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Stadionpacht – Pflicht zur Zahlung trotz Unterbrechung des Spielbetriebs bzw. Geisterspielen?

09/06/2020

1.    (Bloße) Kündigungssperre des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber hat die Frage, ob Vereine trotz der Unterbrechung des Spielbetriebs der Fußball-Bundesliga bzw. trotz der Geisterspiele zur Zahlung der Stadionpacht verpflichtet sind, mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ vom 28. März 2020 nicht beantwortet. Vielmehr hat er (lediglich) eine „Kündigungssperre“ für Verpächter und Vermieter bis zum 30. Juni 2022 geregelt: Verpächter dürfen ein Vertragsverhältnis nicht kündigen, wenn der Pächter im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 die Pacht nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Um von dem Kündigungsschutz umfasst zu sein, muss der Pächter glaubhaft machen, dass er wegen der COVID-19-Pandemie die Pacht nicht zahlen kann.

Der Pächter ist allerdings nur vor einer Kündigung geschützt. Die Zahlungspflichten des Pächters werden nicht berührt. Zahlt er nicht, kommt er daher in Verzug und schuldet damit auch Verzugszinsen in Höhe von 9 % über dem Basiszins. Der Verpächter kann zudem auf die Miet- / Pachtsicherheit zugreifen, wenn der Pächter seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt.

2.    Pflicht zur Zahlung der Pacht trotz Spielunterbrechung und Geisterspielen?

Entscheidend ist also die Frage, ob ein Fußballverein als Pächter eines Stadions verpflichtet ist, die Stadionpacht während des Zeitraums zu leisten, in dem der Spielbetrieb unterbrochen ist. Und was gilt während der sog. Geisterspiele, wenn Spiele ohne Zuschauer stattfinden und der Verein erhebliche Einnahmeverluste hat?

a)    Das (Betriebs-)Risiko des Vereins und seine Grenzen

Fußballstadien stehen häufig nicht im Eigentum der Fußballvereine. Vielmehr pachtet der Verein das Fußballstadion. Der Verpächter ist zur Überlassung des Stadions, der Verein im Gegenzug zur Zahlung des Pachtzinses verpflichtet. Dem Verein obliegt das sog. Geschäfts- bzw. Betriebsrisiko (§§ 581 Abs. 2, 537 BGB), d. h., er profitiert von den Zuschauereinnahmen, wenn das Stadion ausverkauft ist, trägt aber im Gegenzug auch das Risiko, wenn dies nicht gelingt. Das ist sachgerecht, da es dem jeweiligen Verein obliegt, einen derart attraktiven Fußball zu spielen, dass die Zuschauer in das Stadion kommen. Das liegt in seiner Sphäre, nicht aber in der Sphäre des Verpächters. 

Liegt es aber auch in der Sphäre des Vereins, wenn aufgrund einer Pandemie bzw. behördlicher Vorgaben der Spielbetrieb generell unterbrochen wird oder Spiele nur als sog. Geisterspiele zugelassen werden? Ist das noch das (Betriebs-)Risiko des Vereins?

b)    Keine Zahlungspflicht wegen Unmöglichkeit der Nutzung des Stadions?

Ist nach dem Pachtvertrag der Verpächter verpflichtet, das Stadion „zur Nutzung für Fußballspiele unter Einschluss von Zuschauern“ zur Verfügung zu stellen, kann er dieser Pflicht aufgrund der behördlichen Beschränkungen nicht nachkommen. Dementsprechend wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass der Verein im Gegenzug auch nicht zur Zahlung der Pacht verpflichtet ist. Dies würde dazu führen, dass der Verein für den Zeitraum der Aussetzung des Spielbetriebs von der Zahlung der Stadionpacht befreit ist; während des Zeitraums der sog. Geisterspiele dürfte die Pacht (mangels Zuschauereinnahmen) erheblich reduziert sein. Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie gingen zu Lasten des Verpächters.

