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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist kein Elfmeter ohne Torwart

24/04/2020

I.    Aussetzung Insolvenzantragspflicht bis 30. September 2020

Anlässlich der Folgen der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber rückwirkend zum 1. März 2020 Unternehmen von der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 a InsO befreit (§ 1 COVInsAG). 

Diese Befreiung gilt insbesondere für Unternehmen, die nicht mehr in der Lage sind, ihre fälligen Verbindlichkeiten rechtzeitig zu bezahlen, und die damit zahlungsunfähig sind. Von der Befreiung sind jedoch nur solche Unternehmen begünstigt, 

  • deren Zahlungsunfähigkeit auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist und 
  • bei denen aufgrund von Finanzierungs- und Sanierungsbemühungen die realistische Aussicht besteht, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt werden kann. 

War das Unternehmen bereits am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig, greift die Befreiung nicht. Der Vorstand bzw. die Geschäftsführer sollten – ggf. unter Hinzuziehung eines Expertenrates – dokumentieren, dass die Zahlungsunfähigkeit an diesem Tag nicht bestand.

II.    Zulässigkeit von Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang 

Der Gesetzgeber hat in § 2 COVInsAG zum Schutz der Geschäftsführer / Vorstände die Zulässigkeit von Zahlungen geregelt. Danach sind Zahlungen, die die Unternehmensführer in der Corona-Krise veranlassen, zulässig, wenn sie

  • mit dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Unternehmens verbunden sind und
  • der Fortführung / Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs dienen. 

Solche zulässigen „betriebsnotwendigen Zahlungen“ können nicht zu einer späteren Haftung der Unternehmensführer führen. Für außergewöhnliche Zahlungen, die nicht betriebsnotwendig sind, haften die Unternehmensführer in einer späteren Insolvenz unter Umständen weiterhin persönlich mit ihrem Privatvermögen.

Bei der Abgrenzung zwischen „betriebsnotwendigen Zahlungen“ und außergewöhnlichen Zahlungen kann folgende Faustregel zu Grunde gelegt werden: Alles, was der Aufrechterhaltung des Geschäfts- und Spielbetriebes dient und notwendig ist, kann in Anspruch genommen werden und ist zu bezahlen. Alles, was darüber hinausgeht, ist kritisch zu hinterfragen und im Einzelfall zu beurteilen. Dies betrifft insbesondere Transfers: Ist der Transfer erforderlich oder gibt es Alternativen? Sind die Ablösesumme und das vereinbarte Gehalt angemessen? Sind die Transfernebenkosten angemessen?

III.    Überwachung der Liquiditätsplanung / Liquiditätssteuerung und Dokumentation

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Vorstände / Geschäftsführer durch die Gesetzesänderungen keinen Haftungsrisiken mehr ausgesetzt sind. Dies ist jedoch nicht der Fall! Die Unternehmensführer müssen sich zur Vermeidung einer persönlichen Haftung und einer Strafbarkeit fortlaufend und umfassend mit den wirtschaftlichen Verhältnissen, der Liquidität und den Geschäftsaussichten des Unternehmens befassen. Es ist insbesondere zu prüfen und entsprechend zu dokumentieren, ob kein Insolvenzgrund vorliegt und die Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, um eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu beseitigen. Es ist sicherzustellen, dass die bestellten und in Anspruch genommenen Leistungen bezahlt werden können. Diese besonderen Pflichten sind neben dem Tagesgeschäft zu erfüllen und stellen teilweise „Neuland“ dar. Deshalb ist zur Vermeidung einer persönlichen Haftung gegebenenfalls Expertenrat hinzuzuziehen.

IV.    Checkliste

Zur Sicherung des Unternehmens und zur Vermeidung einer persönlichen Haftung sind folgende (Vorsichts-)Maßnahmen durch den Vorstand / die Geschäftsführung zu ergreifen und laufend zu überwachen:

  • laufende Überwachung der Liquiditätssituation und der voraussichtlichen Liquiditätsentwicklung des Unternehmens,
  • fortlaufende Anpassung der (zukunftsbezogenen) Liquiditätsplanung des Unternehmens an die veränderten Umstände, 
  • Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität (Aussetzung Mietzahlungen; Stundung Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge, Beantragung Kurzarbeit etc.),
  • Prüfung, ob und welche Drittfinanzierungen in Betracht kommen; ggf. „staatliche Hilfe“ über KfW-Darlehen, und
  • laufende Dokumentation der ergriffenen (Finanzierungs- bzw. Sanierungs-) Maßnahmen.

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Joachim Kühne
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Frankfurt