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Aus Rahmenvereinbarungen kann nur bis zur ausgeschriebenen Höchstmenge beschafft werden

Update Real Estate & Public 09/2019

September 2019

Hintergrund

Der EuGH setzte sich in dem Urteil vom 19.12.2018 (C-216/17) mit Auslegungsfragen zur alten Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG in Bezug auf Rahmenvereinbarungen auseinander. Unter anderem ging es um die Reichweite des Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie, der Rahmenvereinbarungen wie folgt definiert:

„Eine ‚Rahmenvereinbarung‘ ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.“

Die seit der Vergaberechtsreform 2016 geltende neue Richtlinie 2014/24/EU über die Vergabe öffentlicher Aufträge sieht in Art. 33 Abs. 1 Unterabsatz 2 eine nahezu entsprechende Regelung vor.

Gegenstand des Urteils war eine bereits zwischen einer italienischen Gesundheitseinrichtung und einer Bietergemeinschaft von Unternehmen abgeschlossene Rahmenvereinbarung über Reinigungs- und Abfallentsorgungsdienstleistungen. Ein Wettbewerber der Bietergemeinschaft sowie die italienische Wettbewerbsbehörde wandten sich dagegen, dass eine weitere regionale Gesundheitseinrichtung beabsichtigte, der Rahmenvereinbarung als Auftraggeber beizutreten.

Das zuständige Gericht, der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien), legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor. Mit der zweiten Vorlagefrage wollte das Gericht wissen, ob in einer Rahmenvereinbarung ausdrücklich und von Anfang an die Höchstmenge der abrufbaren Leistungen genannt sein muss.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied in Bezug auf die Vorlagefrage, dass trotz des Adverbs „gegebenenfalls“ in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG (s. o.) die Mengenangabe der Leistungen in der Rahmenvereinbarung nicht nur fakultativ sei. Der EuGH gibt vor, dass in Rahmenvereinbarungen von Beginn an die Höchstmenge der Leistungen, die Gegenstand der Einzelabrufe sein können, sowie der Gesamtbetrag der Leistungen ausdrücklich bestimmt sein müssen. Entsprechend können sich Auftraggeber nur bis zu der angegebenen Gesamtmenge verpflichten. Die Rahmenvereinbarung verliere ihre Wirkung, wenn diese Menge erreicht ist. Die alleinige Bezugnahme auf den „normalen Bedarf“ des Auftraggebers sei nicht ausreichend, da Bieter aus anderen Mitgliedsstaaten mit den nationalen Gegebenheiten nicht gleichermaßen vertraut sind. Der EuGH begründet seine Auffassung u. a. mit dem Verweis auf die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung. Durch die Angabe der Höchstmenge in der Rahmenvereinbarung soll verhindert werden, dass Rahmenvereinbarungen missbräuchlich verwendet werden und der Wettbewerb beschränkt wird.

Praxistipp

Das Urteil dürfte auch auf die aktuelle Richtlinie 2014/24/EU übertragbar sein. Der EuGH schränkt mit seiner neuen Rechtsprechung die Flexibilität von Rahmenvereinbarungen erheblich ein. Die nationale Vorgabe in § 21 Abs. 1 S. 2 VgV „Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden“ muss zukünftig im Lichte der neuen EuGH-Rechtsprechung eng ausgelegt werden. Auftraggebern ist demnach zu empfehlen, die Höchstmenge der benötigten Leistung vorab festzulegen und in der Rahmenvereinbarung anzugeben. Demgegenüber haben Bieter fehlende Höchstmengenangaben als Vergaberechtsverstoß zu rügen. Im Grundsatz verlieren Rahmenvereinbarungen nunmehr ihre Wirkung, wenn die festgelegte Höchstmenge erreicht ist. Mengenüberschreitungen können allenfalls noch anhand von § 132 GWB zulässig sein, wonach Vertragsänderungen bzw. -anpassungen während der Vertragslaufzeit unter bestimmten Voraussetzungen – auch ohne Neuausschreibung – zulässig sind.

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Autoren

Dr. Rajiv Chandna