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Die Koordination von Großprojekten

In einer Zeit, in der größere Bauvorhaben in immer engeren Zeiträumen realisiert werden müssen, sind Kooperation, Überwachung und vor allem Koordination der am Bau Beteiligten unumgängliche Bestandteile eines reibungslosen Projektablaufs. Sowohl nach den gesetzlichen Bestimmungen des ABGB als auch nach der ÖNORM B 2110 trifft grundsätzlich den Bauherrn die Obliegenheit, die Leistungen der von ihm beauftragten Werkunternehmer entsprechend zu koordinieren.1  Der Bauherr als Werkbesteller ist aber keineswegs verpflichtet, den Werkunternehmer durchgängig zu überwachen. Grundsätzlich ist aus rechtlicher Sicht zwischen Koordinierung und Überwachung zu unterscheiden, denn ein Fehler in der Überwachung begründet noch keinen erfolgreichen Mitverschuldenseinwand des Ausführenden. Ein Fehler in der Koordination kann hingegen sehr wohl zu einem Mitverschulden und daher einer entsprechenden Verantwortlichkeit des Bauherrn führen. 

Die Koordination durch den Werkbesteller 

Die Verpflichtung des Werkbestellers zur Koordination ist als Teil der ihn treffenden Mitwirkungspflicht gesetzlich in § 1168 Abs.1 ABGB und in der ÖNORM B 2110 in Punkt 6.2.5.1 begründet. Der Auftraggeber ist als Werkbesteller verpflichtet, für das ordnungsgemäße Zusammenwirken seiner Auftragnehmer zu sorgen und insbesondere ihren Einsatz zu koordinieren.2  Der Oberste Gerichtshof versteht unter der Koordinierung die zeitliche Zusammenarbeit der Werkunternehmer und die Sicherstellung des technischen Ineinandergreifens der Werkleistungen. Dadurch sollen vor allem Schnittstellenprobleme und Behinderungen der Leistungserbringung vermieden und eine vollständige Gesamtleistung erreicht werden. 

Ein reibungsloser Ablauf des Bauprojektes kann aber nur dann gelingen, wenn auch die beteiligten Lieferanten und Subunternehmer ihre Verpflichtungen wahrnehmen und an der Koordination entsprechend mitwirken. Punkt 6.2.5.2 der ÖNORM B 2110 spricht in diesem Zusammenhang von der Verpflichtung des Auftragnehmers, für das ordnungsgemäße Zusammenwirken seiner Lieferanten und Subunternehmen zu sorgen. 

Die Koordinationsleistungen des Bauherrn können zeitlich im Wesentlichen in drei Phasen unterteilt werden:

  • Die Koordination beginnt bereits mit der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen. Die angeforderten Leistungen müssen vom Bauherrn hinsichtlich der einzelnen Gewerke nicht nur vollständig beschrieben, sondern auch aufeinander abgestimmt, und im Ergebnis eine vollständige Gesamtleistung ergeben.
  • Ab dem Planungsbeginn sind die Aufgaben der einzelnen Dienstleister und Werkunternehmer vom Bauherrn festzulegen und entsprechend zu spezifizieren.3  
  • Während der Leistungserbringung hat sodann durch den Bauherrn die eigentliche Koordination zu erfolgen. Betrifft im Zuge der Leistungserbringung  ein auftretender Mangel mehr als ein Gewerk oder wird für die Mängelbehebung eine Vorleistung eines anderen Unternehmens notwendig, so hat die Koordinierung des Bauherrn auch noch nach der Übergabe der Leistung im Rahmen der Gewährleistung zu erfolgen. 

Die zeitliche Koordination mehrerer Werkunternehmer hat jeweils so zu erfolgen, dass keine Behinderungen entstehen.4  Die Leistungen müssen daher zeitlich in der richtigen Reihenfolge und so rechtzeitig erbracht werden können, dass der nachfolgende Unternehmer ohne Verzögerung und auftretende Behinderung auf einer Vorleistung aufsetzen kann. Dies stellt gerade bei Großprojekten eine beträchtliche Herausforderung dar, die vor allem auch eine entsprechende Koordination der einzelnen Fachplanungsbereiche erfordert. 

Neben der zeitlichen muss aber auch der technischen Koordination entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum einen müssen die einzelnen Gewerke im Ergebnis eine vollständige Leistung der tätigen einzelnen Unternehmen ergeben.5  Zum anderen muss die Leistung auch eine technisch richtige und taugliche Grundlage für nachfolgende Leistungen bieten. Dabei muss der Werkbesteller besonderes Augenmerk auf die Schnittstellen zwischen den einzelnen Gewerken legen. 

