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Zur Identifizierbarkeit von Testamentszeugen

OGH 26.05.2021, 2 Ob 86/21t
OGH 28.09.2021, 2 Ob 139/20k 

Für die Gültigkeit eins fremdhändigen letztwilligen Verfügung muss gemäß § 579 Abs 2 ABGB die Identität der Testamentszeugen aus der Urkunde selbst hervorgehen. Der OGH entschied nun, dass das Anführen von Geburtsdatum und Adresse der Zeugen nicht unbedingt erforderlich für das Hervorgehen ihrer Identität aus der Urkunde ist.

Für den Fall, dass der das Testament errichtende Notar und zwei seiner Angestellten als Testamentszeugen auftreten, ist die Anführung der Vor- und Nachnamen, der Berufsbezeichnung und der Kanzleianschrift für die Identifizierbarkeit iSd § 579 Abs 2 ABGB ausreichend (2 Ob 86/21t).

Außerdem kann laut dem OGH die lesbare Unterschrift oder die unlesbare Unterschrift verbunden mit der Namensangabe des Zeugen auf der Testamentsurkunde für die Identifizierung des Testamentszeugen iSd § 579 Abs 2 ABGB genügen. 

Der OGH schwächt somit die strengen Anforderungen, wie sie noch die Gesetzesmaterialien anführen (zB zusätzliche Angabe von Geburtsdatum oder (Berufs-)adresse), wesentlich ab.

Zu den Entscheidungen im Detail:

In der E 2 Ob 86/21t vom 26.05.2021 waren der beurkundende Notar und zwei seiner Angestellten die Testamentszeugen, wobei deren Privatadressen und Geburtsdaten im Testament nicht aufschienen.

Punkt IV des Testaments lautete:

Urkund dessen habe ich dieses Testament errichtet, habe es in Gegenwart der ersuchten Testamentszeugen Herrn Dr. [Vor- und Familienname], öffentlicher Notar, Frau [Vor- und Familienname], Notariatsangestellte, sowie Frau [Vor- und Familienname], Notariatsangestellte, alle per Adresse [Anschrift der Kanzlei des Notars], als meinen letzten Willen enthaltend ausdrücklich bestätigt, es sohin selbst unterschrieben und von den Zeugen mitfertigen lassen […]. 

Laut den Vorinstanzen, die das Testament für formgültig hielten, geht die Identität der Zeugen aus der Urkunde auch ohne Geburtsdatum oder Privatanschrift hervor.

Der OGH stimmte dieser Rechtsansicht unter Anschluss an die überwiegende Lehrmeinung, wonach selbst die Nichtanführung der in den Materialien genannten Kriterien wie zB Geburtsdatum oder (Berufs-)Adresse noch nicht automatisch zur Ungültigkeit des Testaments führt, zu. Das Gesetz schreibt lediglich vor, dass die Identität der Testamentszeugen aus der Testamentsurkunde hervorgehen muss. Die Gesetzesmaterialien sind nach stRsp weder das Gesetz selbst noch interpretieren sie dieses authentisch; außerdem besteht keine Bindung an die Gesetzesmaterialien bei Auslegung eines Gesetzes (RS0008799 [T4] = 2 Ob 41/19x).

Hinzuzufügen ist, dass der Ministerialentwurf noch die Anführung des Geburtsdatums vorsah, dieses Erfordernis entfiel allerdings schlussendlich in der aktuellen Fassung des § 579 Abs 2 ABGB, was dafür spricht, die Angabe des Geburtsdatums nicht als Wirksamkeitserfordernis anzusehen.

In der E 2 Ob 139/20k vom 28.09.2021 befand sich der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung und Unterzeichnung des Testaments in stationärer Spitalsbehandlung. Die testamentserstellende Notarin errichtete die Urkunde per Computerausdruck "fremdhändig“. Die Urkunde wurde vom Erblasser mit dem Zusatz "Das ist mein letzter Wille“ und von der Notarin sowie zwei ihrer Mitarbeiterinnen jeweils mit dem Beisatz "als Testamentszeuge“ bei ihren bereits vorgedruckten Namen unterzeichnet. Andere Identitätsmerkmale der Testamentszeuginnen schienen im Testament nicht auf.

Auch hier wurde die formelle Gültigkeit des Testaments mit der Begründung, dass die Identität der Testamentszeuginnen mangels Anführung von Geburtsdatum oder Adresse nicht aus der Urkunde hervorgehe, bestritten. Das Erstgericht entschied, dass das Testament deswegen ungültig sei, wohingegen das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts wieder aufhob.

Der OGH betonte auch in dieser Entscheidung (unter Berufung auf 2 Ob 86/21t), dass selbst die Nichtanführung der in den Materialien zu § 579 Abs 2 Satz 1 ABGB genannten Kriterien zur Identifizierbarkeit der Testamentszeugen noch nicht automatisch zur Ungültigkeit des Testaments führt. 

Weiters führte der OGH aus, dass auch allein anhand der lesbaren Unterschrift oder auch der unlesbaren Unterschrift im Zusammenhang mit der lesbaren Angabe des Namens die Identifizierung eines Testamentszeugen möglich ist, weil mit der Unterschrift bzw dem Schriftzug ein „aus der Urkunde selbst hervorgehendes Identitätsmerkmal“ vorliegt, das die Identifizierung des Testamentszeugen durch Schriftvergleich ermöglicht.

Hauptansprechpartner

Johannes Reich-Rohrwig

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