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Umsetzung der EU Mobilitäts-Richtlinie – Österreich ist auf der Zielgeraden

Endlich liegt der Ministerialentwurf zur – längst überfälligen – Umsetzung der EU Mobilitäts-Richtlinie in innerstaatliches Recht vor. Eigentlich hätte der österreichische Gesetzgeber diese EU-Richtlinie bis 31. Jänner 2023 umzusetzen gehabt. Immerhin bedeutet die Veröffentlichung des Ministerialentwurfs unter Festsetzung einer Begutachtungsfrist bis 24. Februar 2023, dass man damit rechnen kann, dass die Regierungsvorlage und die Beschlussfassung im Nationalrat im ersten Halbjahr 2023 erfolgen werden. 

1. Allgemeines

Das Gesetzesvorhaben des EU-Umgründungsrechts betrifft die Sitzverlegung, die Verschmelzung und die Spaltung von Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). 

Nach bisheriger Rechtslage war die grenzüberschreitende Verschmelzung österreichischer Kapitalgesellschaftern mit Kapitalgesellschaften im EU- bzw. EWR-Ausland bereits seit dem Jahr 2007 gemäß dem EU-Verschmelzungsgesetz möglich. 

Ferner war – allerdings ohne nähere gesetzliche Regelung – die Sitzverlegung innerhalb der EU/ EWR auf Basis der EuGH-Rechtsprechung (Centros, Überseering, Inspire Art [betrifft Zuzugsbeschränkungen] und Cartesio und Vale [betrifft Satzungssitzverlegung]) rechtlich zulässig, stieß allerdings in der Praxis immer wieder auf Hürden bei den Registergerichten. Die Sitzverlegung wird nun durch eine grenzüberschreitende „Umwandlung“ gesetzlich geregelt werden. 

Als dritte Maßnahme wird nun erstmals die grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften zugelassen. Diese war allerdings bisher schon möglich, indem man zunächst innerhalb von Österreich eine Spaltung vornimmt und dann entweder eine Sitzverlegung oder eine Verschmelzung der gespaltenen Gesellschaft über die Grenze vornimmt. 

Diese grenzüberschreitenden Umgründungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum werden im „EU-Umgründungsgesetz (EU-UmgrG)“ zusammengefasst, das nun als Ministerialentwurf vorliegt1. Jener Gesetzesrahmen, mit dem dann die gleichzeitig notwendigen Änderungen des Firmenbuchgesetzes, des Rechtspflegergesetzes, des Übernahmegesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes geschaffen werden sollen, wird als „Gesellschaftsrechtliches Mobilitätsgesetz“ bezeichnet werden. 

2. Im Einzelnen ist zum Ministerialentwurf des EU-Umgründungsgesetzes in aller Kürze zu sagen: 

2.1.
Die grenzüberschreitende Sitzverlegung wird nun als „Hinaus-Umwandlung“ (wenn eine österreichische Kapitalgesellschaft ihren Sitz ins EU-/ EWR-Ausland verlegt) oder als „Herein-Umwandlung“ (wenn eine ausländische EU-Kapitalgesellschaft ihren Sitz nach Österreich hereinverlegt) bezeichnet. Neben den Angaben im „Umwandlungsplan“ hat ein unabhängiger Sachverständiger den Plan für die grenzüberschreitende Umwandlung zu prüfen und einen Bericht für die Gesellschafter zu erstellen. Bemerkenswert ist, dass die bisherigen Gesellschafter ihr Ausscheiden gegen Barabfindung verlangen können, wenn sie gegen die Umwandlung Widerspruch erklären.
Anmerkung: Gemäß § 10 EU-VerschG gibt es bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen eine gleichartige Regelung; hingegen ist bei einer innerstaatlichen Sitzverlegung oder Verschmelzung ein Recht von überstimmten Minderheitsgesellschaftern, gegen Barabfindung auszuscheiden, nicht vorgesehen.

Gläubiger der Gesellschaft, die durch die „Hinaus-Umwandlung“ gefährdet werden, haben einen Anspruch auf Sicherstellung. 

Erstmals führt das Gesetz auch eine Missbrauchskontrolle ein: Danach hat das Gericht u.a. zu prüfen, ob die Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen oder kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll (§ 21 Abs 7 Entwurf EU-UmgrG). 

2.2.
Für die grenzüberschreitende Verschmelzung ist von beiden zu verschmelzenden Gesellschaften ein gemeinsamer „Verschmelzungsplan“ zu erstellen, dessen Mindestinhalt im Wesentlichen dem derzeit geltenden Recht entspricht. Ebenso enthält der neue Gesetzesentwurf den – schon bisher aus dem EU-Verschmelzungsgesetz bekannten – Verschmelzungsbericht, die Verschmelzungsprüfung und die Prüfung durch den Aufsichtsrat. Das Recht von Minderheitsgesellschaftern, aus Anlass der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung auszuscheiden und Barabfindung zu verlangen, wird beibehalten, ebenso wie das Recht auf gerichtliche Überprüfung der Barabfindung. 

