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Akteneinsicht im Vergabe(nachprüfungs)verfahren

13/06/2013

Das Recht auf Akteneinsicht ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass eine Partei im Verwaltungsverfahren ihre Rechte effektiv durchsetzen kann. Besonders wertvoll könnten die durch Akteneinsicht gewonnenen Informationen im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren sein. Aber gerade diese wird rechtschutzsuchenden Bietern meist verweigert. Stereotype Begründung: Geschäfts- und Betriebsgeheimnis.

Akteneinsicht allgemein

Während das BVergG kein Recht auf Akteneinsicht gibt sondern die vertrauliche Behandlung aller den Auftraggeber und die Bieter betreffenden Angaben und Unterlagen verlangt, wird in einem Nachprüfungsverfahren der Vergabeakt plötzlich Teil eines Behördenaktes. Der Auftraggeber muss nämlich seinen Vergabeakt der Nachprüfungsbehörde vorlegen. Damit gerät dieser und die darin enthaltenen Angebote, Prüfprotokolle usw in die Reichweite des Rechts auf Akteneinsicht. Einschlägig ist jetzt das AVG.

Einen erfahrenen Bieter oder Auftraggeber versetzt diese Auskunft aber noch nicht in Aufregung. Es gibt nämlich Ausnahmen vom Recht auf Akteneinsicht, insbesondere für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

Frischer Wind von VwGH und EuGH

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt in letzter Zeit eine gemäßigtere Position zur Akteneinsicht ein. Zwar verpflichte das BVergG sämtliche Verfahrensbeteiligte zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Das sei jedoch kein Grund, die Einsicht in Urkunden, auf die sich die Behörde in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern.

Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren ist § 17 Abs 3 AVG. Die Akteneinsicht durch den Antragsteller muss für die Verfolgung seiner Rechte erforderlich sein und geht nur so weit, bis dessen Interesse an einer Akteneinsicht nicht mehr gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse eines anderen Beteiligten (zB an Preisen) überwiegt.

Fazit: Bei Interessen-Gleichstand klappt der Akt wieder zu.

Der EuGH verlangt schon länger eine differenzierte Einzelfallabwägung. Zu berücksichtigen ist einerseits das Interesse an umfassender Einsicht in alle Verfahrensunterlagen im Sinne eines fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention). Andererseits ist das Interesse am Schutz von Geschäftsinteressen zu berücksichtigen (Grundsatz des EU-Rechts und Art 8 EMRK).

Als nächste Verbesserung prüft der VwGH milder als bisher, ob der Akteneinsichtswerber konkret darlegen kann, inwiefern die gewünschte Akteneinsicht zu einem anderen Verfahrensergebnis führt. Da der Vergabeakt für Bieter nun einmal geheim ist, können diese ohne Akteneinsicht nicht sagen, welche der darin befindlichen Informationen sie zu sehen wünschen und wie sich das im Nachprüfungsverfahren auswirkt. Seit 2012 geht der VwGH grundsätzlich davon aus, dass ein Einwand durch Akteneinsicht konkretisiert und so ein anderes Verfahrensergebnis erzielt werden kann.

Der Gesetzgeber als Trendsetter

Im Ergebnis setzt der VwGH die Hürden für eine Akteneinsicht niedriger an als früher. Liegt er damit im allgemeinen Trend, vermehrte Transparenz zu schaffen? Die Bundesregierung plant ein Informationsfreiheitsgesetz. Kann dieses Fortschritte für rechtschutzsuchende Bieter bringen?

Ab 2014 soll jeder binnen zwei Wochen Auskunft und Kopien aus Behörden-Akten erhalten. Die Amtsverschwiegenheit greift nur mehr in Ausnahmefällen. Beispiel: nationale Sicherheit, aber auch sonstige wichtige öffentliche Interessen (zB Redaktionsgeheimnis des ORF, wirtschaftliche Interessen einer Gebietskörperschaft) oder überwiegende private Interessen (Berufs- oder Geschäftsgeheimnisse, Datenschutz). Deshalb dürfte das Informationsfreiheitsgesetz für kämpferische Bieter kaum Neuerungen bringen.

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Thomas Hamerl
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Wien