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Neuartige Prophylaxe gegen Produktpiraterie

27/06/2019

Aktuellen Studien zufolge beeinträchtigt die Produktpiraterie den internationalen Handel immer mehr. Dabei gehen Produktpiraten äußerst professionell vor. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und entsprechend vorzubeugen, bedarf es der Etablierung von Anti-Fälschungs-Maßnahmen auf Basis modernster Technologien: von Unique Identifier über verschiedene Smart Labels bis hin zu Hologrammen und Mikro Marker.

Das EUIPO hat in Zusammenarbeit mit der OECD den weltweiten Handel mit gefälschten Waren umfassend untersucht und dazu eine brandaktuelle Studie veröffentlicht.[1] Die Studie „Trends in Trade in Counterfeit and Pirated Goods“ zeigt anhand von schockierenden Zahlen, welch bedeutende Rolle Produktpiraterie im Welthandel spielt:

Der internationale Handel von nachgeahmten und unerlaubt hergestellten Waren belief sich im Jahr 2016 auf rund 460 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anteil am Welthandel von rund 3,3 %. Am stärksten von Produktpiraterie betroffen sind jene Unternehmen, die in den OECD Ländern angesiedelt sind. Auch ein Blick auf die Daten zur EU zeigt, dass sich die Einfuhren von nachgeahmten und unerlaubt hergestellten Waren auf etwa EUR 121 Milliarden Euro belaufen. Dies entspricht einem Anteil an den EU-Einfuhren von 6,8%.

Wenn es um die Fälschung von Waren geht, dann bleibt keine Warenkategorie verschont. Je nach Branche stellte das österreichische Bundesministerium für Finanzen 2017 Umsatzeinbußen von 1,6 bis zu 17,9 % fest.

Abbildung 1: Wirtschaftliche Kosten der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums in Österreich 2017[2]

 

Die Gefahr des Arzneimittelsektors

Ein besonders gefährlicher Trend zeichnet sich im Arzneimittelsektor ab. Noch nie wurden vom österreichischen Zoll so viele gefälschte Medikamente aufgegriffen. Die österreichischen Zollbehörden haben bei 1.018 Aufgriffen insgesamt 54.895 Medikamentenplagiate beschlagnahmt. Dabei sind die negativen Folgen bei Arzneimittelfälschungen am deutlichsten, da sich diese unmittelbar auf die Gesundheit der Konsumenten auswirken.

Die EU hat das Problem der Produktpiraterie im Arzneimittelsektor erkannt und daher die Falsified Medicines Directive 2011/62/EU sowie die dazugehörige Delegated Regulation 2016/161/EU erlassen. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, verpflichtende Sicherheitsmerkmale sowie individuelle Erkennungsmerkmale zur Überprüfung der Echtheit der Arzneimittel einzuführen.

Dabei ist ein Unique Identifier verpflichtend, der aus einer Folge numerischer oder alphanumerischer Zeichen sowie einem zweidimensionalen Barcode besteht. Weiters bedarf es fortan eines Anti-Tampering-Device, um prüfen zu können, ob die Verpackung manipuliert wurde. End-to-End Überprüfungssysteme sollen entlang der Lieferkette die Echtheit der Arzneimittel gewährleisten und eine Rückverfolgung ermöglichen.

 

Produktfälschern das Leben schwer machen...

Unabhängig vom Arzneimittelsektor bestehen weitere Maßnahmen, die Rechteinhaber ergreifen können, um Produktfälschungen zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

 

Smart Labels

Smart Label ist ein Oberbegriff für sämtliche Methoden, bei denen Informationen über den Hersteller des Produkts durch Scannen des Etiketts erhalten werden. Die bekannteste und günstigste Methode ist die Verwendung von QR-Codes: QR-Code-Etiketten verwenden eine eindeutige Identifikationsnummer (UID), die die Rückverfolgung eines Produkts durch Scannen des am Produkt befestigten QR-Codes ermöglicht.

