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Reform des Fremdpersonaleinsatzes: Anforderungen an die Praxis

Arbeitsrecht – gut zu wissen …

Februar 2017

Das Jahr 2016 war geprägt von den Diskussionen um die von der Großen Koalition geplante Reform des Fremdpersonaleinsatzes. Durch diese sollen die maßgeblichen "Stellschrauben" im AÜG, BetrVG und BGB neu justiert werden, um – so das gesetzgeberische Ziel – "die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern" (BT-Drucksache 18/9232, S. 1). Ausge-hend von dem ersten Gesetzesentwurf vom 16.11.2015, der im Laufe des Jahres mehrfach und auch noch auf der Zielgeraden (BT-Drucksache 18/10064 vom 21.10.2016) angepasst worden ist, haben zunächst der Bundestag am 21.10.2016 und sodann der Bundesrat am 25.11.2016 dem Reformgesetz zugestimmt, das nun am 01.04.2017 in Kraft treten wird. Im Einzelnen stellen sich die wesentlichen Änderungen wie folgt dar:

1. Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung

Das Gesetz enthielt bislang keine Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung, sondern setzte diese voraus. Mit Wirkung zum 01.04.2017 wird § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG um eine solche ergänzt. Danach ist für eine Arbeitnehmerüberlassung i.S.v. § 1 Abs. 1 AÜG erforderlich, dass Arbeitgeber als Verleiher Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG).

Zweifelhaft ist, ob das gesetzgeberische Ziel, nämlich den bisherigen Anwendungsbereich des AÜG nicht zu ändern, unter Berücksichtigung der ab dem 01.04.2017 geltenden Fassung von § 1 Abs. 1 S. 1, 2 AÜG tatsächlich realisiert werden kann. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Regelung auf Grundlage der Rechtsprechung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer überlassen wird; sie soll damit der Abgrenzung zwischen dem Einsatz eines Arbeit-nehmers im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung und als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Werk- bzw. Dienstvertrages dienen, nicht aber die Rechtslage ändern (vgl. BT-Drucksache. 18/10064, S. 13). Problematisch ist, dass der Gesetzgeber lediglich beabsichtigte die Rechtsprechung nachzuzeichnen, dies aber mit Blick auf die Formulierung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG - unter Berücksichtigung des konkreten Wortlautes der gesetzlichen Bestimmung - nicht bzw. nicht hinreichend gelungen ist. Nach Ansicht des BAG liegt nämlich eine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die voll in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen und in dessen Interessen ausführen (vgl. BAG v. 30.01.1991 - 7 AZR 497/89; BAG v. 13.08.2008 - 7 AZR 269/07). § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sieht allerdings eine "volle" Eingliederung und eine "alleinige" Weisungsunterworfenheit gerade nicht vor.

Es bleibt im Ergebnis abzuwarten, wie die Praxis, insbesondere die Erlaubnisbehörden und der Zoll, auf die Anpassung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG reagieren werden. Unter Beachtung der Erwägungen in der Gesetzesbegründung dürfte nicht davon auszugehen sein, dass sich die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Arbeitnehmerüberlassung gem. § 1 AÜG ändern werden. Vielmehr sind die entsprechenden Kriterien ("volle" Eingliederung und eine "alleinige" Weisungsunterworfenheit) im Wege der Auslegung auch weiterhin in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG hineinzulesen, so dass ein bisher als Werkvertrag durchgeführter Fremdpersonaleinsatz auf Grundlage der geänderten gesetzlichen Vorschriften und Definitionen nicht in eine Arbeitnehmerüberlassung "umdeklariert" werden kann.

In den Gesetzesmaterialien wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorschrift von § 1 Abs. 1 S. 1, 2 AÜG nicht darauf abziele, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken (vgl. BT-Drucksache. 18/10064, S. 13). Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie z.B. in der Unternehmensberatung oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen. Dabei solle z.B. eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber Letzterem begründen. Vielmehr solle entsprechend der bisherigen Praxis eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, ob unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers erfolge (vgl. BT-Drucks. 18/10064, S. 13).

2. Bereichsausnahme

In § 1 Abs. 3 AÜG ist bislang u.a. vorgesehen, dass eine Arbeitnehmerüberlassung insbesondere zwischen Konzernunternehmen nicht erlaubnispflichtig ist, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird; in diesem Fall sind nur einige wenige Vorschriften des AÜG anwendbar. Der Gesetzgeber erweitert mit Wirkung zum 01.04.2017 die in § 1 Abs. 3 AÜG vorgesehenen Ausnahmetatbestände auf die öffentliche Hand, indem die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD zukünftig ebenfalls erlaubnisfrei sein soll, obwohl diese gerade einen dauerhaften Einsatz des gestellten Arbeitnehmers bei dem "Kunden" vorsieht. In § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG heißt es zukünftig, dass die Bestimmungen des AÜG grundsätzlich keine Anwendung finden, wenn eine Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern durchgeführt wird, bei der die Aufgaben von dem bisherigen zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden, aufgrund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiterbesteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei einem anderen Arbeitgeber erbracht wird.

Zudem ist ab dem 01.04.2017 eine Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG privilegiert, wenn die Arbeitnehmerüberlassung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts abgewickelt wird und diese die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder die Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften anwenden.

