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Staatliche Schließungsmaßnahmen als Fall der Störung der Geschäftsgrundlage im Gewerbemietrecht

17/12/2020

In der heutigen Sitzung des Bundestages wurde in Art. 240 EGBGB unter § 7 für gewerbliche Mietverhältnisse die folgende gesetzliche Regelung aufgenommen: Ist die Mietsache infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass hierdurch eine schwerwiegende nachträgliche Veränderung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Absatz 1 BGB eingetreten ist. Gleiches gilt für Pachtverhältnisse. Das Gesetz soll unmittelbar nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Es scheint dem Gesetzgeber hier im Anschluss an die Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 13. Dezember 2020 darum zu gehen, die Verhandlungen zwischen den Parteien gewerblicher Miet- und Pachtverträge zu erleichtern.

Die Neuregelung wirft jedoch im Wesentlichen nur Fragen auf und dürfte nicht geeignet sein, die Verhandlungen zu erleichtern.

Eine Anpassung der Miete mit Verweis auf § 313 BGB erfordert nämlich neben der erheblichen nachträglichen Veränderung der Geschäftsgrundlage auch, dass diese für die Parteien unvorhersehbar war, dass die Parteien bei ihrer Kenntnis den Vertrag so nicht geschlossen hätten und dass – in diesem Fall – dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die Gesetzesänderung regelt damit nur eine von vier Voraussetzungen und diese auch nur im Sinne einer (widerleglichen) Vermutung.

Schon bisher bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass die staatlichen Schließungsmaßnahmen eine erhebliche nachträgliche Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen und jedenfalls die erste „Corona-Welle“ auch unvorhersehbar war. Gleichwohl hat die Mehrheit der Landgerichte einen Anspruch auf Mietanpassung infolge einer Störung der Geschäftsgrundlage abgelehnt, weil sie es unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung nicht für unzumutbar befand, den Mieter an dem unveränderten Vertrag festzuhalten. Das Verwendungsrisiko, d. h. das Risiko, mit der Mietsache Gewinne zu erwirtschaften, wird nämlich bei dem Mieter verortet, so dass eine Anpassung der Miete nur in absoluten Ausnahmefällen zugestanden wird. Hierbei handelt es sich naturgemäß um Einzelfallentscheidungen, bei denen alle Besonderheiten des konkreten Falls zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es insbesondere darauf an, in welchem Umfang der Mieter die Mietsache gleichwohl nutzen kann, etwa für Lagerung, die Abfertigung von Online-Bestellungen oder sonstigen Außer-Haus-Lieferungen. Zudem ist die Dauer der staatlichen Beschränkung in das Verhältnis zur Mietzeit zu setzen. Langfristige Gewerbemietverträge laufen häufig fünf oder zehn Jahre, teilweise sogar noch länger. Eine vorübergehende Beschränkung der Nutzbarkeit von ein oder zwei Monaten wurde von den Gerichten daher als noch vertretbar erachtet. Weiterhin ist auf die wirtschaftliche Lage des Mieters und darauf abzustellen, ob die Mieter staatliche Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. Kurzarbeit oder Hilfskredite, in Anspruch nehmen konnten, die die Folgen der pandemiebedingten Schließung milderten. Häufig konnte von den Gerichten in der Gesamtbetrachtung daher keine existentielle Notlage des Mieters festgestellt werden, die eine Vertragsanpassung gerechtfertigt hätte.

Es bleibt daher abzuwarten, ob die Gerichte bei ihrer bisherigen Linie bleiben oder der Intention des Gesetzgebers stärker Geltung verschaffen, indem sie großzügiger als bisher eine Mietanpassung bewerten.

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Philipp Schönnenbeck, LL.M.
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