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Berliner Mietengesetz

August 2019

Der Berliner Senat hat in seiner Sitzung am 18. Juni 2019 die Eckpunkte beschlossen, die in einem neuen Gesetz für Wohnraummieten (nachfolgend auch „Berliner Mietengesetz“ genannt) geregelt werden sollen. Das Berliner Mietengesetz soll unter anderem einen Mieterhöhungsstopp für die kommenden fünf Jahre vorsehen, Mietobergrenzen beinhalten und Wohnungsmodernisierungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen – Verstöße gegen das Berliner Mietengesetz sollen bußgeldbewehrt sein. Auf Grundlage der beschlossenen Eckpunkte wird nun der konkrete Gesetzentwurf bis voraussichtlich Ende August 2019 ausgearbeitet und nach dem Senatsbeschluss im Oktober 2019 an das Abgeordnetenhaus von Berlin zur weiteren Beratung und Verabschiedung übergeben. Das Berliner Mietengesetz soll Anfang 2020 in Kraft treten.
Darüber hinaus wurde der Senat von Berlin von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 GG aufgefordert (nachfolgend auch „Vergesellschaftungsgesetz“ genannt). Hierzu wurde ein Volksbegehren initiiert.

A. Berliner Mietengesetz

I. Eckpunkte für das Berliner Mietengesetz

Nachfolgend werden die Eckpunkte für das Berliner Mietengesetz aufgeführt:

  • Die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten erfolgt durch ein Landesgesetz, das Anfang 2020 in Kraft treten soll. Das Gesetz gilt also nur für Mietverhältnisse in Berlin.
  • Das Gesetz soll rückwirkend vom 18. Juni 2019 gelten.
  • Das Berliner Mietengesetz soll für alle rund 1,5 Millionen nicht preisgebundenen Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gelten. Bereits mietpreisgebundene Wohnungen – dies betrifft den sozialen bzw. öffentlichen Wohnungsbau – sollen ausgenommen werden.
  • Die Regelungen zur Miethöhe sollen auf fünf Jahre befristet werden, d. h. die Miete kann für fünf Jahre nicht erhöht werden.
  • Eine Festlegung von Mietobergrenzen, auf die bereits sehr hohe Mieten auf Antrag abgesenkt werden können, soll auch für schon bestehende Mietverträge gelten – es gibt noch keine Mitteilung darüber, bei welcher Miethöhe die Obergrenze liegen soll.
  • Eine Begrenzung der Wiedervermietungsmiete auf die Höhe, die der Vormieterhaushalt bezahlt hat (sofern diese die jeweils festgelegte Mietobergrenze nicht übersteigt).
  • Nach deutschem Recht kann der Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der für die Modernisierung der von ihm vermieteten Wohnungen entstehenden Kosten auf den Mieter umlegen, sog. Modernisierungsumlage. Die Umlage erfolgt durch eine Erhöhung der Miete. Das Berliner Mietengesetz soll für Modernisierungsumlagen besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Vermieter einführen. Modernisierungsumlagen, durch die die Bruttowarmmiete um mehr als 0,50 €/m² monatlich steigt, werden genehmigungspflichtig.
  • Es wird eine wirtschaftliche Härteklausel für Vermieter aufgenommen. Wie diese im Einzelnen ausgestaltet wird, steht noch nicht fest. Im Kern geht es dabei aber um den Substanzerhalt des Eigentums – ein Recht auf Rendite wird vom Berliner Senat verneint. Es können dann im Einzelfall abweichend Mieterhöhungen und höhere Mietvereinbarungen genehmigt werden.
  • Der Wohnungsneubau wird vom Berliner Mietengesetz gänzlich ausgenommen. Die konkrete Definition für den Neubau wird im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erfolgen. Es ist noch offen, ob ein Datum in der Vergangenheit festgelegt wird (nach der gegenwärtigen Diskussion z. B. Neubauten seit 2014) oder die Regelung nur für zukünftig fertiggestellte Neubauten gilt. Nach dem Eckpunktepapier sollen aber nur alle Erstvermietungen ausgenommen werden. Das heißt auf Nachvermietungen fänden dann wiederum die Regelungen des Mietendeckels Anwendung.
  • Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes sollen als Ordnungswidrigkeit und mit Geldbuße geahndet werden können.

II. Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit des Berliner Mietengesetzes

Auch wenn die Verfassungsmäßigkeit des geplanten Berliner Mietengesetzes in einem Rechtsgutachten bestätigt wurde, gibt es gute Argumente, wonach dieses Gesetz verfassungswidrig wäre, da die bislang geplanten Gesetzesinhalte die Grundrechte der Vermieter und Eigentümer der Immobilien verletzen würden. Das Einfrieren der Mieten dürfte nach Meinung vieler einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Eigentum gem. Art. 14 GG bedeuten. Zudem fehlt dem Land Berlin nach vielfach geteilter Ansicht bereits die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Berliner Mietengesetzes. Eine detaillierte Analyse wird jedoch erst möglich sein, wenn der Gesetzesentwurf Ende August vorliegt.

III. Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit

Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Berliner Mietengesetz von dem Bundesverfassungsgericht und / oder dem Verfassungsgerichtshof Berlin auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden wird. Für den Weg zum Bundesverfassungsgericht bzw. zum Verfassungsgerichtshof Berlin sind verschiedene Wege denkbar.