Die Erweiterung der Erlaubnisfreiheit und die damit einhergehende Privilegierung der öffentlichen Hand sind im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. § 1 Abs. 3 Nr. 2b und Nr. 2c AÜG sind dabei erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Wenig nachvollziehbar ist, warum eine Personalgestellung auf Grundlage des TVöD und damit im Wesentlichen der öffentliche Dienst nicht dem Anwendungsbereich des AÜG unterworfen werden sollte. Für diese Ungleichbehandlung zugunsten der im Wesentlichen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber besteht kein sachlich nachvoll-ziehbarer Grund (Art. 3 GG), zumal sich die Frage aufdrängt, warum die im Rahmen einer Personalgestellung eingesetzten Mitarbeiter der öffentlichen Hand weniger schutzbedürftig zu sein scheinen als solche, die in der Privatwirtschaft in einer "klassischen" Arbeitnehmerüberlassung tätig werden. Berechtigte Zweifel werden auch hinsichtlich der Europarechtskonformität der Ausnahmeregelungen angemeldet. Die Zeitarbeitsrichtlinie 2008/1004/EG sieht keine Privilegierung der öffentlichen Hand vor; vielmehr gilt diese nach Art. 1 Abs. 2 gleichermaßen "für öffentliche und private Unternehmen, bei denen es sich um Leiharbeitsunter-nehmen oder entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht."

3. Höchstüberlassungsdauer

Es gilt eine grundsätzliche gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten (§ 1 Abs. 1 S. 4, 1b AÜG). Diese ist personenbezogenen zu bestimmen und ermöglicht daher "Arbeitnehmerrondelle". Dies bedeutet, dass ein Zeitarbeitnehmer nach 18 Monaten beim Kunden abgezogen und durch einen anderen externen Mitarbeiter ersetzt werden kann. Auch Dauerarbeitsplätze können vor diesem Hintergrund dauerhaft mit (wechselnden) Zeitarbeitnehmern besetzt werden.

Eine faktische Verlängerung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer kann nicht dadurch erreicht werden, dass der betreffende Zeitarbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz des Kunden - ggf. in einem anderen Betrieb - überlassen wird. Darauf kommt es nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht an ("derselbe Entleiher"). Gemeint ist damit der Kunde, der als natürliche oder juristische Person Vertragspartner des Zeitarbeitsunternehmens wird, ohne dass relevant ist, auf welchem Arbeitsplatz oder in welchem Betrieb des Kunden der Zeitarbeitnehmer tatsächlich eingesetzt wird. Der Entleiherbegriff ist folglich rechtsträgerbezogen zu verstehen (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 5; a.A. betriebsbezogene Betrachtung: vgl. Stellungnahme der BDA zum Gesetzesentwurf BT-Drucks. 18/9232 aus Oktober 2016, S. 6; so auch: GA AÜG, Stand: Januar 2016, zu § 1 Nr. 1.1.2 Abs. 4.).

Bei einer Unterbrechung des Einsatzes von mehr als drei Monaten beginnt die Überlassungshöchstdauer von neuem zu laufen und kann für den jeweiligen Zeitarbeitnehmer erneut voll ausgeschöpft werden (§ 1 Abs. 1b S. 2 AÜG). Eine Zusammenrechnung von Voreinsatzzeiten bei dem Kunden, die auch bei einem anderen Personaldienstleister von dem Zeitarbeitnehmer erbracht worden sein können, erfolgt in diesem Fall nicht. Dabei ist noch nicht abschließend geklärt, welche Anforderungen an eine Unterbrechung zu stellen sind. Entscheidend dürfte sein, dass der Zeitarbeitnehmer nicht mehr im Sinne von § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG von dem Personaldienstleister "überlassen" werden bzw. der Kunden diesen nicht mehr bei sich "tätig wer-den lassen" kann. Nicht von Relevanz ist dabei, ob das Leistungshindernis aus der Sphäre des Zeitarbeitsunternehmens, des Kunden und/oder des Zeitarbeitnehmers stammt. Erfasst wird dabei nicht nur die Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages oder die Abmeldung des Zeitarbeitnehmers durch den Kunden bzw. den (vertragsbrüchigen) Abzug durch den Personaldienstleister bei einem fortlaufenden Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, sondern insbesondere auch der Einsatz des Zeitarbeitnehmers bei einem anderen Kunden, dessen krankheits-, urlaubs- oder feiertagsbedingte Abwesenheit, der Abbau von Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto, die Inanspruchnahme von Elternzeit oder von unbezahltem Urlaub oder das unentschuldigtes Fehlen. Dafür spricht bereits die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, nach der eine Überlassung erfordert, dass die Zeitarbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Kunden eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen. Dies ist aber in keiner der o.g. Konstellationen der Fall. Es ist insoweit an einen materiellen Begriff der Unterbrechung anzuknüpfen. Ob die Rechtsprechung dem folgen wird, kann nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden. "Konservativere" Zeitarbeitsunternehmen könnten vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtsunsicherheit zur Risikominimierung auch von einem formellen Einsatzbegriff ausgehen, nach dem die Überlassung des Zeitarbeitnehmers erst mit dessen Abzug bei dem Kunden bei gleichzeitiger Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ausläuft.

