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Farbauffrischung – die neuen FIDIC-Musterverträge

Dezember 2017

Die Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils (FIDIC) hat am 5. Dezember 2017 auf ihrer Users' Conference in London ihre neuen Musterverträge vorgestellt. Nach 18 Jahren wurden die wichtigsten Muster, nämlich das Yellow, Red und Silver Book, komplett überarbeitet. Alle drei Musterverträge sind deutlich ausführlicher als ihre Vorgänger. Der Text der General Conditions ist jeweils etwa um die Hälfte länger als bisher.

Nach FIDIC ist "the core aim of the 2017 updates increased clarity and certainty to reduce the risk of disagreements regarding the interpretation of contract terms". Die Herausgeber legten besonderen Wert auf noch bessere Verständlichkeit des Textes. Viele der ausführlichen Vorschriften erhalten nun Zwischenüberschriften. Ferner enthalten die Musterverträge eine Vielzahl neuer Definitionen (88 definierte Begriffe).

Laut FIDIC war ein weiteres Ziel der Überarbeitung eine noch stärkere "fair and balanced risk allocation". Dazu wurden z.B. in der neuen Sub-clause 20 für beide Parteien gleiche Fristen und Ausschlussfristen im sog. claims process vorgesehen. Neben der bisherigen 28-Tages-Frist für die Anmeldung von Ansprüchen (claims) gibt es nun eine 84-Tages-Frist (statt der bisherigen 42 Tage) für die Begründung von Ansprüchen einschließlich der Nennung der Rechtsgrundlage. Die 28-Tages-Frist für die Anmeldung von Ansprüchen ist wie bisher eine strikte Ausschlussfrist (time bar). Gleiches gilt nun aber auch für die 84-Tages-Frist zur Begründung von Ansprüchen.

Neu sind eine Reihe sog. deeming provisions. Für den Fall, dass eine der Parteien vertraglich vorgesehene Handlungen nicht fristgemäß vornimmt, tritt im Wege der unwiderlegbaren Vermutung eine entsprechende Rechtsfolge ein. Beispielsweise wird in Sub-clause 3.7.3 der General Conditions des Red Book für den Fall, dass der engineer über einen Anspruch nicht entscheidet, unterstellt, dass er den Anspruch abgelehnt hat.

Erwähnenswert ist auch die Neufassung der Regelungen zur Dispute Adjudication. Den Streiterledigungsregelungen (Dispute and Arbitration) ist nun eine separate Vorschrift, Sub-clause 21, gewidmet. Die bisherigen Dispute Adjudication Boards (DAB) werden nun als Dispute Avoidance/Adjudication Board (DAAB) bezeichnet. Diese sind sog. Standing Boards, d.h. die Adjudikatoren sollen bereits bei Vertragsschluss bestimmt werden und während der gesamten Bauzeit auf Abruf zur Verfügung stehen. In Sub-clause 21.3 wird zur Streitvermeidung (avoidance of disputes) festgelegt, dass eine Partei das DAAB anrufen kann, um bei einer Diskussion über Ansprüche zu unterstützen, was bewusst als sehr informelles Verfahren ausgestaltet ist. Daneben gibt es das bisherige Adjudikationsverfahren, das mit einer vorläufig bindenden Entscheidung der Adjudikatoren endet. Wenn eine Partei gegen diese Entscheidung fristgemäß eine sog. notice of dissatisfaction ausspricht, schließt sich ein ICC-Schiedsgerichtsverfahren an. Die bisherige Frist für Verhandlungen vor Erhebung einer Schiedsklage wurde von 56 auf 28 Tage verkürzt.

Das Bemühen, Bestimmungen noch klarer zu fassen und strukturierte Entscheidungsprozesse noch stärker als bisher in Einzelschritte mit dafür definierten und verbindlichen Fristen aufzusplitten, ist zu begrüßen. Allerdings wird der Aufwand für das Vertragsmanagement während der Projektdurchführung nicht unerheblich steigen. Daher ist jedenfalls bei kleineren oder mittleren Projekten eine Vereinfachung verschiedener Regelungen empfehlenswert.

Eine erste Kommentierung zu den neuen Muster-Verträgen finden Sie im beigefügten CMS guide to the FIDIC 2017 suite.

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