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Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Kraft

2015-01

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) gehört zu den vielseitigsten Rechtsinstituten. Sie findet von Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft, Bietergemeinschaften in Vergabeverfahren und Banken eines syndizierten Kreditvertrags über land- und forstwirtschaftliche Betriebe und Lebensgefährten beim Hausbau bis hin zu Jagdgesellschaften einen außergewöhnlich breiten Anwendungsbereich. Mit 1.1.2015 ist eine grundlegende Reform der GesbR in Kraft getreten.

Anwendungsbereich und Gestaltungsfreiheit

Seit über 200 Jahren regelt das ehrwürdige ABGB die GesbR. Diese Rechtsform gelangt zur Anwendung, wenn sich die Gesellschafter nicht zur Gründung einer der gesetzlich geregelten juristischen Personen oder eingetragenen Personengesellschaften (GmbH, AG, Verein, Genossenschaft oder OG, KG) entscheiden. Den breiten Anwendungsbereich der GesbR – die Gerichte hatten sogar schon zu beurteilen, ob die Halter zweier Affen eine GesbR begründet hatten – ließ der Gesetzgeber unverändert. Viele andere, leicht angestaubte Vorschriften wurden aber sprachlich und inhaltlich modernisiert.

Weil die GesbR so vielfältig ist, kommt der Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsverhältnisses besondere Bedeutung zu. Weiterhin gilt großflächig Vertragsfreiheit.

Vermögen und Haftung

Die GesbR als solche kann weiterhin selbst kein Vermögen halten, da sie keine Rechtspersönlichkeit besitzt. Träger des Vermögens sind die Gesellschafter, die Miteigentümer der körperlichen Sachen (Grundstücke, Maschinen etc.) sind. Für unkörperliche Sachen (insbesondere Forderungen) gilt Gesamthandschaft.

Für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner. Demnach können Gläubiger gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten in voller Höhe von jedem einzelnen Gesellschafter einfordern und nicht bloß in Höhe seines Anteils. Auch dies entsprach schon der bisherigen Rechtsprechung. Dies bedeutet vor allem für gering beteiligte Gesellschafter ein hohes Haftungsrisiko. In Verträgen kann man mit dem Vertragspartner allerdings statt Solidarhaftung Anteilshaftung vereinbaren.

Vertretung der Gesellschaft

Als eine der großen Neuerungen der Reform ist es zu bezeichnen, dass nunmehr grundsätzlich jeder Gesellschafter allein zur Geschäftsführung befugt ist; bisher waren nur alle zusammen hierzu befugt. Im Außenverhältnis wird nun bei unternehmerisch tätigen GesbR auch die Vertretungsbefugnis jedes einzelnen Gesellschafters vermutet, selbst wenn Gesamtvertretung unter den Gesellschaftern vereinbart ist. Dies erhöht die Gefahr treuwidriger Vertretungshandlungen wesentlich.

Ausschluss von Gesellschaftern

Bisher konnten die Gesellschafter einen anderen Gesellschafter aus einem wichtigen Grund durch Gesellschafterbeschluss aus der Gesellschaft ausschließen. Nunmehr müssen sie den auszuschließenden Gesellschafter bei Gericht auf Ausschluss klagen. Diese vorgeschaltete Prozessführung mutet, insbesondere bei kleinen und nicht unternehmerisch tätigen Gesellschaften, hypertroph an. Oftmals ist der Ausschlussgrund so klar, dass ein Ausschließungsbeschluss der übrigen Gesellschafter nicht angefochten werden würde. Jetzt verlangt der Gesetzgeber hingegen jedenfalls die Prozessführung. Mittels Vertragsgestaltung kann hier die alte Rechtslage, nämlich Ausschluss durch bloßen Gesellschafterbeschluss, wiederhergestellt werden.

Kündigungsrecht

Wie schon bisher steht jedem Gesellschafter ein unabdingbares Recht auf Kündigung zu. Die bisherige Regelung, die vorsah, dass jeder Gesellschafter unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist, nur nicht zur Unzeit, kündigen kann, wurde formalisiert: Jetzt ist die Kündigungsfrist mit sechs Monaten fixiert, Kündigungsstichtag ist das Ende des Geschäftsjahres. Im Gesellschaftsvertrag können Kündigungsfrist und -stichtag verändert werden.

Anteilsübertragung; erstmals ist Verschmelzung von GesbR mit anderen Gesellschaften möglich

Die Bestimmungen über den Aus- und Eintritt von Gesellschaftern und die Anteilsübertragung wurden praxisfreundlich novelliert. Bei Eintritt, Ausscheiden oder Anteilsübertragung gehen nunmehr alle gesellschaftsbezogenen Rechtsverhältnisse auf den eintretenden oder die verbleibenden Gesellschafter über. Hierdurch sind mit Ausnahme von grundbücherlichen Rechten keine einzelnen Übertragungshandlungen für den Übergang aller Rechte und Pflichten mehr notwendig. Dies bedeutet eine erhebliche Erleichterung.

Zusätzlich ist beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der GesbR Gesamtrechtsnachfolge für den letztverbleibenden Gesellschafter angeordnet. Der Vorteil der Gesamtrechtsnachfolge besteht in der erleichterten Übertragung von Vertragsverhältnissen. Diese Neuregelung kann zur „Verschmelzung“ von GesbR mit Personen- und Kapitalgesellschaften verwendet werden.

Umwandlung in OG oder KG

Auch die bislang umstrittene Möglichkeit der Umwandlung einer GesbR in eine OG oder KG lässt das Gesetz nunmehr ausdrücklich zu. Die Umwandlung erfolgt explizit durch Gesamtrechtsnachfolge, sodass einerseits keine einzelnen Übertragungsschritte notwendig sind und andererseits auch beispielsweise eine Mietzinsanhebung nach § 12a MRG in Folge der Umwandlung nicht ohne Weiteres in Frage kommt.

Auswirkungen auf die Praxis

Die GesbR-Reform trat mit 1.1. 2015 in Kraft und erstreckt sich auf Sachverhalte, die sich ab diesem Zeitpunkt verwirklicht haben, wie insbesondere die Neugründung einer GesbR. Für „Alt-GesbR“ gelten die wesentlichen Vorschriften der Reform erst ab dem 1.7.2016. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Gesellschafter einer GesbR gegenüber den anderen Gesellschaftern ein sogenanntes „Opt-Out“ erklären. In diesem Fall ist das neue Recht erst ab dem Jahr 2022 auf die jeweilige GesbR anwendbar. Will ein Gesellschafter einer Alt-GesbR daher alles beim Alten belassen, muss er das Opt-Out rechtzeitig erklären. Jedenfalls ist zu prüfen, ob das neue Recht Anpassungsbedarf für den Gesellschaftsvertrag bringt, um diesen sinnhaft umzugestalten.

Was können wir für Sie tun?

Sollten Sie Fragen zur Überarbeitung des Gesellschaftsvertrags einer bestehenden GesbR oder zur Gestaltung des Gesellschaftsvertrags einer neu zu gründenden GesbR haben, stehen wir Ihnen mit unseren Spezialisten gerne zur Verfügung.

Weitere Beiträge von Univ.-Prof. Dr. Johannes Reich-Rohrwig finden Sie auf unserem CMS RRH Blog.

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Johannes Reich-Rohrwig
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