Von der Höchstüberlassungsdauer können tarifgebundene Unternehmen durch einen (wirksamen) Tarifvertrag der Einsatzbranche nach oben oder nach unten abweichen (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG). Auch in Firmentarifverträgen kann die Höchstüberlassungsdauer abweichend von den gesetzlich vorgesehenen 18 Monaten geregelt werden. Nicht tarifgebundene Unternehmen können entsprechend abweichende tarifliche Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung inhaltsgleich übernehmen (§ 1 Abs. 1 S. 4 AÜG). Dies ist aber nur möglich, wenn der entsprechende Tarifvertrag räumlich, fachlich und zeitlich einschlägig ist. Tarifgebundene Unternehmen können zudem selbst durch eine Betriebsvereinbarung eine abweichende Höchstüberlassungsdauer festlegen, wenn in dem betreffenden Tarifvertrag der Einsatzbranche eine entsprechende Öffnungsklausel vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG). Nicht tarifgebundene Unternehmen können sich ebenfalls auf diese berufen und von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abweichende Betriebsvereinbarungen abschließen; ist in dem Tarifvertrag keine Begrenzung für eine durch eine Betriebsvereinbarung festzulegende Höchstüberlassungsdauer vorgesehen, ist diese bei nicht tarifgebundenen Unternehmen aller-dings bei maximal 24 Monaten "gedeckelt" (§ 1 Abs. 1b S. 6 AÜG).

Der Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer ist für das Zeitarbeitsunternehmen ordnungswidrig (§ 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 AÜG mit einem Bußgeldrahmen von bis zu 30.000,00 €). Zudem drohen erlaubnisrechtliche Konsequenzen. Individualrechtlich wird bei der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer – ohne oder gar gegen den Willen der Beteiligten - begründet (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG).

4. Equal pay-Grundsatz

Der equal pay-Grundsatz kann durch einen Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche oder eine Bezugnahme auf diesen grundsätzlich nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Kunden abbedungen werden; im Anschluss gilt zwingend equal pay (§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG). Eine längere Abweichung ist nur statthaft, wenn aufgrund eines sog. Branchenzuschlagstarifver-trag spätestens nach 15 Monaten mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das ein vergleichbarer Stammmitarbeiter im Unternehmen erhält, und nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses erfolgt (§ 8 Abs. 4 S. 2 AÜG). Erhält der Zeitarbeitnehmer das für einen vergleichbaren Mitarbeiter des Kunden im Einsatzbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarif-vertragliches Arbeitsentgelt, wird vermutet, dass der Zeitarbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts gleichgestellt ist (§ 8 Abs. 1 S. 2 AÜG).

Es bleibt damit dabei, dass eine Abweichung von dem gesetzlich vorgesehenen equal pay-Prinzip grundsätzlich nur für einen Zeitraum von neun Monaten möglich ist. Eine Ausnahme besteht nur, wenn für den Einsatz ein sog. Branchenzuschlagstarifvertrag anwendbar ist, der spätestens nach einer sechswöchigen Überlassung zu einer Annäherung des dem Zeitarbeitnehmer gezahlten Entgelts an die Vergütung der im Kundenbetrieb beschäftigten Stammmitarbeiter führt und dieses nach spätestens 15 Monaten auch erreicht. Derartige, von den Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeit mit den DGB-Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge gelten bereits jetzt im zahlreichen Branchen, z.B. in der Metall- und Elektroindustrie; diese müssen aber noch an die neuen gesetzlichen Erfordernisse angepasst werden. Dabei dürften es die gesetzlichen Vorschriften auch ermöglichen, dass durch die Anwendung der Branchenzuschläge in der letzten Stufe der tariflichen Näherung (also nach 15 Monaten) an das gesetzlich vorgesehene equal pay keine vollkommene Lohngleichheit eintreten muss. Den Tarifvertragsparteien bleibt es vorbehalten, eine Vergütung zu definieren, die mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche als "gleichwertig" anzusehen ist. Dies kann aber auch ein Betrag sein, der – wie in den gegenwärtig geltenden Branchenzuschlagstarifverträgen vorgesehen – unter 100% des Vergleichsentgelts liegt (in der Regel bei maximal 90%). "Gleichwertig" meint nicht zwingend "gleich".

Bei einer Unterbrechung des Einsatzes bei einem Kunden von mehr als drei Monaten und einer sich daran anschließenden erneuten Überlassung an diesen werden die von dem Mitarbeiter dort geleisteten Vordienstzeiten nicht auf die für die zwingende equal pay maßgebliche Frist von neun Monaten angerechnet. Der Zeitarbeitnehmer startet dann wieder bei "Null".

