Home / Veröffentlichungen / Budget-neutrale PPPs leicht gemacht

Budget-neutrale PPPs leicht gemacht

13/12/2016

Mehr Klarheit und Rechtssicherheit mit dem neuen "Guide to the Statistical Treat-ment of PPPs" bei der Anwendung der Eurostat-Regeln für öffentliche Verschuldung auf Public Private Partnerships

Nachdem EUROSTAT im Februar 2016 ein neues Handbuch für die Behandlung öffentlicher Defizite und Verschuldung¹ herausgegeben hatte, zieht nun EPEC² mit einem speziellen Guide für PPPs³ nach. Dieser ist vor allem leichter verständlich und betrachtet die ESVG-2010-Regeln4 nicht aus dem Blickwinkel der Statistik, sondern aus der Sicht eines PPP-Vertrages und damit aus einer den Anwendern geläufigeren Sicht.

Der neue Guide ist aber nicht nur leichte Kost, sondern auch inhaltlich verbindlich. Bei Widersprüchen zum Handbuch geht der neue Guide bei PPPs sogar vor. Dafür ist sein Anwendungsbereich auf PPPs begrenzt. Andere Projektformen wie Konzessionen oder institutionalisierte PPPs, sind ausschließlich auf Grundlage des ESVG 2010 (wie im Handbuch kommentiert) zu strukturieren.

Der neue EPEC-Führer gilt für alle PPPs, deren Financial Close nach seinem Erscheinen stattfindet, also ab September 2016. Financial Close ist aber auch in Zukunft der relevante Betrachtungszeitpunkt. Alle Änderungen eines Projektes, zB Umschuldungen, welche nach dem Financial Close die Parteien oder die vertragliche Risikoverteilung ändern, können zu einer Neueinstufung des Projektes führen. Deshalb ist ein durch das Projekt geschaffener Vermögenswert nach Ende der Vertragslaufzeit oft anders zu bewerten. Andere Aspekte wie eine vergaberechtliche Neuausschreibungspflicht sind übrigens gesondert zu betrachten.

Struktur und Bewertungsmethode

Der Guide hat einleitende Grundlagenkapitel, ein Kapitel über die Bewertungsmethode von EUROSTAT und ein großes Kapitel, in welchem die üblichen vertraglichen Risikoverteilungen systematisch behandelt werden. Im Grundlagenkapitel wird noch mehr als im Handbuch das zentrale Abgrenzungskriterium betont und erklärt: Wer die überwiegenden Chancen und Risiken eines PPPs trägt, dem ist es auch bilanziell zuzurechnen (der ist der wirtschaftliche Eigentümer). Andere Aspekte als Risiken und Chancen sind deshalb nicht zweitrangig, sondern nach den allgemeinen Regeln zu prüfen.

Das Methodenkapitel macht die Prüfungsschritte von EUROSTAT (und den nationalen Statistikbehörden) transparenter, auch wenn die dargelegte Methode überraschend simpel ist. Das bedeutet aber wohl nicht, dass im Zweifel nicht mehr genau analysiert wird.

Vertragsklauseln werden in vier Gruppen unterteilt:

  1. moderat,
  2. hoch,
  3. sehr hoch problematisch oder
  4. jedenfalls als zur Staatsverschuldung führend.

 

Erst danach wird eine quantitative (=wertmäßigen) Analyse vorgenommen, an Hand derer Klauseln in die nächst höhere oder -niedrigere Klasse verschoben werden können. Abschließend ist aber keine detaillierte monetäre Bewertung und Vergleichsrechnung vorzunehmen, sondern es werden zusätzliche Aspekte mitberücksichtigt:

  1. Ausmaß der Festlegung von Planung und Qualität der zu errichtenden Infrastruktur und
  2. Nutzbarkeit der Infrastruktur für die öffentliche Hand nach Vertragsende.

Letzteres nennt auch das Handbuch 2016 als nachgeordnetes Kriterium.

Projektgrundstücke

Der EPEC-Guide räumt mit einer Unsicherheit auf: Es ist unproblematisch, wenn die öffentliche Hand das Eigentum am Projektgrundstück während der gesamten Projektdauer behält. Die Art des Nutzungsrechts, welches der private Partner dann an den Grundstücken erhält, um seine Infrastruktur zu errichten, ist ebenfalls unbedeutend. In der Vergangenheit scheint EUROSTAT (auch im Handbuch 2016, S. 349f) vorausgesetzt zu haben, dass die Anlagegüter/Infrastruktur des PPP-Vertrages während der Laufzeit dem Partner gehört. Das entspricht zB für Österreich nicht der gelebten Praxis. Nach Vertragsende möchte die öffentliche Hand noch immer über das Projektgrundstück verfügen dürfen.

