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EU-Beihilferecht: Neues zum Privatinvestortest – Risiko für begünstigte Unternehmen

17/12/2018

Unrechtmäßig gewährte Beihilfen, wie beispielsweise Finanzierungen, können für begünstigte Unternehmen ein erhebliches Risiko darstellen. Wenn sich die öffentliche Hand an einem Unternehmen beteiligen will, so muss sie grundsätzlich wie ein privater Investor handeln. Ein solcher würde nur auf Basis belastbarer Informationen und unter Annahme einer zumindest langfristig zu erwartenden Rentabilität investieren. Weicht die öffentliche Hand von diesem Verhalten ab bzw. notifiziert sie die Finanzierung auch nicht im Vorfeld als Beihilfe an die EU-Kommission, besteht das Risiko, dass das begünstigte Unternehmen die gewährten Mittel zurückbezahlen muss. Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichts („EuG“) beleuchtet wesentliche Aspekte des Privatinvestortests.

Sachverhalt

Die Duferco Gruppe („Duferco“) produziert und verkauft Stahl in zahlreichen Ländern. Duferco geriet in finanzielle Schwierigkeiten, woraufhin ein von der wallonischen Region gegründetes Unternehmen in mehrere Gesellschaften von Duferco investierte. Diese Investitionen wurden durch mehrere Artikel einer belgischen Zeitung publik. Daraufhin untersuchte die EU-Kommission, ob diese Transaktionen gegen das EU-Beihilferecht verstoßen hatten. Im Jahr 2016 die Kommission gelangte die Kommission zur Ansicht, dass die Finanzierungen (zB Kapitalerhöhungen) unzulässige Beihilfen darstellen und daher von Belgien zurückzufordern sind. Diese Entscheidung wurde von Duferco insbesondere mit dem Argument bekämpft, dass sich die wallonische Gesellschaft wie Privatinvestor verhalten habe. Nunmehr hat das EuG entschieden und erblickte – wie die Kommission – einen Beihilferechtsverstoß.

2. Das Urteil
2.1 Formale Anwendung des Privatinvestortests

Duferco hatte argumentiert, dass der Kommission bei der Anwendung des Privatinvestortests Fehler unterlaufen seien. Diesem Argument ist das EuG nicht gefolgt. Es hat ausgesprochen, dass die Kommission – zu Recht – den Test auf Basis der von Duferco übermittelten Unterlagen, die die wirtschaftliche Nachvollziehbarkeit belegen sollten, durchgeführt hat. Die Anwendung einer weiteren Methode ist nach Ansicht des EuG nicht erforderlich.

Daraus folgt, dass der Privatinvestortest schon wegen schlechter Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen scheitern kann, selbst wenn die inhaltlichen Erfordernisse gegeben wären.

2.2 Hat die Gesellschaft wie ein Privatinvestor gehandelt?

Duferco hatte argumentiert, dass sich die Gesellschaft der wallonischen Region wie ein privater Investor verhalten habe. Das EuG hat diese Frage jedoch gegenteilig beantwortet: Erstens wurden der investierenden Gesellschaft nur Unterlagen vorgelegt, die für einen privaten Investor keinesfalls ausreichend gewesen wären, um in das Unternehmen zu investieren. Es wurden nämlich insbesondere folgende wenig aussagekräftige Dokumente vorgelegt:

  • Eine einseitige, undatierte Tabelle, die Dufercos Business Plan darstellen sollte und nicht einmal Grundlagen beinhaltete, auf deren Basis die Zahlen ermittelt worden waren;
  • eine gutachterliche Stellungnahme, die lediglich eine Schätzung von beweglichen Vermögenswerten umfasste und ohne technische Prüfung erstellt worden war;
  • eine zweite gutachterliche Stellungnahme, die ohne Prüfung der Konten oder der Gesellschaft selbst erstellt worden war;
  • einen undatierten internen Investitionsplan über hypothetische zukünftige Investmentprojekte.

Zudem hat es Duferco verabsäumt, Argumente vorzutragen, die belegen, dass auch ein privater Investor in dieser Form investiert hätte.

3. Was bedeutet die Entscheidung für Unternehmen und die öffentliche Hand?

  • Wenn die öffentliche Hand als Investor am freien Markt investieren will, so muss sie (oftmals) den Privatinvestortest durchführen. Dabei ist im Wesentlichen die wirtschaftliche Rentabilität der Investition zu prüfen. Ein privater Investor würde bei seiner Beurteilung nur den (zumindest langfristig zu erwartenden) Gewinn und Verpflichtungen, die aus der Gesellschaftereigenschaft resultieren, berücksichtigten.
  • Wenn ein Investment nicht einmal langfristig rentabel ist, liegt grundsätzlich eine Beihilfe vor.
  • Der Privatinvestortest muss jedenfalls vor Fällung der Investmententscheidung durchgeführt werden. Kenntnis des betroffenen Sektors reicht nicht aus.
  • Die der Investitionsentscheidung zugrundeliegenden Informationen müssen belastbar sein und es muss die künftige Rentabilität auf der Einschätzung von (unabhängigen) Experten beruhen. Die diesbezügliche Analyse muss tiefgehend sein, sodass eine Feststellung des Status quo nicht ausreichend ist.
  • Die Kommission kann zum Ergebnis gelangen, dass die Anforderungen des Privatinvestortests nicht erfüllt sind, wenn die Entscheidungsgrundlagen nicht ausreichend dokumentiert sind bzw. ein privater Investor weitere Unterlagen für eine Investitionsentscheidung angefordert hätte. Die Dokumentation ist daher von entscheidender Bedeutung.
  • Zwar muss die Kommission von Amts wegen prüfen, ob der Privatinvestortest anwendbar ist, auch wenn der Mitgliedstaat dies nicht explizit vorbringt. Die Beweislast für die Erfüllung der inhaltlichen Voraussetzungen liegt jedoch beim jeweiligen Mitgliedstaat.

Autoren

Foto vonMarlene Wimmer-Nistelberger
Marlene Wimmer-Nistelberger
Partnerin
Wien