Wie unschwer zu erahnen ist, liegt Rechtsprechung dazu, wie mit Fällen wie diesen umzugehen ist, bislang nicht vor. Bisher ist durch die Rechtsprechung lediglich entschieden, dass Betriebsschließungen oder Betriebsbeschränkungen, die an besondere Eigenschaften der Pacht- / Mietsache anknüpfen, einen Mangel begründen und den Pächter / Mieter zur Minderung der Pacht / Miete berechtigen. Kann also ein Heimspiel nicht durchgeführt werden, weil statische oder brandschutzrechtliche Mängel am Stadion bestehen und die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, liegt ein Mangel vor, der den Pächter zur Minderung der Pacht berechtigt. Dürfen Fußballspiele gar nicht oder nur ohne Zuschauer stattfinden, um die Ausbreitung einer Pandemie zu verhindern, hat dies aber nichts mit dem Zustand des konkreten Stadions zu tun. Von einem Mangel „der Pachtsache“, d. h. des Stadions, kann man daher nicht sprechen.

c)    Anpassung der Pacht wegen Störung der Geschäftsgrundlage?

In der Geschichte der Fußball-Bundesliga wurde der Spielbetrieb (außerhalb der Winterpause) noch nie unterbrochen. Auch Geisterspiele als Maßnahme gegen die Ausbreitung einer Pandemie hat es noch nie gegeben. Es handelt sich um einen Umstand, den weder der Verpächter noch der Fußballverein voraussehen konnten. Hier könnte das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) einschlägig sein.

Ein Anspruch des Pächters auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB unterliegt allerdings hohen Anforderungen. Er setzt voraus, dass sich nach Vertragsschluss Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Zudem muss das Festhalten am Vertrag für den Pächter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein. 

Da weder Verpächter noch Fußballvereine eine weltweite Pandemie und damit einhergehend eine Unterbrechung des Spielbetriebes bzw. Geisterspiele vorausgesehen haben und in Kenntnis dieses Umstandes im Pachtvertrag vermutlich Regelungen zur Risikotragung aufgenommen hätten, ist es denkbar, dass Gerichte aufgrund der besonderen Umstände einen Anspruch auf Anpassung der Pacht wegen Störung der Geschäftsgrundlage bejahen. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist auch zu differenzieren zwischen dem Zeitraum der Unterbrechung des Spielbetriebs, in dem die Stadien für die Vereine völlig nutzlos waren, und dem Zeitraum der Geisterspiele. 

3.    Fazit / Empfehlungen

Die Frage, ob Fußballvereine zur Zahlung der Stadionpacht trotz Unterbrechung des Spielbetriebes bzw. trotz Geisterspielen verpflichtet sind, ist gerichtlich nicht entschieden. Es ist denkbar, dass Vereine für den Zeitraum der Unterbrechung des Spielbetriebs sowie der Geisterspiele einen Anspruch auf Reduktion der Pacht wegen Störung der Geschäftsgrundlage haben. 

Angesichts der rechtlichen Unsicherheit, wie Gerichte damit umgehen, kann es sowohl für Verpächter als auch für Vereine sinnvoll sein, einvernehmliche Lösungen zu finden. Denkbar sind eine Stundung oder ein (teilweiser) Erlass der Pacht. Dies kann ggf. mit einer Verlängerung des Pachtverhältnisses oder weiteren individuellen Lösungen verknüpft werden. Ist der Verpächter die öffentliche Hand (z. B. eine städtische Stadiongesellschaft), sind öffentlich-rechtliche Vorgaben, insbesondere Zustimmungspflichten, zu beachten.

Aus Pächtersicht ist bei künftigen Abschlüssen von Pachtverträgen eine Regelung zum Umgang mit pandemiebedingten Spielunterbrechungen bzw. Beschränkungen (sog. Geisterspiele) zu empfehlen. In Betracht könnte z. B. die Vereinbarung einer Umsatzpacht kommen. In diesem Fall orientiert sich die Miete an den Zuschauereinnahmen. Bleiben (z. B. infolge von Geisterspielen) Einnahmen aus, erhält der Verpächter keine oder nur eine geringe Pacht. Umgekehrt profitiert der Verpächter allerdings auch am Erfolg des Vereins, „wenn der Ball rollt“ und das Stadion ausverkauft ist.

Vorstehende Grundsätze gelten entsprechend für sonstige Miet- / Pachtverhältnisse der Vereine, die von der Unterbrechung des Spielbetriebs sowie der Geisterspiele betroffen sind. Dies gilt z. B. für Miet- / Pachtverträge über Parkhäuser, gastronomische Einrichtungen, das Trainingsgelände sowie sonstige Einrichtungen, die der Verein anmietet oder ggf. selbst vermietet. Entscheidend sind hierbei stets die Umstände des Einzelfalls und die jeweiligen vertraglichen Regelungen.


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Dr. Martin Prothmann