Betrieb und Erhaltung

Zunächst betont der EPEC-Führer das schon bisher bekannte Erfordernis, dass sich bei reduzierter Verfügbarkeit auch das Verfügbarkeitsentgelt im gleichen Ausmaß reduzieren muss, im Extremfall bis auf null. Wird das Entgelt des privaten Partners auch dann nicht auf null reduziert, wenn die Verfügbarkeit null ist (gänzlich entfällt), trägt er das Verfügbarkeitsrisiko nicht, sondern die öffentliche Hand. Dann ist das Projekt der öffentlichen Hand zuzurechnen und nicht maastricht-neutral. Klarer als das Handbuch betont der EPEC-Führer die Bedeutung von Gewinn-Teilungsmechanismen. Selbstverständlich darf die öffentliche Hand an Einsparungen bei Betrieb und Erhaltung partizipieren. Dann werden ihr aber auch Vermögen und Schulden zugerechnet. Dasselbe gilt bei der Teilung von Refinanzierungsgewinnen.

Da der Grad der Verfügbarkeit so wichtig ist, muss er – so betont der Guide – exakt feststellbar sein und Sanktionen müssen automatisch anfallen (keiner Abmilderung unterliegen).

Manchmal ist der Guide in seiner Kürze irreführend. Der Guide erklärt z.B., dass erhöhte Zahlungen an den privaten Partner bei erhöhter Nutzung (um erhöhte Abnutzung abzugelten) ohne Einfluss auf die Beurteilung nach ESVG 2010 sind. Das ist aber nur richtig, wenn es sich um ein PPP mit Verfügbarkeitszahlungen handelt. Bei einer Bezahlung gemäß Nachfrageintensität oder einem gemischten Modell zwischen Verfügbarkeits- und Nutzungszahlungen, ist dieser Aspekt sehr wohl bedeutungsvoll. Bei nachfrage-abhängiger Bezahlung muss sich das Entgelt bei sinkender Nachfrage im gleichen Ausmaß reduzieren wie die Nutzung / Nachfrage (so wie oben bei reduzierter Verfügbarkeit).

Kündigungskompensation

Kompensation bei vorzeitiger Vertragsauflösung kann einen ansonsten budget-neutralen Vertrag zum Kippen bringen. Deshalb stellt der EPC-Guide erfreulicherweise einiges klar, zB dass vor der Kündigung erworbene Ansprüche aufrecht bleiben müssen.

Zur Höhe der Kündigungskompensation behandelt der EPEC-Führer sehr ausführlich die Versteigerung von gekündigten Projekten. Das kann verwirrend sein. Die Versteigerung ist nur eine von mehreren zulässigen Lösungen. Es handelt sich um die aus der Sicht von EUROSTAT einfachste Methode, weil ein Auktionspreis jedenfalls marktkonform und damit maastricht-neutral ist. Aber in der Praxis findet sich nicht immer ein Investor, der gerne ein halb-fertiges gescheitertes Projekt übernehmen möchte.

In Österreich wird die Kündigungskompensation oft vom Buchwert der Investition abzüglich bestimmter Beträge berechnet. Gebräuchlich ist aber auch die Bezahlung des noch offenen Fremdkapitals oder eines Teils davon. Diese vor allem von finanzierenden Banken geforderte Methode soll für den Kündigungsfall die Rückzahlung der Finanzierung sichern und ist deshalb aus ESVG-2010-Sicht riskanter als die zuvor genannten. Sie kann trotzdem budget-neutral sein, nämlich solange sie nicht dazu führt, dass in Wahrheit die öffentliche Hand die Kreditrückzahlung garantiert. Um dies zu vermeiden, müssen Abzüge zu Lasten des Partners geregelt werden, nämlich für vor Kündigung erworbene Ansprüche, Reparaturkosten udgl sowie Vertragsstrafen und ähnliches.

Selbstverständlich behandelt der EPEC-Guide noch zahlreiche weitere Aspekte und ist selbst auch nicht allumfassend. Sollten die Leser unseres Newsletters noch offene Fragen haben, beantworten wir von CMS diese gern.

________________________

¹http://ec.europa.eu/eurostat/documents/3859598/5937189/KS-GQ-14-010-EN.PDF/c1466fde-141c-418d-b7f1-eb8d5765aa1d
²EPEC, das European PPP Expertise Centre, ist eine bei der EIB angesiedeltes Netzwerk, dem die Europäische Kommission und öffentliche nationale PPP-Know-How-Träger angehören, aus Österreich das BMF, welches den öffentlichen Sektor bei PPPs berät: http://www.eib.org/epec/about/epec_flyer_en
³http://www.eib.org/epec/resources/publications/epec_eurostat_guide_ppp
4http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02013R0549-20150824&rid=1

Autoren

Foto vonThomas Hamerl
Thomas Hamerl
Partner
Wien