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Was wir aus dem Airbnb-Urteil des EuGH vom 19.12.2019 (C-390/18) lernen können – und was nicht

26/02/2020

In seinem Urteil C-390/18 vom 19.12.2019 hat der EuGH ausgesprochen, dass ein Vermittlungsdienst wie jener von Airbnb als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist. Er fällt somit unter die RL (EG) 2000/31 – die sogenannte E-Commerce-Richtlinie. Das Ausgangsverfahren war ein Strafverfahren gegen Airbnb in Frankreich. Der Vorwurf lautete, Airbnb verfüge nicht über den für die Vermittlung von Immobiliengeschäften notwendigen Gewerbeschein. Airbnb widersprach und argumentierte, als Dienst der Informationsgesellschaft i. S. d. E-Commerce-Richtlinie nicht unter die einschlägige strafrechtliche Rechtsnorm zu fallen.

Der EuGH schloss sich der Ansicht von Airbnb an und sprach aus: Das Vermittlungsgeschäft von Airbnb sei vom eigentlichen Vermietungsgeschäft trennbar. Die Dienstleistung von Airbnb sei in keiner Weise unverzichtbar für die beteiligten Parteien (Mieter und Vermieter) in keiner Weise unverzichtbar. Des Weiteren nimmt Airbnb nehme keinen Einfluss auf die Höhe der Mieten. Das Gericht stellte zudem fest, dass dies etwa beim Fahrdienstvermittler Uber, der den Fahrpreis selbst bestimmt, anders sei.

Die Bedeutung des Urteils sollte aber nicht überschätzt werden. Airbnb konnte im vorliegenden Fall bloß aus formalen Gründen einen kleinen Etappensieg erringen. Die E-Commerce-Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten durchaus, derartige Dienste der Informationsgesellschaft zu regulieren. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass die Kommission über Rechtsakte, welche Dienste der Informationsgesellschaft – wie im vorliegenden Fall – einer Regulierung unterwerfen, informiert wird. Dieser Verständigungspflicht kam Frankreich jedoch nicht nach, weshalb die betreffende strafrechtliche Norm auch nicht auf Airbnb angewendet werden durfte.

1.    Der Ausgangssachverhalt

Im Jahr 2017 erstattete ein französischer Tourismusverband Anzeige gegen Airbnb Irland. Der Vorwurf lautete, dass Airbnb in Frankreich ohne den erforderlichen Gewerbeausweis die Vermittlung und Verwaltung von Gebäuden bzw. Wohnungen betreibe. Der Verband behauptete vor allem, dass Airbnb sich nicht damit begnüge, eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei Parteien anzubahnen, sondern auch zusätzliche Dienstleistungen anbiete. Diese seien für eine vermittelnde Tätigkeit bei Immobiliengeschäften charakteristisch, weswegen Airbnb einen Gewerbeausweis benötige.
Der Gerichtshof stellte bezüglich der von Airbnb angebotenen Dienstleistungen fest, dass Airbnb nicht nur eine Geschäftsbeziehung zwischen Mietern und Vermietern anbahne, sondern auch folgende Nebendienstleistungen anbiete:
•    eine Vorlage zur Festlegung des Angebotsinhalts;
•    einen Fotodienst;
•    eine Haftpflichtversicherung;
•    eine Garantie zum Schutz gegen Vermögensschäden;
•    ein Tool zur Schätzung des Mietpreises für Vermieter;
•    ein Bewertungssystem;
•    einen Zahlungsdienst (dieser wird aber von einer britischen Konzerngesellschaft der Airbnb-Gruppe erbracht).

2.    Die Rechtslage im Überblick

Die E-Commerce-Richtlinie legt in Art 3 Abs 2 fest, dass die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von „Diensten der Informationsgesellschaft“ aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken dürfen, die in den sogenannten „koordinierten Bereich“ fallen.

Nach Art 2 lit a der E-Commerce-Richtlinie in Verbindung mit Art 1 Abs 1 lit b RL (EU) 2015/1535 umfasst der Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.

Unter einem koordinierten Bereich versteht man gemäß Art 2 lit h der E-Commerce-Richtlinie „die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind.“ Es geht also im Wesentlichen darum, ob eine Regulierung einer geschäftlichen bzw. gewerblichen Tätigkeit im Informationsdienstleistungssektor durch einen Mitgliedstaat zulässig ist.

Art 3 Abs 4 der E-Commerce-Richtlinie weicht vom Verbot der Beschränkung solcher Tätigkeiten ab und gibt den Mitgliedstaaten einen recht beachtlichen Regelungsspielraum: Sie können Maßnahmen in Abweichung von Abs 2 leg cit ergreifen, wenn sie dem Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit, oder dem Schutz von Verbrauchern und Anlegern dienen sowie verhältnismäßig sind und wenn der unregulierte Dienst der Informationsgesellschaft die bereits erwähnten Schutzziele beeinträchtigen würde. Darüber hinaus muss der jeweilige Mitgliedstaat den Sitzstaat des Dienstanbieters bereits erfolglos aufgefordert haben, Maßnahmen zur Erreichung der vorgenannten Schutzziele zu setzen. Auch die Kommission muss dabei über die beabsichtigten Regulierungsmaßnahmen informiert werden.

