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Anlegerschutz - neue Rechtsprechung

26/03/2014

Die Fülle der anhängigen Verfahren in Anlegerprozessen gibt dem Oberste Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung weiter zu präzisieren.

Grobe Fahrlässigkeit auch bei weit verbreiteter Missachtung von Aufklärungspflichten

Im vorliegenden Fall sah sich ein Anlageberater mit Regressansprüchen eines Wertpapierdienstleisters konfrontiert. Er riet als dessen Erfüllungsgehilfe einem Kleinanleger, sein gesamtes liquides Vermögen in vermeintlich risikolose Aktien zu investieren. Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien hat der Wertpapierdienstleister einen umfassenden Regressanspruch gegen den Anlageberater im Fall von grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Fehlberatung. Der Anlageberater wandte ein, dass seine Beratung der gängigen und weit verbreiteten Beratungspraxis entsprach und schon deshalb bloß als leicht fahrlässig zu qualifizieren sei.

Der OGH sprach hierzu aus, dass eine weitverbreitete Missachtung von Aufklärungspflichten nicht bedeutet, dass ein Berater im konkreten Einzelfall nur leicht fahrlässig handelte. Kommt es doch bei der Beurteilung des Verschuldensgrades entscheidend auf das Wissen des Beraters und den erkennbaren Informationsbedarf des Anlegers an (OGH 11.04.2013, 1 Ob 49/13g).

Risikoeinstufung und Umfang der Aufklärungspflicht bei Kapitalgarantie

Wenn ein Anleger Wert auf eine kapitalerhaltende Anlage mit einer etwas höheren Rendite (3%-6 %), als man sie zum damaligen Zeitpunkt auf einem Sparbuch erzielen konnte, legt, so erhält er durch die gesamte Kapitalanlage von Wertpapieren der Risikoklassen 2 bis 4 eine Veranlagung vermittelt, die nicht seinem Anlageziel und seiner Risikobereitschaft entspricht.

Dass die Emittenten der gegenständlichen Unternehmensanleihen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, eine 100%ige Kapitalgarantie abgegeben hat, war nicht entscheidungsrelevant, weil im Zusammenhang mit dem Erwerb dieser der Risikoklasse 4 zugehörigen Wertpapiere über das praktisch einzige, aber hohe Risiko, nämlich die Insolvenz der Emittentin, ein besonderer Aufklärungsbedarf bestanden hat, welchem der Anlageberater nicht nachgekommen ist (OGH 24.04.2013, 9 Ob 50/12m).

Einfluss von Beschwichtigungsversuche auf die Verjährung

Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann nach der Judikatur in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen: Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann (siehe schon RIS-Justiz RS0014838).

Die Äußerung „nicht vorschnell reagieren zu sollen“, ist aus der Sicht eines „nervösen“ Anlegers so zu interpretieren, dass ihm vom sofortigen Verkauf abgeraten werde, aber einem Zusichern, der gesunkene Wert würde in kurzer Zeit wieder steigen (vgl 2 Ob 63/12x), nicht gleich zuhalten. Im konkreten Fall sah der OGH keine erhebliche Rechtsfrage in Hinblick darauf, ob die Beschwichtigung seitens des Anlageberaters Einfluss auf die Verjährung hatte (dies verneinte das Berufungsgericht), zumal nicht festgestellt werden konnte, dass den Anlegern zugesichert worden wäre, ihr eingesetztes Kapital sei sicher und nicht gefährdet (OGH 14.03.2013, 1 Ob 12/13s).

Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei gänzlichem Wertverlust

Ebenfalls in Hinblick auf die Verjährung von Schadenersatzansprüchen hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob spätestens beim gänzlichen Wertverlust einer Anlage die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB zu laufen beginnt. Der Kläger hatte seinen Schadenersatzanspruch darauf gestützt, dass er darüber getäuscht wurde, keine jungen Aktien im Wege einer Kapitalerhöhung zu erwerben, sondern tatsächlich Aktien, die die beklagte Bank von einer zwischengeschalteten Gesellschaft gekauft hat, die wiederum die jungen Aktien zu einem wesentlich niedrigeren Stückpreis erworben hatte.

Liegt der Grund des Schadenersatzanspruches nicht in einem Verschweigen des allgemeinen Aktienrisikos, sondern in der Unterlassung wesentlicher sonstiger kaufentscheidender Information, verpflichtet ein gänzlicher Wertverlust der Aktien den Anleger noch nicht zu Nachforschungen über die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung.

Im Ergebnis hielt der OGH daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Verjährungsfrist nicht spätestens mit gänzlichem Wertverlust der Anlage zu laufen beginnt, für vertretbar, auch zumal die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf (OGH 29.05.2013, 9 Ob 16/13p).

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