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Umweltschadensgesetz: keine Zurechnung von Gutachterverschulden

Update Real Estate & Public 09/2018

September 2018

Das BVerwG hat in seiner ersten Entscheidung zum Umweltschadensgesetz (USchadG) mit Urteil vom 21.09.2017 – 7 C 29 / 15 – bisher umstrittene Rechtsfragen zur -hier abgelehnten- Legalisierungswirkung einer Genehmigung in Bezug auf den Umweltschaden sowie zur fehlenden Zurechenbarkeit eines Gutachterverschuldens geklärt.

Hintergrund

Wer einen Umweltschaden i. S. d. USchadG verursacht, also z. B. eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen, von Gewässern oder Bodenverunreinigungen, kann zu Schadensbegrenzungs- sowie Sanierungsmaßnahmen verpflichtet werden. Verantwortlicher i. S. d. USchadG ist zum einen derjenige, der eine der in Anlage 1 aufgeführten beruflichen Tätigkeiten ausübt oder bestimmt; auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an (verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung, § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG). Das Ausüben oder Bestimmen einer anderen beruflichen Tätigkeit ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG nur bei Biodiversitätsschaden und nur bei Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, relevant.

Hier waren Erweiterungsmaßnahmen für eine Getreidemühle genehmigt worden. Der klagende Umweltverband forderte ein behördliches Einschreiten wegen nicht rechtzeitiger Vorlage einer Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Verträglichkeits-Prüfung und fehlerhafter Ausgleichsmaßnahmen und der so angeblich verursachten Schädigung bestimmter Falterarten.

Die Entscheidung

Im Ergebnis wies das BVerwG die Untätigkeitsklage zurück, weil der Vorhabenträger mangels Verschulden nicht nach USchadG verantwortlich sei. Allerdings schließe die Genehmigung die Anwendbarkeit des USchadG nicht aus. Eine etwaige Legalisierungswirkung einer Genehmigung sei aber bei der Frage von Vorsatz und Fahrlässigkeit relevant:

  • Bei Vertrauen auf eine Genehmigung sei die Verursachung eines Umweltschadens in der Regel jedenfalls nicht fahrlässig.
  • Umgekehrt müsse man bei einem wissentlichen Verstoß gegen die Genehmigungspflicht bzw. gegen artenschutzrechtliche Verbote in der Regel von Vorsatz ausgehen.

Das BVerwG verweist für die Definition von Vorsatz und Fahrlässigkeit auf § 276 BGB. Bezugspunkt sei allein das Schutzziel des USchadG, also die Unversehrtheit der geschützten Arten und natürlichen Lebensräume. Auf die Einhaltung aller naturschutzrechtlichen Vorschriften, so auch auf die rechtzeitige Vorlage der FFH-Verträglichkeits-Prüfung, komme es im Rahmen des USchadG nicht an.

Die zivilrechtliche Verschuldenszurechnung gem. § 278 BGB - hier für angebliche Fehler des Umweltgutachters- sei jedoch mangels Regelungslücke des USchadG nicht anwendbar. § 2 Nr. 3 USchadG definiere den Kreis der Verantwortlichen abschließend. Diese müssten jedenfalls eine berufliche Tätigkeit ausüben oder bestimmen, durch die der Umweltschaden verursacht wurde. Das Bestimmen einer beruflichen Tätigkeit setze ein gewisses Maß an Weisungsbefugnis voraus. In Bezug auf den hier beauftragten unabhängigen Fachgutachter sei eine solche nicht erkennbar.

Praxistipp

Die Klarstellungen des BVerwG sind zu begrüßen. In der Praxis ist allerdings zu beachten, dass das Urteil keine absolute Haftungsfreistellung für ein Gutachterverschulden begründet. Wird der Gutachter nicht weisungsfrei tätig, handelt es sich gar um ein Gefälligkeitsgutachten oder besteht eine ausreichende eigene Fachkunde des Vorhabenträgers, der etwaige Fehler des Fachgutachtens hätte erkennen können, dürfte nach der Rechtsprechung des BVerwG ein „Bestimmen“ einer beruflichen Tätigkeit i. S. v. § 2 Nr. 3 USchadG vorliegen.

Gefälligkeitsgutachten im Genehmigungsverfahren dürften sich jedenfalls im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes wegen des erheblichen Anfechtungsrisikos ohnehin verbieten. Vorhabenträgern ist daher zu empfehlen, ausreichend fachkundige und neutrale Sachverständige mit der Erstellung der Umweltgutachten zu beauftragen.

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Autoren

Foto vonUrsula Steinkemper
Dr. Ursula Steinkemper
Partnerin
Stuttgart