Fehlende oder fehlerhafte Koordination kann entweder zu einer Behinderung des Werkunternehmers oder zur Mangelhaftigkeit des Werkes führen.6  Führt die fehlerhafte Koordination beispielsweise dazu, dass einzelne für die Gesamtleistung notwendige Leistungen überhaupt fehlen, führt dies auch zur Mangelhaftigkeit der Gesamtleistung. 

Die Überwachung durch den Werkbesteller

Die Bauüberwachung erfolgt nach Rechtsprechung und herrschender Lehre im Interesse des Bauherrn, nicht im Interesse des Werkunternehmers und soll den Bauherrn vor Fehlern schützen, die in den Verantwortungsbereich des einzelnen bauausführenden Unternehmer fallen. Anders als bei der Koordination führt ein Verschulden der Bauaufsicht daher nicht zu einem die Haftung des Werkunternehmers mindernden Mitverschulden des Werkbestellers.7  

Die Kooperation der einzelnen Werkunternehmer 

Aber auch den Werkunternehmer treffen Kooperationspflichten. Diese sind nach der Rechtsprechung nicht auf bestehende Prüf- und Warnpflichten nach § 1168a ABGB beschränkt.8  Die einzelnen ausführenden Vertragspartner müssen sich daher hinsichtlich ihrer Teilleistungen auch entsprechend aufeinander abstimmen. Die ÖNORM B 2110 konkretisiert dazu in Punkt 7.3.2, dass ein Vertragspartner, der erkennt, dass eine Störung der Leistungserbringung droht, dies dem anderen Vertragspartner ehestens mitzuteilen hat.9 

Sind auszuführende Leistungen nicht in technisch richtiger Weise aufeinander abgestimmt und werden dadurch die anerkannten Regeln der Technik bei der Erstellung des Gesamtwerkes verletzt, muss der Werkunternehmer den Bauherrn darüber entsprechend aufklären.10  Der Werkunternehmer haftet jedenfalls für Umstände, die er hätte erkennen können, braucht aber nicht von vorne herein davon ausgehen, dass der vor ihm tätig gewesene Unternehmer seine Pflichten verletzt hat.  Unternehmer haben jedenfalls die Pflicht, alles zu vermeiden, was das Gelingen des Gesamtwerkes vereiteln könnte.11 

Davon ist aber die Gesamtkoordination eines Bauprojektes durch den Bauherrn zu unterscheiden. Diese wird – wie sich vor allem immer wieder bei Großprojekten zeigt – nicht durch die vom ausführenden Werkunternehmern geschuldete Koordination des eigenen Fachbereiches ersetzt.

Autoren: Dr. Nikolaus Weselik (Rechtsanwalt für Bau- und Immobilienrecht und Partner bei CMS in Wien) und Maximilian Weselik LL.B. (WU) 


  Vgl. Wolfgang Hussian, Die Koordinations- und Kooperationspflichten der am Bau Beteiligten 185.
  Vgl. Krejci in Rummel, Kommentar zum ABGB (2000) § 1168 Rz. 33a.
  Stempkowski in Müller/Stempkowski, HB Claim-Management (2015) 195. 
  Karasek, ÖNORM B 2110 (2016) Rz 876ff. 
 Vgl. Wolfgang Hussian, Die Koordinations- und Kooperationspflichten der am Bau Beteiligten 187.
  Vgl. Wolfgang Hussian, Die Koordinations- und Kooperationspflichten der am Bau Beteiligten 189.
  OGH 12.3.1997, 6 Ob 2144/96d RdW 1997, 394; OGH 9.10.1997, 2 Ob 221/97g RdW 1998, 67 = ecolex 1998.
 OGH 26.1.2006, 8 Ob 42/05t ZIK 2006/158. 
  Vgl. Wolfgang Hussian, Die Koordinations- und Kooperationspflichten der am Bau Beteiligten 194.
  10 OGH 15.2.1990, 8 Ob 579/90 SZ 63/20 = ecolex 1990, 409; JBI 1990, 656 (Dullinger) = RdW 1990, 407. 
 11 OGH 13.7.1988, 3 Ob 526/88; OGH 30.11.1988, 1 Ob 705/88; OGH 15.2.1990, Ob 579/90; OGH 19.09.2013, 1 Ob 134/13g bauaktuell 2013, 220 = ZRB 2014, 84; OGH 17.9.2015, 1 Ob 52/15a = ecolex 2016, 42 = bbl 2016, 39 = EvBl 2016, 132 = ZRB 2016, 79 (Wenusch) = Frad, bauaktuell 2016, 170 (Rechtsprechungsübersicht). 

Hauptansprechpartner

Nikolaus Weselik