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Bedeutung der jüngsten wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung in der Schweiz für Distributionsverträge im CEE

Update CEE German Desk Lebensmittelbranche - Schweiz

September 2018

Das Schweizerische Bundesgericht hat im Frühjahr 2017 im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Elmex-Mund- und -Zahnpflegeprodukten ein Urteil publiziert, das unter anderem zu einer Verschärfung der kartellrechtlichen Schweizer Praxis bezüglich Abreden im Rahmen von Distributionsverträgen führt.

Aufgrund dieser neuen Praxis sind die in Distributionsverträgen enthaltenen Preis- und Gebietsabreden grundsätzlich unabhängig davon unzulässig, ob sie tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben. Die im Schweizer Kartellgesetz („KG“) in Art. 5 Abs. 1 KG vorgesehene Voraussetzung der „Erheblichkeit“ der Wettbewerbsbeschränkung wird vom Bundesgericht als reine „Bagatellschwelle“ ausgelegt. Zudem, und für internationale Distributionsverträge besonders relevant, fallen Auslandssachverhalte auch dann in den räumlichen Anwendungsbereich der Schweizer Kartellgesetzgebung, wenn sie zwar keinen Bezug zur Schweiz aufweisen, sich aber potentiell auf die Schweiz auswirken könnten, unabhängig von der Intensität dieser Auswirkung. Im Ergebnis bedeutet dies, dass unter anderem sämtliche ausdrücklichen und faktischen Exportverbote in die Schweiz wettbewerbsrechtlich unzulässig sind, selbst dann, wenn nicht explizit auf die Schweiz Bezug genommen wird.

Gemäß Art. 3 Abs. 2 KG fallen Wettbewerbsbeschränkungen, die sich ausschließlich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben, nicht unter das Kartellgesetz. Allerdings erschöpfen unter Schweizer Recht die im Zusammenhang mit Lebensmitteln relevanten Marken- und Designrechte international. Demzufolge kann der Inhaber von marken- und/oder designrechtlich geschützten Produkten gestützt auf diese Rechte nicht gegen den Import der Produkte durch Dritte in die Schweiz vorgehen, falls die Produkte zuvor mit seiner Zustimmung irgendwo in der Welt in Vertrieb gesetzt wurden. Der Rechteinhaber kann somit allfällige Lieferbeschränkungen bereits in Vertrieb gesetzter Produkte in die Schweiz in keinem Fall mit seinen Marken- und Designrechten rechtfertigen. Anders in der Europäischen Union: Dort gilt die gemeinschaftsweite Erschöpfung, d. h., der Rechteinhaber kann sich unter Umständen gestützt auf seine Marken- und Designrechte gegen den Import seiner Lebensmittel in die EU von außerhalb der EU wehren.

Anzumerken ist zudem, dass Art. 3 Abs. 2 KG ausdrücklich den Vorbehalt der Gesetzgebung über das geistige Eigentum insofern wieder einschränkt, als dass „Einfuhrbeschränkungen, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen“ trotz grundsätzlichen Vorbehalts in den Anwendungsbereich des KG fallen. Die jüngste Rechtsprechung könnte so interpretiert werden, dass auch Lieferbeschränkungen für bisher nicht in Vertrieb gesetzte Produkte kartellrechtlich unzulässig sind.

Wollen sich somit unter anderem Hersteller von Verbrauchsgütern nicht dem Risiko erheblicher Geldbußen in der Schweiz aussetzen, sind bei der Ausarbeitung von Distributionsverträgen mit Dritthändlern, die sich bloß möglicherweise auf die Schweiz auswirken könnten, die folgenden Punkte zu beachten:

  • Verzicht auf ausdrückliche oder faktische absolute Exportverbote in die Schweiz. Das heißt, Lieferungen an Kunden in die Schweiz, die unaufgefordert Waren bestellen (sog. passive Verkäufe), müssen zulässig sein, auch wenn die Schweiz außerhalb des eigenen Vertragsgebietes liegt. Hier ist insbesondere zu beachten, dass die Schweiz nicht Mitglied des EWR ist und eine Lieferbeschränkung auf den EWR einem Exportverbot in die Schweiz gleichkommt;
  • Verzicht auf Abreden über Mindest- und Festpreise für den Weiterverkauf;
  • Verzicht auf die Angabe von Preisempfehlungen für den Weiterverkauf, es sei denn, es hat eine spezifische wettbewerbsrechtliche Prüfung stattgefunden.

In Verträgen mit Lizenznehmern sollte zudem darauf verzichtet werden, zusätzlich Lieferbeschränkungen, die sich aus dem Immaterialgüterrecht ergeben (d. h. aus einer auf ein bestimmtes Territorium beschränkten Lizenz), in den Vertrag aufzunehmen.

Allgemein ist zu empfehlen, bei der Ausarbeitung von Distributions- und Lizenzverträgen (einschließlich gemischter Verträge) stets auch abzuklären, ob sich diese zumindest potentiell auf die Schweiz auswirken, und gegebenenfalls, ob sie in der Schweiz unzulässige Wettbewerbsabreden enthalten. Bei Unsicherheit ist ein Schweizer Kartellrechtsspezialist beizuziehen. Wie die jüngste Praxis der Wettbewerbsbehörde zeigt, kann ein Mangel an Sorgfalt in diesem Punkt zu Strafen in Millionenhöhe führen.

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Autoren

Foto vonMarquard Christen
Marquard Christen, LL.M., MAS
Partner
Zürich
Foto vonSimone Brauchbar Birkhäuser, LL.M.
Dr. Simone Brauchbar Birkhäuser, LL.M.
Partnerin
Zürich