Kritisch ist anzumerken, dass durch das Gesetz das in Zusammenhang mit einem zwingenden equal pay für die Praxis wesentliche Problem nicht gelöst wird: die nach neun Monaten Einsatzdauer erfolgenden zwingende Gleichstellung von Zeitarbeitnehmern und Stammbeschäftigten bei der Vergütung wird für die Personaldienstleister erhebliche organisatorische und administrative Herausforderungen nach sich ziehen; dies beginnt mit der Frage, welche "Bestandteile" bei der Bestimmung von equal pay zu berücksichtigen sind und setzt sich fort bei der Beschaffung der maßgeblichen Informationen bei dem Kunden und der entsprechenden internen Dokumentation. Gerade bei der Bestimmung des "richtigen" equal pay hat es der Gesetzgeber versäumt, klarere Vorgaben, ggf. im Sinne einer Pauschalisierung, zu machen, die für die Praxis eine taugliche Orientierung hätten darstellen können. Abgesehen davon wird durch das Gesetz die (leidvolle) Kombination einer Höchstüberlassungsdauer und einem zwingenden equal pay beibehalten, obwohl diese für Zeitarbeitnehmer durchaus nachteilig wirken kann, wenn die Mitarbeiter nach neun Monaten monetär mit Stammbeschäftigten im Einsatzbetrieb gleichgestellt, aber nach 18 Monaten abgemeldet werden müssen, um sodann bei einem anderen Kunden des Personaldienstleisters für im Zweifel weniger Geld weiterbeschäftigt zu werden. Dass dieses "Konzept" nicht sinnvoll sein kann, liegt auf der Hand.

Der Verstoß gegen die Gewährung von equal pay stellt für den Personaldienstleister eine Ordnungswidrigkeit dar (Bußgeldrahmen bis zu 500.000,00 €, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 7a, 7b, Abs. 2 AÜG). Zudem drohen erlaubnisrechtliche Konsequenzen.

5. Offenlegungs-, Konkretisierungs- und Unterrichtungspflichten

Die Überlassung von Arbeitnehmern ist in dem zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen (§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG). Ergänzt wird diese Offenlegungspflicht durch eine weitere Verpflichtung des Personaldienstleisters, den Zeitarbeitnehmer vor der Überlassung jeweils darüber zu informieren (formfrei möglich), dass er bei dem Dritten als solcher tätig wird (§ 11 Abs. 2 S. 4 AÜG). Vor der Überlassung haben das Zeitarbeitsunternehmen und der Kunde die Person des Zeitarbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu konkretisieren (§ 1 Abs. 1 S. 6 AÜG). Mit diesen Regelungen ist beabsichtigt, der sog. Fallschirmlösung einen Riegel vorzuschieben.

Nicht eindeutig geregelt ist, ob die Konkretisierung der Zeitarbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG – wie die Offenlegung nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG – unter Beachtung der Schriftform (§ 12 Abs. 1 AÜG, §§ 126. 126a BGB) erfolgen muss. Die herrschende Meinung bejaht dies, ohne dies freilich zu begründen (vgl. Bertram, AIP 12/2015, 6; Bauer, BD 2016, 10; Zimmermann, BB 2016, 55). Während in § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG hinsichtlich der Arbeitnehmerüberlassung noch eindeutig verlangt wird, dass diese "in ihrem Vertrag" – gemeint ist hier der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, der gem. § 12 Abs. 1 AÜG unzweifelhaft der Schriftform unterworfen ist – offenzulegen ist, sieht § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG nur vor, dass die Konkretisierung unter "Bezugnahme auf diesen Vertrag" zu erfolgen hat. Eine solche kann aber – ausgehend vom Wortlaut – auch mündlich oder in Textform vorgenommen werden, so dass die Vorschrift von ihrer Struktur nicht zwingend die Beachtung der Schriftform fordert. Allenfalls die Gesetzesbegründung, in der ein Bezug zu Rahmenverträgen hergestellt wird, in denen naturgemäß die Namen der letztlich konkret zu überlassenden Zeitarbeitnehmer noch nicht final genannt sein können, kann einen Anknüpfungspunkt darstellen, für die Konkretisierung gleichermaßen die Schriftform zu verlangen, die auch ein Rahmenvertrag zu beachten hat. Insoweit könnte argumentiert werden, dass der die Namen der zu überlassenden Zeitarbeitnehmer konkretisierende Einzelvertrag/-abruf dieselbe Form wahren muss, wie die Vereinbarung, auf der dieser aufsetzt. Zwingend ist dies freilich nicht, so dass sich überzeugend vertreten lässt, dass die Konkretisierung nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG nicht der Schriftform unterworfen, sondern dass diese formfrei möglich ist (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 34). Bis zu einer abschließenden Klärung dieser Frage ist der Praxis jedoch zu empfehlen, die strenge Schriftform – soweit unter Berücksichtigung operative Notwendigkeiten überhaupt möglich - zu wahren.