2.3.
Bei der grenzüberschreitenden Spaltung wird der Spaltungsvorgang mit einer Gesellschaftsgründung im EU-/EWR-Ausland kombiniert, sodass das abgespaltene Vermögen als neue Kapitalgesellschaft im EU-Ausland im Wege der Gesamtrechtsnachfolge fortgesetzt wird. Ebenso wie das österreichische Spaltungsrecht zwischen „Abspaltung zur Neugründung“ und „Aufspaltung zur Neugründung“ unterscheidet, ist nun auch dieser grenzüberschreitende Spaltungsvorgang konzipiert. Die Regeln über die „Kapitalerhaltung“ im Zuge eines derartigen Spaltungsvorgangs sind ähnlich zu den bestehenden Regelungen des innerstaatlichen Spaltungsrechts vorgesehen.

3. Generell kann gesagt werden:

3.1.
Die Beschlussfassung über die grenzüberschreitende Sitzverlegung – nach neuer Diktion „Umwandlung“ –, über die grenzüberschreitende Verschmelzung und über die grenzüberschreitende Spaltung bedürfen der nach Aktien- bzw. GmbH-Recht jeweils für die Verschmelzung erforderlichen Mehrheiten. In Bezug auf grenzüberschreitende, nicht verhältniswahrende Spaltungen bedeutet das implizit eine Herabsetzung der innerstaatlich dafür notwendigen 90%-Kapitalmehrheit auf eine ¾-Kapitalmehrheit.  

3.2.
Bei der grenzüberschreitenden Spaltung kann jeder Gesellschafter, der durch die Spaltung an der ausländischen Gesellschaft beteiligt werden soll, unter Hingabe seiner Anteile gegen angemessene Abfindung ausscheiden. Bei einer innerstaatlichen Spaltung hingegen besteht das Austritts- und Abfindungsrecht nur in eingeschränkterem Maße, nämlich nur bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung und bei einer Rechtsform übergreifenden Spaltung.

3.3.
Die gesetzgeberische Chance, bei einer grenzüberschreitenden Spaltung – genauso wie bei einer innerstaatlichen Spaltung – auch eine Abspaltung zur Aufnahme (also eine Kombination von Spaltungs- und Verschmelzungsvorgang in Einem) zuzulassen, wurde im Ministerialentwurf nicht wahrgenommen. Dieser grenzüberschreitende Vorgang muss daher weiterhin zweistufig – zuerst innerstaatliche Spaltung, danach grenzüberschreitende Verschmelzung – durchgeführt werden. 

4. Praktische Anwendungsbereiche

Anwendungsbereiche für diese Formen grenzüberschreitender Umstrukturierungen werden vor allem sein:

4.1.
konzerninterne Verschmelzungen (auch zwecks "stiller Liquidation" von Konzerngesellschaften) und Spaltungen,

4.2.
Verschmelzungen zwischen Unternehmen, die verschiedenen Eigentümern gehören,

4.3.
Spaltungen zur Vorbereitung einer M&A-Transaktion oder einer Verschmelzung mit einem ausländischem Käufer und

4.4.
die Verlegung des Satzungssitzes in einen EU-Mitgliedsstaat mit einem für die Gesellschaftermehrheit günstigeren Gesellschaftsrecht – sprich: weniger Minderheitsrechte; geringere Anforderungen an Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz – dem sogenannten „Delaware-Effekt“ ("race to the bottom"). 

Das Justizministerium rechnet mit rund 90 grenzüberschreitenden Umgründungen (Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen) pro Jahr. 

Ein „heißes Eisen“, nämlich die von der österreichischen Judikatur im Interesse des Gläubigerschutzes ausgesprochene Unzulässigkeit eines „kapitalherabsetzenden Effekts“ einer Verschmelzung, gleichgültig ob diese Verschmelzung „up-stream“ oder „down-stream“ erfolgt – hat der Gesetzesentwurf nicht angesprochen, d.h. ungeregelt gelassen.

1 https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BEGUT&Dokumentnummer=BEGUT_94EA99C4_5F00_4038_8397_3BE86CC188D8

 

Johannes Reich-Rohrwig schöpft als Rechtsanwalt und Universitätsprofessor für Gesellschaftsrecht aus seiner reichen Praxiserfahrung. Er ist Namenspartner der international tätigen Anwaltssozietät CMS Reich-Rohrwig Hainz und im Bereich Wirtschaftsrecht einer der führenden Rechtsanwälte in Österreich. 

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