3.    Die Rechtsansicht des EuGHs

In einem ersten Schritt hat der EuGH die Vermittlungstätigkeit von Airbnb ohne große Umschweife als Dienst der Informationsgesellschaft eingestuft. Hierzu führt er die folgenden Gründe an:

•    Die Dienstleistung wird gegen Entgelt erbracht, weil Airbnb eine Vermittlungsgebühr einhebt;
•    Die Dienstleistung wird elektronisch im Fernabsatz erbracht, da die Anbahnung einer Geschäftsbeziehung zwischen einem Vermieter und einem Mieter ausschließlich über eine elektronische Plattform stattfindet. Weder der Anbieter des Vermittlungsdienstes noch der Mieter oder der Vermieter sind dabei gleichzeitig anwesend.
•    Die Dienstleistung wird stets auf individuellen Abruf ihrer Empfänger erbracht. Sowohl das Hochladen einer Anzeige durch den Vermieter als auch eine individuelle Anfrage des Mieters, der an dieser Anzeige interessiert ist, werden vorausgesetzt.

In einem zweiten Schritt stellt der EuGH diese Einstufung der Entscheidung C-434/15 gegenüber. In Letzterer ging es um eine Auseinandersetzung zwischen einem Berufsverband der Taxifahrer der Stadt Barcelona und Uber Spanien. Dabei sprach der EuGH aus: Der Vermittlungsdienst stellt eine Smartphone‑Applikation zur Verfügung, welche die Übermittlung von Informationen über eine Buchung von Verkehrsdienstleistungen ermöglicht. Genutzt wird sie von einem Passagier und einem nicht berufsmäßigen Fahrer, der die Beförderung mit seinem eigenen Fahrzeug durchführt. Dies bedeutet, dass grundsätzlich sämtliche Kriterien erfüllt werden, um auch Uber als „Dienstleistung der Informationsgesellschaft“ einzustufen.

Hinzu komme jedoch der Umstand, dass Uber im Rahmen seines Vermittlungsdienstes in Wahrheit selbst Angebote über Verkehrsdienstleistungen abgebe, welche über die Uber-App bereitgestellt und organisiert werden. Darüber hinaus würde ohne die Uber-App weder der Fahrer eine Verkehrsdienstleistungen erbringen noch der Fahrgast die Dienste dieses Fahrers in Anspruch nehmen können.

Darüber hinaus würde Uber einen entscheidenden Einfluss auf die Beförderungsbedingungen ausüben, nämlich 

•    die Festlegung des (Höchst-)Preises einer Fahrt;
•    die Einhebung und Überweisung des Fahrpreises;
•    die Auswahl des Fahrers;
•    die Qualitätskontrolle des Fahrzeuges;
•    die Qualitätskontrolle/den Ausschluss des Fahrers.

Aufgrund dieser Erwägungen sei die Dienstleistung von Uber als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung zu betrachten. Diese bestehe hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung, sei aber nicht als Dienst der Informationsgesellschaft anzusehen.

In einem dritten Schritt nennt der EuGH die Argumente, warum Airbnb – im Gegensatz zu Uber – sehr wohl als Dienst der Informationsgesellschaft einzustufen sei.

•    Zunächst sei der Vermittlungsdienst vom eigentlichen Vermietungsgeschäft trennbar, zumal er sich nicht nur auf die unmittelbare Realisierung einer Beherbergungsdienstleistung richte. Er stelle vielmehr eine strukturierte Liste von Unterkünften zur Verfügung und sei damit ein bloßes Instrument, das den Abschluss von Verträgen über künftige Geschäfte erleichtere.
•    Außerdem sei die Dienstleistung von Airbnb für die Erbringung von Beherbergungsdienstleistungen weder aus der Sicht der Mieter noch aus jener der Vermieter in irgendeiner Weise unverzichtbar. Beiden Seiten stünden auch andere, seit Langem verfügbare Kontaktwege – etwa Immobilienmakler, Kleinanzeigen oder Immobilienportale im Internet – offen.
•    Schließlich nehme Airbnb keinen Einfluss auf die Höhe der Mieten, die von den Vermietern verlangt werden. Airbnb stelle bloß ein optionales Tool zur Schätzung des durchschnittlichen über diese Plattform vereinbarten Mietpreises zur Verfügung. Schlussendlich treffe der Vermieter die Entscheidung über die Höhe der Miete ganz alleine.

4.    Die Auswirkungen des EuGH-Urteils für die elektronische Plattform-Industrie

In seinem Urteil C-390/18 baut der EuGH zunächst die im Uber-Urteil C-434/15 entwickelten Leitlinien für die Einordnung von Vermittlungsdiensten als Dienste der Informationsgesellschaft deutlich aus.

Eine übergeordnete Bedeutung kann dieser Erkenntnis, wonach Airbnb ein Dienst der Informationsgesellschaft sei, dennoch nicht beigemessen werden. Die RL (EG) 2000/31 erlaubt es den Mitgliedstaaten nämlich durchaus, Dienste der Informationsgesellschaft zu regulieren, wenngleich hierfür ein konkretes Verfahren einzuhalten ist. So muss eine Regulierungsmaßnahme einem der in der E-Commerce-Richtlinie genannten Schutzziele entsprechen (zB Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, Verbraucher- oder Anlegerschutz). Auch muss der Mitgliedstaat, in dem der Dienstleister seinen Sitz hat, erfolglos zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen aufgefordert worden sein.

Schließlich muss die Kommission über Rechtsakte, welche Dienste der Informationsgesellschaft – wie im vorliegenden Fall – regulieren, informiert werden. Diese Notifikation hatte Frankreich aber unterlassen, wodurch das betroffene Gesetz nicht auf Airbnb angewendet werden durfte. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang überdies ausdrücklich betont, dass dieser Grundsatz auch für Rechtsverhältnisse zwischen Privatpersonen anzuwenden sei.
 

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Klaus Pateter
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Wien
Martin Rainer