Wird gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht, z.B. bei einem Scheinwerkvertrag, verstoßen, sind die Arbeitsverträge zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer unwirksam; stattdessen soll ein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden fingiert werden (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). Die Formulierung von § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG ist durch die „Und-“Verknüpfungen zwischen der Offenlegungs- und der Konkretisierungspflicht so zu verstehen, dass sowohl § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG als auch § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG verletzt sein müssen, um auf der Rechtsfolgenseite die Unwirksamkeit des zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrages auszulösen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber dies leicht durch eine "Oder"-Verbindung der beiden Verpflichtungen eindeutig formulieren können und auch müssen. Die Missachtung der Offenlegungs- oder der Konkretisierungspflicht ist dafür nicht ausreichend. Bestätigt wird dieser Befund durch die Gesetzesbegründung, in der immer kumulativ an die Verletzung von § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG angeknüpft wird (vgl. BT-Drucksache 18/9232, S. 23). Dies bedeutet, dass die Verletzung nur der Offenlegungspflicht bei gleichzeitiger Erfüllung der Konkretisierungspflicht genauso wenig wie der umgekehrte Fall ausreichend ist, um die Unwirksamkeit des zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrages zu begründen (Bissels/Falter, ArbR 2017, 34 f.). In der Praxis werden die beiden Pflichtverstöße allerdings regelmäßig parallel erfüllt sein: wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, einen Werkvertrag abzuschließen und durchzuführen, besteht keine Notwendigkeit eine Arbeitnehmerüberlassung offenzulegen (eine solche ist gerade nicht gewollt) oder die überlassenen Arbeitnehmer vor dem Einsatz zu konkretisieren. Zu einem Auseinanderfallen kann es aber kommen, wenn die Parteien tatsächlich "offen" eine Arbeitnehmerüberlassung in einem Rahmenvertrag vereinbart und dies dort gem. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG offengelegt haben, es in der täglichen Abwicklung aber versäumt wird, insbesondere nach einem kurzfristigen krankheitsbedingten Ausfall eines überlassenen (und im Vorfeld hinreichend konkretisierten) Arbeitnehmers, die von dem Kunden angefragte und vom Zeitarbeitsunternehmen zur Verfügung gestellte Ersatzkraft rechtzeitig und – ausgehend davon, dass die Schriftform zu beachten wäre – formgerecht i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG zu bezeichnen. Gleiches dürfte im Übrigen auch bei (Sub-)Contracting-Modellen gelten, in denen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer ein Werkvertrag geschlossen wird und sich der Auftragnehmer zur Erfüllung seiner gegenüber dem Auftraggeber bestehenden Pflichten eines (vermeintlichen) Freelancers bedient. Ist dieser in dem zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abgeschlossenen Vertrag namentlich konkretisiert, tritt die Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG nicht ein, wenn der Freelancer in den Betrieb des Auftraggebers weisungsgebunden eingegliedert wird und dieser tatsächlich scheinselbständig tätig ist. Dies gilt zumindest für den Fall, dass der Auftragnehmer über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG verfügt. Die Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG wurde in dem zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abgeschlossenen "Werkvertrag" erfüllt; die im Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer verbleibende Verletzung der Offenlegungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG vermag die Unwirksamkeit des de facto zwischen dem Auftragnehmer und dem vermeintlich selbständig tätigen Freelancer bestehenden Arbeitsvertrages nicht zu begründen. Der singuläre Pflichtverstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 5 oder 6 AÜG wird nicht entsprechend sanktioniert, so dass die Fallschirmlösung auch in Zukunft noch einen (eingeschränkten) Anwendungsbereich haben wird (dazu ausführlich demnächst: Bissel, NZA 2017). Ob die Rechtsprechung dieser Ansicht folgend wird, bleibt aber abzuwarten.

Die Missachtung der Offenlegungs- oder Konkretisierungspflicht stellt sowohl für den Personaldienstleister als auch en Kunden eine Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 30.000,00 € dar (§ 16 Abs. 1 Nr. 1c, 1d, Abs. 2 AÜG). Individualrechtlich wird – wie dargelegt - ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer begründet, wenn gleichzeitig die Offenlegungs- und die Konkretisierungspflicht verletzt wird (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). Die Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG ist für das Zeitarbeitsunternehmen ebenfalls ordnungswidrig (Bußgeld von bis zu 1.000,00 gem. § 16 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 AÜG). Dem Personaldienstleister drohen zudem erlaubnisrechtliche Schritte.

6. Festhaltenserklärung

Wird ein Arbeitnehmer überlassen, ohne dass der Personaldienstleister über eine Erlaubnis nach § 1 AÜG verfügt, wird die maßgebliche Höchstüberlassungsdauer überschritten oder kommt es zu einem Verstoß gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht, ist der Arbeitsvertrag zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer unwirksam; es wird stattdessen ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kunden fingiert. Keine Unwirksamkeit tritt ein, wenn der Zeitarbeitnehmer gegenüber dem Personaldienstleister oder dem Kunden schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt bzw. nach dem Überschreiten der zulässigen Höchstüberlassungsdauer erklärt, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Personaldienstleister festhält (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 1a, 1b i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG).

Eine solche Festhaltenserklärung ist nur wirksam, wenn nach § 9 Abs. 2 AÜG kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • der Zeitarbeitnehmer muss die Erklärung vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt haben,
  • die Agentur für Arbeit muss die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versehen haben, dass sie die Identität des Zeitarbeitnehmers festgestellt hat, und
  • die Erklärung muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Personaldienstleister oder dem Kunden zugehen.

Laut Gesetzesbegründung beschränkt sich die Tätigkeit der Agentur für Arbeit auf die Entgegennahme der schriftlichen Festhaltenserklärung, auf der sie das Datum der Vorlage und die Feststellung der Identität der vor Ort anwesenden Zeitarbeitskraft vermerkt (vgl. BT-Drucks. 18/10064, S. 15). Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass der Zeitarbeitnehmer eine Widerspruchserklärung unterschreibt, in die nachträglich, z.B. durch den Personaldienstleister oder den Kunden, ein Datum eingetragen wird, das nicht dem tatsächlichen Tag der Erklärung entspricht. Damit diese nicht auf "Vorrat" zu Beginn der Überlassung der Agentur für Arbeit vorgelegt wird, ist die Festhaltenserklärung nur wirksam, wenn sie im Anschluss spätestens am dritten Tag dem Personaldienstleister oder dem Kunden zugeht. Erfolgt der Zugang zu einem späteren Zeitpunkt, ist die Erklärung unwirksam. Zudem bleibt die Zeitarbeitskraft weiterhin für die Übermittlung der Erklärung an den Personaldienstleister oder den Kunden verantwortlich; dieser obliegt es damit, die einzuhaltende Monatsfrist zu wahren, indem die Erklärung innerhalb dieser Frist dem Personaldienstleister oder den Kunden übermittelt wird. Der notwendige fristgerechte Zugang wird nicht durch die Datumsangabe der Agentur für Arbeit ersetzt.

