hatten die letzten fünf Jahre vor seinem Tod in häuslicher, ehegleicher Gemeinschaft zusammengelebt. Habe ich als Lebensgefährtin ein gesetzliches Erbrecht?

Antwort:
Der Lebensgefährte/die Lebensgefährtin hat kein "ordentliches" gesetzliches Erbrecht. Im vorliegenden Fall ist – mangels letztwilliger Verfügung – die Ehefrau gesetzliche Alleinerbin. Das "außerordentliche Erbrecht" des Lebensgefährten würde nur dann eintreten, wenn der Verstorbene weder gesetzliche noch testamentarische Erben hinterlässt und wenn der Lebensgefährte mit dem Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Grundsätzlich hat der Lebensgefährte aber ein – zeitlich beschränktes – "gesetzliches Vorausvermächtnis". Das bedeutet, dass er nach dem Tod des Verstorbenen noch ein Jahr lang in der Wohnung weiter wohnen und die Haushaltsgegenstände, soweit erforderlich, weiter benützen darf. Wenn der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet oder "verpartnert" war, besteht dieses Recht allerdings nicht.

Der Lebensgefährte hat ein gesetzliches Eintrittsrecht in das Mietrecht an einer Wohnung, die in den Voll- oder Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt. Dies unter der Voraussetzung, dass der Lebensgefährte zumindest drei Jahre vor dem Tod mit dem Verstorbenen, dem Mieter, in einer ehegleichen Haushaltsgemeinschaft in der Mietwohnung gelebt hat.

Ergänzend ist zu sagen: Zulässig wäre es, dass der Erblasser seine Lebensgefährtin testamentarisch als (Allein-)Erbin einsetzt. In diesem Fall hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Nachlasses.

Frage 10: Zusatzfrage zu Frage 9.:
Ich als Lebensgefährtin hatte den Verstorbenen die letzten zwei Jahre vor seinem Tod wegen seiner schweren Krankheit mehr oder minder "rund um die Uhr" gepflegt und betreut. Habe ich Anspruch auf ein "Pflegevermächtnis"?

Antwort:
Anspruch auf das gesetzliche Pflegevermächtnis haben nahestehende Personen: Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben, deren Kinder oder Partner, Lebensgefährten oder deren Kinder, die 
- Pflegeleistungen in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (mindestens 20 Stunden/Monat) über mindestens sechs Monate vor dem Tod des Verstorbenen erbringen und die 
- keine sonstige Zuwendung oder kein sonstiges Entgelt hierfür erhalten. 
Entzogen werden kann das Pflegevermächtnis bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes; es entfällt bei Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes.

11. Frage: Mein verstorbener Vater hinterlässt mich und meine Schwester als seine beiden einzigen Kinder. Unsere Mutter ist schon vor einigen Jahren vorverstorben. Unser Vater ist keine weitere Ehe eingegangen. Der Vater hat zwar eine letztwillige Verfügung errichtet, in der er mich und meine Schwester je zur Hälfte als Erben einsetzt. Allerdings ist es zweifelhaft, ob dieses Testament gültig ist. Mein Vater hatte meiner Schwester noch kurz vor seinem Tod den Betrag von € 1 Million geschenkt und übergeben. Der Wert des reinen Nachlasses nach meinem Vater beträgt € 1 Million. Muss sich meine Schwester den Wert des Geschenks auf ihren Erbteil anrechnen lassen – mit der Konsequenz, dass sie aus der Verlassenschaft nichts erhält?

Antwort:
Diese Frage lässt sich nur zweigeteilt beantworten:

Falls das Testament ungültig ist, so tritt gesetzliche Erbfolge ein. Sie und Ihre Schwester erben je zur Hälfte. In diesem Fall muss sich Ihre Schwester auf Ihr Verlangen die Schenkung Ihres Vaters anrechnen lassen (§ 753 ABGB). 

Ausnahme: Keine gesetzliche Anrechnung der Schenkung für Kinder (Deszendenten) erfolgt, wenn der Verstorbene die Schenkung aus Einkünften ohne Schmälerung seines Stammvermögens gemacht, den Erlass der Anrechnung letztwillig verfügt oder die Nichtanrechnung mit dem Geschenknehmer schriftlich vereinbart hat1.
 
Wenn hier keine dieser Ausnahmen zutrifft, so erhält Ihre Schwester bei gesetzlicher Erbfolge aus dem Nachlass nichts – obwohl sie zur Hälfte gesetzliche Erbin ist –, weil sie sich auf Ihr Verlangen die Schenkung ihres Vaters im Wert von € 1 Million anrechnen lassen muss. Sie erhalten demgegenüber den gesamten Nachlass von € 1 Million.

Wenn hingegen das Testament Ihres Vaters mit der Erbseinsetzung von Ihnen und Ihrer Schwester je zur Hälfte gültig ist, braucht sich Ihre Schwester die Schenkung grundsätzlich nicht anrechnen lassen (außer dies wäre so mit Ihrem Vater schriftlich vereinbart oder testamentarisch angeordnet worden2).

Ihr Pflichtteil wäre dadurch auch nicht verkürzt, weil Sie Ihren Pflichtteil in Höhe der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils – sohin 1/4 – durch die Erbseinsetzung zur Hälfte ohnedies erhalten: Denn die Hälfte des Nachlasses entspricht einem Viertel des Gesamtwerts von Schenkung und Nachlass zusammen (€ 2 Million) – nämlich € 500.000,-.

Resümee: Die gesetzlich angeordnete Anrechnung von Schenkungen in Fällen, in denen der Erblasser kein Testament errichtet, sondern die Kinder aufgrund gesetzlicher Erfolge erben, soll nach der Absicht des Gesetzgebers eine vom Erblasser vermutlich nicht gewollte Ungleichbehandlung der Kinder verhindern. Für den juristischen Laien kommt die gesetzliche Anrechnungsregel recht überraschend. Sie ist häufig nicht gewollt; dann empfiehlt sich die Errichtung eines Testaments oder schon zu Lebzeiten die Vereinbarung der Nichtanrechnung der Schenkung.

 

1 Erfolgt diese Anrechnungsvereinbarung erst nach erfolgter Schenkung, ist dafür sogar die Form des Notariatsakts vorgeschrieben (§ 752 ABGB).
2 Ausgenommen von der Anrechnung sind auch Schenkungen aus einer sittlichen Pflicht, aus Gründen des Anstandes und zu gemeinnützigen Zwecken.

Gerne beraten wir Sie bei Schenkungen und Vermögensübergaben zu Lebzeiten und in Fragen des Erb- und Pflichtteilsrechts und im Verlassenschaftsverfahren!

Kontakt: 
Univ.-Prof. Dr. Johannes Reich Rohrwig
E-Mail: johannes.reich-rohrwig@cms-rrh.com
Telefon: +43 1/40443-1250

Hauptansprechpartner

Johannes Reich-Rohrwig

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