Home / Informationen / EuGH-Urteil: Facebook zur Löschung von Hasspostings...

EuGH-Urteil: Facebook zur Löschung von Hasspostings verpflichtet

16/10/2019

Ein rauer Umgangston ist in sozialen Medien häufig anzutreffen, nicht selten werden dabei Gesetze verletzt. Dies führt zu wachsenden Verpflichtungen für Betreiber sozialer Medien, wie der jüngst vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall Glawischnig gegen Facebook zeigt. Soziale Plattformen sind demnach zwar auch zukünftig nicht verpflichtet, Inhalte zu überwachen und aktiv nach Rechtsverletzungen zu suchen. Allerdings sieht das Urteil bei Beanstandungen eine weltweite Löschpflicht von Hasspostings vor, von der auch sinn- und wortgleiche Postings anderer Nutzer betroffen sind.

Soziale Medien sind heute für den Informationsaustausch im Internet nicht mehr wegzudenken. Doch auf Plattformen, bei denen der user-generated content im Vordergrund steht, stoßen Nutzer immer häufiger auf rassistische, sexistische oder gewaltverherrlichende Inhalte. Rechtliche Schritte können nicht nur gegen den Poster ergriffen werden. Zunehmend werden im Kampf gegen Hass im Netz auch Website-Betreiber selbst in die Pflicht genommen.

Glawischnig-Piesczek gegen Facebook: Erfolgreiche Klage vor dem EuGH

Der Europäische Gerichtshof hat sich jüngst in einer kontroversiell kommentierten Entscheidung mit der Frage beschäftigt, wie weit die Pflichten von Facebook, Youtube und Co reichen (Eva Glawischnig-Piesczek gegen Facebook Ireland Limited, EuGH 03.10.2019, C-18/18).
Im Ausgangsverfahren hatte das Handelsgericht Wien Facebook Ireland mittels einstweiliger Verfügung verboten, bestimmte diffamierende Kommentare über Eva Glawischnig-Piesczek zu veröffentlichen. Der Europäische Gerichtshof hatte sich aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs mit mehreren Fragen zu befassen:

  • Ob Facebook verpflichtet werden kann, derartige Kommentare weltweit zu löschen
  • Ob diese auch dann gelöscht werden müssen, wenn sie von anderen Nutzern gepostet werden
  • Ob diese sogar zu löschen sind, wenn es sich nicht um eine wortgenaue, sondern nur um eine sinngleiche Wiedergabe handelt

Der Europäische Gerichtshof hielt zunächst fest, dass Facebook als Plattformbetreiber keine Pflicht zur Überwachung von Postings und zur aktiven Nachforschung nach rechtswidrigen Inhalten trifft. Da sich Inhalte über soziale Netzwerke aber rasch verbreiten, kann einem Plattformbetreiber aufgetragen werden, wenn er von rechtswidrigen Inhalten Kenntnis erlangt, nicht nur Inhalte des betreffenden Nutzers zu entfernen, sondern auch von anderen Nutzern gespeicherte Inhalte - und zwar weltweit. Darüber hinaus sind auch sinngleiche Inhalte zu löschen. Der Europäische Gerichtshof betonte in diesem Zusammenhang, dass der Plattformbetreiber nicht verpflichtet ist, eine autonome Beurteilung des Inhaltes vorzunehmen, sondern auf automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung zurückgreifen kann.

EuGH-Urteil: Soziale Medien nun technisch und organisatorisch gefordert

Trotz dieser Einschränkung hat eine solche Verpflichtung für soziale Plattformen weitreichende Folgen. Denn diese werden künftig in entsprechende Software und Filtersysteme investieren müssen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Durch den Einsatz solcher Systeme kann es mitunter auch zur irrtümlichen Entfernung von Inhalten kommen, die nicht rechtswidrig sind, was von kritischen Stimmen als "Zensur im Netz" bezeichnet wird.

Auch gesetzgeberische Maßnahmen gegen Hass und Gewalt auf Internetplattformen werden diskutiert bzw. stehen an. So war in Österreich vor dem Zerfall der Regierung Thema, eine Registrierungspflicht für Nutzer sozialer Plattformen einzuführen. In Deutschland brachte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken) seit 01.01.2018 die Verpflichtung "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu entfernen oder zu sperren sowie ein wirksames Beschwerdeverfahren vorzusehen, sonst drohen Strafen in Millionenhöhe. Doch die Anbieter müssen nur auf eingegangene Beschwerden reagieren und nicht selbst tätig werden.
Im Zuge der Reform der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie, welche noch in nationales Recht umgesetzt werden muss, werden Anbieter von Videoplattformen verpflichtet, "geeignete Maßnahmen" zu treffen, um die Öffentlichkeit vor Inhalten, die zu Gewalt und Hass aufstacheln, zu schützen. Eine Verpflichtung zur Vorab-Filterung von Inhalten enthält die Richtlinie nicht. Vielmehr müssen Mechanismen implementiert werden, die sicherstellen sollen, dass die Nutzer rechtswidrige Inhalte melden und kennzeichnen können. Zu den Videoplattformen zählen nicht nur Angebote wie Youtube, sondern auch soziale Plattformen, wie Facebook, wenn die Bereitstellung von audiovisuellen Inhalten eine wesentliche Funktion des Dienstes darstellt.

Mehr Verpflichtungen, weniger Hasspostings?

Ob diese Entwicklungen zu weniger Hasspostings führen werden, bleibt abzuwarten. Allerdings lassen die legistischen Maßnahmen und Vorhaben sowie die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs einen Trend erkennen: Betreiber sozialer Plattformen werden in Zukunft mit zunehmenden Verpflichtungen rechnen müssen. Die Schaffung funktionierender Meldesysteme und die rasche Reaktion auf Beschwerden wird vor allem im Hinblick auf die drohenden Sanktionen essentiell sein. 

Autoren

Foto vonGabriela Staber
Gabriela Staber
Partnerin
Wien