Die Festhaltenserklärung kann darüber hinaus erst abgegeben werden, wenn die dafür maßgebliche Frist von einem Monat bereits angelaufen ist (§ 9 Abs. 3 AÜG). Hierdurch sollen zum Schutz des Arbeitnehmers bereits im Vorfeld vor dem Einsatz abgegebene "Vorratserklärungen" verhindert werden.

Zudem ist ein Arbeitsvertrag zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer unwirksam, wenn die (rechtswidrige) Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt wird; deren erneute Abgabe ist unwirksam. Mit dem Widerspruch – so die Gesetzesbegründung – kann eine rechtswidrige Überlassung weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft legalisiert werden (BT-Drucks. 18/10064, S. 15). Das im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Widerspruchsrecht ermöglicht allein das Festhalten am bisherigen Arbeitsverhältnis mit dem Personaldienstleister und schützt damit die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit der Zeitarbeitnehmer. Das Widerspruchsrecht ermöglicht jedoch nicht das Festhalten an einer rechtswidrigen Einsatzpraxis. Dementsprechend stellt der neue § 9 Abs. 3 S. 2, 3 AÜG klar, dass es bei der Fortführung der rechtswidrigen Überlassung, z.B. nach der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer, trotz eines erklärten Widerspruchs zur erneuten Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer kommt. In diesen Fällen entsteht daher nach § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Kunden. § 9 Abs. 3 S. 4 AÜG stellt sicher, dass eine Festhaltenserklärung sozialversicherungsrechtlich nicht zum Wegfall der gesamtschuldnerischen Haftung des Personaldienstleisters oder des Kunden für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge führt.

7. Streikbrecher

Das Kundenunternehmen darf Zeitarbeitnehmer nicht einsetzen, wenn dessen Betrieb unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, also bestreikt wird (§ 11 Abs. 5 AÜG). Dieses Verbot wird allerdings relativiert: Zeitarbeitnehmer dürfen weiter überlassen werden, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht (ggf. in der Kette) Aufgaben wahrnehmen, die bisher von streikenden Stammbeschäftigten verrichtet wurden.

Neben dem grundsätzlichen Einsatzverbot von Zeitarbeitnehmern im Arbeitskampf bei dem Kunden findet sich – für den Fall des zulässigen Streikeinsatzes – auch das bereits bekannte und in der bisher gültigen Fassung des AÜG enthaltene Leistungsverweigerungsrecht des Zeitarbeitnehmers im Gesetz wieder. Dieser ist danach nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist; darauf ist der Zeitarbeitnehmer durch den Personaldienstleister hinzuweisen.

Der Verstoß gegen das Verbot, Zeitarbeitnehmer als Streikbrecher einzusetzen, stellt für den Kunden eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 500.000,00 € belegt werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 8a, Abs. 2 AÜG).

8. Kettenüberlassung

Mit Wirkung zum 01.04.2017 wird § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG neu in das Gesetz eingefügt. Danach ist die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeits-verhältnis besteht. Mit der Regelung soll klargestellt werden, dass Zeitarbeitnehmer nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber überlassen werden dürfen.

Der Gesetzgeber schafft damit Rechtsklarheit hinsichtlich der bislang umstrittenen Frage, wie bei einem Ketten-, Zwischen- oder Weiterüberlassung von Arbeitnehmern zu verfahren ist. Diese bezeichnet eine Konstellation, in der der Vertragsarbeitgeber dessen Arbeitnehmer einem Unternehmen zur Verfügung stellt, das seinerseits den Arbeitnehmer als bei ihm beschäftigtes Fremdpersonal an einen "Endentleiher" (weiter-) verleiht. Die Bundesagentur ging schon vor der Änderung der Rechtslage "traditionell" von einer Unzulässigkeit der Kettenüberlassung aus (GA AÜG, Stand: Januar 2016, zu § 1 Nr 1.1.2 Abs. 11, 12).

Aufgrund der insbesondere von der Erlaubnisbehörde vertretenen Ansicht, dass eine Kettenüberlassung nach der bereits vor dem 01.04.2017 geltenden Rechtslage unzulässig gewesen sein soll, haben sich in der Praxis keine Modelle verbreitet (zumindest nicht flächendeckend), die auf einen Weiterverleih aufgesetzt haben, so dass die gesetzliche Regelung nur begrenzte praktische Bedeutung erlangen wird. Dies lässt sich schon daran erkennen, dass kaum gerichtliche Entscheidungen existieren, die sich mit der überlassungsrechtlichen Problematik eines bewussten und absichtlichen Kettenverleihs (vor dem 01.04.2017) auseinandersetzen.