NFC-Chips („near field communication“) und RFID Chips („radio-frequency identification“) werden ähnlich wie QR-Codes verwendet. NFC basiert auf kontaktlosen Verbindungstechniken, ein Beispiel dafür sind die kontaktlosen Bezahlfunktionen von Bankomatkarten. RFID Chips hingegen werden mit Funkwellen gelesen. RFID und NFC-Chips erweisen sich als eine effektive, zeitsparende Gegenmaßnahme zur Produktpiraterie, so setzen US-amerikanische Zollbehörden bereits RFID-Chips für die vollautomatisierte Einfuhrkontrolle ein.

Durch DNA-Tags werden DNA-Moleküle auf ein Produkt angebracht und Mikropartikel zum Schutz der DNA-Moleküle verwendet. DNA-Tags können „gelesen“ werden, indem eine Probe aus dem Produkt entnommen und mit dem DNA-Primer, einer Grundsubstanz für die DNA-Replikation, gekoppelt wird. Bei der Verwendung von DNA-Tags handelt es sich um eine aufwendige Methode zum Schutz vor Produktfälschungen. Allerdings bringt diese den Vorteil doppelt eingesetzt zu werden, denn sie kann einerseits am Produkt selbst, andererseits auch auf dessen Verpackung angebracht werden.

Optically Variable Devices

Unter „Optically Variable Devices“ (OVD) sind Hologramme zu verstehen. Ein Produkt kann mit einem Hologramm identifiziert werden, welches zuvor am Produkt befestigt wurde. Zur zusätzlichen Sicherheit werden Hologramme oftmals mit anderen Anti-Fälschungsmethoden wie Smart Labels kombiniert. Noch raffinierter sind sogenannte Mikro-Hologramme mit extrem hoher Auflösung, die aufgrund des aufwendigen Herstellungsverfahrens nur schwer nachgeahmt werden können. Der Vorteil von Hologrammen ist, dass diese vom Endabnehmer auch als Gütesiegel wahrgenommen werden können, somit kann auf diese Weise zusätzlich Vertrauen geschaffen werden.

 

Mikro Marker und Sicherheitsfarben

Bei der Verwendung von Mikro Marker werden einem Produkt wie beispielsweise Stahl, Glas oder Kunststoff chemische Stoffe als Partikel beigemischt, um die Identifizierung zu ermöglichen. Mikro Marker können nur schwer nachgeahmt werden, da dazu die Rezeptur und die Prozessparameter des chemischen Codes benötigt werden. Außerdem bedarf es zur Identifizierung der Marker ganz spezieller Lesegeräte.

Eine einfache Methode gegen Produktfälschungen ist die Verwendung von farbverschiebenden Sicherheitsfarben und -folien. Diese können bei Sicherheitssiegeln verwendet werden, welche beim erstmaligen Öffnen der Verpackung die Farbe wechseln oder irreversibel zerstört werden. Die entsprechenden Siegel erwecken beim Endabnehmer mehr Vertrauen auf Echtheit und Qualität.

Die Maßnahmen gegen Produktfälschungen können je nach Branche variieren. Es bedarf stets einer Vorab-Kosten–Nutzen-Analyse der jeweiligen prophylaktischen Maßnahme, um die ideale Methode zu identifizieren. Bei der großen Bandbreite an vorbeugenden Mitteln steht jedoch eines fest: Keinesfalls sollten Rechteinhaber gänzlich auf vorbeugende Maßnahmen verzichten, da der Schaden, der mit der fehlenden Prophylaxe riskiert wird, viel zu groß ist.

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[1]EUIPO/OECD, Trends in Trade in Counterfeit and Pirated Goods (2019), https://euip.europa.eu  

[2]Bundesministerium für Finanzen, Produktpirateriebericht (Wien, 2017), https://www.bmf.gv.at/zoll/produktpiraterie/PP-Bericht_2017.pdf

Autoren

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Jia Schulz-Cao
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