Sollte das Bundesverfassungsgericht bzw. der Verfassungsgerichtshof Berlin das Berliner Mietengesetz bzw. einzelne Normen hieraus für verfassungswidrig erachten, wird es diese im Regelfall für nichtig erklären. Die Nichtigkeit wirkt auch in die Vergangenheit und führt rechtlich gesehen zu einem Zustand, als ob das Gesetz niemals erlassen worden wäre. Allerdings entfaltet die Nichtigkeitserklärung für bereits in der Vergangenheit liegende und in den Anwendungsbereich des Berliner Mietengesetzes fallende Sachverhalte (z. B. Mieterhöhungen, Modernisierung, Bußgelder) nur dann Wirkung, wenn diese zum Zeitpunkt der Nichtigkeitserklärung bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind (z. B. Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung, Klage auf Zustimmung zur Modernisierung, Anfechtung eines Bußgeldbescheides) oder diese Sachverhalte auf andere Weise von der Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietengesetzes abhängig gemacht wurden.

IV. Konsequenzen für Vermieter

Für die kommenden Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sollten sich Vermieter bewusst sein, dass Mieterhöhungen wegen der vorgesehenen rückwirkenden Geltung bereits in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen würden. Hierzu dürften auch Mieterhöhungen aufgrund des bereits in der Vergangenheit abgeschlossenen Index oder Staffelmietvereinbarungen gehören. Möchte der Vermieter seine Erhöhungsbeträge trotzdem einfordern, besteht das Risiko, dass diese Beträge gemäß dem Berliner Mietengesetz ggf. zurückgefordert werden können – Bußgelder können in dem Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Gesetzes allerdings noch keine verhängt werden.

Nach einem Inkrafttreten des Berliner Mietengesetzes sollten Vermieter – zumindest bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Verfassungsgerichtshofs Berlin – dessen Regelungen befolgen. Bei Verstößen gegen das Gesetz ist ansonsten mit Bußgeldern von bis zu EUR 500.000,– zu rechnen.

B. Vergesellschaftungsgesetz

Ziel der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ist es, dass alle Wohnungen vergesellschaftet werden, die Immobilienunternehmen mit einem Bestand von über 3.000 Berliner Wohnungen gehören. Hierfür bedarf es eines Volksentscheids, der in der ersten Stufe 20.000 und in der zweiten rund 174.000 Unterstützungsunterschriften benötigt, bevor in der letzten Stufe die Mehrheit der Abstimmenden, aber mindestens 25 % der Wahlberechtigten zustimmen müssen. Aktuell ist die erste Stufe des Prozesses erreicht.

Mit einem solchen Gesetz würde juristisches Neuland betreten werden, da der für die Vergesellschaftung einschlägige Art. 15 GG bis dato noch nicht angewendet wurde. Auf die Anforderungen an Enteignungen kann in diesem Fall nicht zurückgegriffen werden, da es sich dabei um ein eigenständiges Rechtsinstitut handelt. Ein Eingriff in das Eigentum der Betroffenen kann jedoch nur dann gerechtfertigt sein, wenn das mit der Vergesellschaftung verfolgte Ziel tatsächlich erreicht wird bzw. erreicht werden kann (sog. Sozialisierungsreife). Des Weiteren muss die Vergesellschaftung verhältnismäßig sein und es muss eine Entschädigung gezahlt werden. Hierzu verweist die Verfassung auf die Enteignungsentschädigung, die „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“ ist. Dies kann einerseits zu einer Entschädigung führen, die unter dem Verkehrswert liegt. Andererseits darf sie nicht nur einen rein symbolischen Betrag umfassen. Denn dass das öffentliche Interesse an günstigem Wohnraum das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Unternehmen per se vollständig überwiegt, ist in der Verfassung nicht angelegt.

Beim Berliner Volksbegehren ist bereits das Ziel der Vergesellschaftung unklar. Wohnraum wird damit jedenfalls nicht geschaffen, auch nicht im unteren Preissegment. Auch gewichtige positive Auswirkungen auf den angespannten Berliner Mietmarkt sind spekulativ.

Schließlich ergeben sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) Bedenken gegen die vorgeschlagene Vergesellschaftung. Der Grundsatz verbietet bekanntermaßen, Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Einen sachlichen Grund für die Betroffenheit von Unternehmen mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen drängt sich nicht auf und wurde auch von der Initiative noch nicht angeführt.

Aktuell dürfte die Wahrscheinlichkeit gering sein, dass tatsächlich ein Vergesellschaftungsgesetz verabschiedet wird. Würde es eingeführt, wäre angesichts der immensen wirtschaftlichen Bedeutung jedoch damit zu rechnen, dass es zu einer Vielzahl an juristischen Auseinandersetzungen kommt – sei es hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, der Rechtmäßigkeit von einzelnen Vergesellschaftungen oder der Höhe der geleisteten Entschädigungen.

Für die Konsequenzen einer Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht bzw. den Verfassungsgerichtshof Berlin kann auf die Ausführungen unter A. III. verwiesen werden.

C. Fazit

Bislang ist es schwer vorauszusagen, ob die Eckpunkte zum Berliner Mietengesetz tatsächlich wie geplant umgesetzt werden. Die Verabschiedung eines Vergesellschaftungsgesetzes erscheint noch unwahrscheinlicher. Mit Blick auf die großen juristischen Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze steht zu erwarten, dass etwaige Gesetzesvorhaben auf den Prüfstand gestellt und mit rechtlichen Mitteln angegriffen werden. Bei dem bislang veröffentlichten Inhalt dürfte viel dafür sprechen, dass das Berliner Mietengesetz keinen dauerhaften Bestand haben wird. Ein Vergesellschaftungsgesetz muss bis zur Verabschiedung noch hohe Hürden überwinden.

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung der Gesetzgebungsverfahren und in der politischen Diskussion auf dem Laufenden halten. Bitte sprechen Sie uns an, wenn Sie hierzu Fragen haben oder mehr zu diesem Thema erfahren möchten.

Autoren

Dr. Domenico Ferragina