Durch § 10a AÜG wird sichergestellt, dass die in §§ 9, 10 AÜG getroffenen Regelungen zum Drei-Personen-Verhältnis (Zeitarbeitnehmer/ Personaldienstleister/Kunde) auch im Mehrpersonenverhältnis (Zeitarbeitnehmer/Erstverleiher/Zweitverleiher/Kunde) gelten. Die Regelung dient dazu, missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes zu vermeiden. Es wird sichergestellt, dass die Rechtsfolgen des §§ 9, 10 AÜG nicht umgangen werden können, indem ein anderes Unternehmen ohne arbeitsvertragliche Beziehung zum Zeitarbeitnehmer zwischengeschaltet wird und seinerseits den Mitarbeiter überlässt. Soweit beim (Weiter-)Verleih durch den Zwischenverleiher keine Arbeitsnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 1 Abs. 1 AÜG vorliegt, die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG überschritten wird oder die Arbeitnehmerüberlassung unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG verdeckt erfolgt, greifen die Schutzbestimmungen des AÜG. Das Arbeitsverhältnis des Zeitarbeitnehmers zum Erstverleiher, d.h. zum Vertragsarbeitgeber, ist unwirksam. Es wird ein Arbeitsverhältnis zum "Einsatzarbeitgeber" fingiert, bei dem die Zeitarbeitnehmer ihre Arbeitsleistung tatsächlich erbringen ("Letztentleiher"). Der Zeitarbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe von § 9 AÜG widersprechen, so dass das Arbeitsverhältnis beim Erstverleiher verbleibt. Allein der Verstoß gegen den Kettenverleih nach § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG löst dagegen die Fiktionswirkung nicht aus. Verstöße gegen § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG können darüber hinaus erlaubnisrechtliche Folgen bis zum Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis haben. Zudem wurde mit Wirkung zum 01.04.2017 mit § 16 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 AÜG ein neuer Ordnungswidrigkeitstatbestand in der Gesetz aufgenommen, der für die Missachtung von § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG eine Geldbuße von bis zu 30.000,00 Euro vorsieht.

9. Schwellenwerte

Zeitarbeitnehmer sind zukünftig bei Schwellenwerten des BetrVG beim Kunden (Ausnahme: § 112a BetrVG) mitzuzählen, z.B. bei der Größe des Betriebsrates. Dies soll auch für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung (u.a. MitbestG und DrittelbG) gelten, bei den Eingangsschwellenwerte zur Anwendung der entsprechenden Gesetze jedoch nur, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt (§ 14 Abs. 4 AÜG).

Es entspricht einem "Trend" in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, dass Zeitarbeitnehmer "nicht nur wählen, sondern auch zählen sollen". In diesem Sinne hat die Große Koalition im Koalitionsvertrag angekündigt, dass Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten des BetrVG berücksichtigt werden sollen. Von der Unternehmensmitbestimmung war hingegen keine Rede, so dass die neue gesetzliche Regelung die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen weit überdehnt. Zudem geht die Rechtsprechung nicht undifferenziert davon aus, dass Zeitarbeitnehmer immer und unter allen Umständen bei (betriebsverfassungsrechtlichen) Schwellenwerten mitzählen sollen. Die Gerichte legen vielmehr die jeweils betroffene Norm im Einzelfall aus und berücksichtigen nach Maßgabe von Sinn und Zweck, ob es tatsächlich geboten ist, Zeitarbeitnehmer mitzuzählen. Diese differenzierte Betrachtung verwässert das neue Gesetz vollkommen, indem dieses – mit Ausnahme von § 112a BetrVG und der Einschränkung, dass dies bei den Eingangsschwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung erst nach einer Überlassungsdauer von sechs Monaten gilt - "alles über einen Kamm schert".

10. Unterrichtungsrechte des Betriebsrates

Der Betriebsrat muss über den Einsatz von Fremdpersonal informiert werden. Dieser ist dabei über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen zu unterrichten. Zudem sind dem Betriebsrat die dem Einsatz des Fremdpersonals zugrunde liegenden Verträge vorzulegen (§ 80 Abs. 2 BetrVG).

Wichtig ist, dass der Abschluss von Werk-/ Dienstverträgen zukünftig weiterhin mitbestimmungsfrei sein wird. Der Kunde ist also nicht verpflichtet, vor der Fremdvergabe von Tätigkeiten die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Dies wäre aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als höchst kritisch anzusehen. Stattdessen sieht das Gesetz im Wesentlichen eine Konkretisierung der von der Rechtsprechung bereits entwickelten betrieblichen Beteiligungsrechte zur Unterrichtung bei einem geplanten Einsatz von Fremdpersonal vor. Durch die dem Betriebsrat vom Arbeitgeber überlassenen Informationen kann dieser prüfen, ob eine (zustimmungspflichtige) Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG vorliegt, z.B. bei einem Einsatz von Zeitarbeitnehmern; die sich daraus ergebenden Rechte kann der Betriebsrat sodann vom Arbeitgeber einfordern.

11. Abgrenzung Arbeitsvertrag

Der ursprünglich in § 611a BGB-E vorgesehene Kriterienkatalog zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen ist in den Folgegesetzesentwürfen nicht mehr enthalten gewesen. Gleiches gilt für die (widerlegbare) Vermutungswirkung, nach der von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein sollte, wenn die DRV Bund im Rahmen eines Statusverfahrens ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis festgestellt hat. Stattdessen fand sich zunächst folgende Definition eines "Arbeitnehmers" in dem Folgeentwurf:

"Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privat-rechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeiten gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an."

Auf der Zielgeraden wurde § 611a BGB nochmals geringfügig abgeändert, ein praktischer Nutzen ist damit aber weiterhin nicht verbunden. Die Vorschrift lautet nun unter der Überschrift "Arbeitsvertrag" wie folgt:

(1) "Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an."

(2) "Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet."

Der Regelungsgegenstand wird dabei an die Systematik des BGB angepasst. In dem in Rede stehenden Abschnitt regelt dieses die Vertragstypen. Deshalb wird nicht mehr auf den "Arbeitnehmer", sondern auf den "Arbeitsvertrag" abgestellt und dieser als Unterfall des Dienstvertrages definiert.

Inhaltlich soll damit zur Entwurfsfassung keine Änderung verbunden sein, da die Begriffsbestimmung zum Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer als dessen Vertragspartei umfasst. Außerdem wird die Vorschrift sprachlich gestrafft. Dabei wird das Weisungsrecht in § 611a Abs. 1 S. 2 BGB in Übereinstimmung mit der Vorschrift in § 106 der GewO ohne das Merkmal "Dauer" umschrieben. Zur Vervollständigung und systematischen Anpassung wird mit § 611a Abs. 2 BGB eine Bestimmung zur Vergütungspflicht aufgenommen.

12. Inkrafttreten

Die gesetzlichen Änderungen sollen mit Wirkung zum 01.04.2017 in Kraft treten.

Ausdrücklich klargestellt wird, dass Überlassungszeiten bei einem Kunden, die vor diesem Zeitpunkt liegen, für die Berechnung der Höchstüberlassungsfrist und der Einsatzdauer für den zwingenden equal pay-Anspruch nicht berücksichtigt werden (§ 19 Abs. 2 AÜG). Die Höchstüberlassungsdauer kann danach frühestens ab dem 01.10.2018 erreicht werden; der zwingende Anspruch auf equal pay kann erst ab dem 01.01.2018 einsetzen.

Eine gewisse Unsicherheit bzgl. dieser Zeitpunkte resultiert daraus, dass nicht abschließend geklärt ist, ob § 191 BGB bei der Berechnung anzuwenden ist. Danach wird der Monat mit 30, das Jahr mit 365 Tagen berechnet, wenn ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt ist, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht. Wäre die Vorschrift einschlägig, würde - ausgehend vom 01.04.2017 - die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten bereits mit dem 22.09.2018 und die neunmonatige Frist zur Gewährung von zwingendem equal pay mit dem 26.12.2017 ablaufen. Gegen die Anwendung von § 191 BGB spricht aber, dass der Zeitraum der Frist so bestimmt sein muss, dass er nicht zusammenhängend verlaufen muss. § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG regelt aber als Grundsatz die Überlassungsfrist mit "18 aufeinander folgenden Monaten" und damit eine zusammenhängende Frist für die Überlassung. Das Gesetz sieht dann als ergänzende Bestimmung in § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG die Hinzurechnung vorangegangener Überlassungen vor. Die Überlassungshöchstdauer ist damit im Grundsatz als "zusammenhängend" festgelegt; dies gilt aber auch im Sinne der Überlassungsdefinition in § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG. Weitere, d.h. zusätzliche Überlassungszeiten werden dann hinzugerechnet.

Um jedoch sämtliche Risiken, die sich aus dem Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer und den zwingenden equal pay-Grundsatz ergeben, rechtssicher ausschließen zu können, sollte vorsorglich mit den obigen Daten geplant und ein Einsatz mit Ablauf des 22.09.2018 unterbrochen bzw. nach dem 26.12.2017 unter Einhaltung von equal pay fortgesetzt werden.

Ausblick

"Was lange währt, wird endlich gut" – so heißt es landläufig. Davon ist die gesetzliche Neuregelung – auch unter Berücksichtigung der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen Änderungen – weit entfernt. Im Vergleich zum Erstvorschlag aus November 2015 sind zwar einige Verbesserungen vorgenommen worden; von "gut" kann aber nach wie vor keine Rede sein.

Nachdem das Gesetzgebungsverfahren inzwischen abgeschlossen ist, steht nunmehr auch fest, dass in 2017 erhebliche Änderungen auf die Zeitarbeitsbranche zukommen werden; die gesetzlichen Anpassungen müssen in die verwendeten Verträge und Abläufe implementiert werden; die Kunden müssen informiert und – gerade in Zusammenhang mit einem zwingenden equal pay - abgeholt werden. Dies wird die Praxis im Jahr 2017 bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen – insbesondere im ersten Quartal - beschäftigen. Zeitarbeit soll – gesetzgeberisch gewollt – komplizierter und teurer (und damit unattraktiver) gemacht werden. Zwar ist die Reform herausfordernd und wird in der praktischen Umsetzung gewisse Schwierigkeiten bereiten, jedoch wird die Branche auch dies überstehen! Flexibilität ist nämlich gerade deren Stärke – dies hat die Vergangenheit immer eindrucksvoll gezeigt.

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Arbeitsrecht – gut zu wissen: Reform des Fremdpersonaleinsatzes: Anforderungen an die Praxis
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Foto vonAlexander Bissels
Dr. Alexander Bissels
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Köln