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Verkehrsprognose für Straßenbauvorhaben: Auslegung und methodische Anforderungen

Update Real Estate & Public 09/2018

September 2018

Hintergrund

Traditionell spielen Verkehrsprognosen für Straßenbauvorhaben in der Rechtsprechung des BVerwG eine große Rolle. Durch die gesetzliche Bedarfsfestlegung sind Verkehrsprognosen jedenfalls für die Planrechtfertigung dieser Vorhaben nicht mehr relevant. Bedeutung haben sie aber für die Abwägung nach §§ 41, 42 BImSchG und die (allgemeine) fachplanerische Abwägung nach § 17 FStrG.

Im Urteil vom 15.02.2018 – 9 C 1.17 – hat das BVerwG seine Rechtsprechung dazu nachjustiert, welche Projekte in der Verkehrsprognose berücksichtigt werden dürfen bzw. müssen und ob eine Verkehrsuntersuchung ausgelegt werden muss.

Gegenstand der Revisionsentscheidung gegen das Urteil des OVG Münster vom 28.04.2016 – 11 D 33 / 13.AK – ist der Planfeststellungsbeschluss vom 22.04.2013 für den Ausbau der A 43. Die Verkehrsuntersuchung wurde bei der Auslegung der Planunterlagen nicht ausgelegt. Das OVG Münster hielt dies nicht für erforderlich, da die Anstoßwirkung auch so erreicht werde.

In die Verkehrsuntersuchung wurde dabei ein anderes, im Bedarfsplan aufgeführtes Vorhaben -der Lückenschluss der A 52- eingestellt. Das OVG Münster hielt dies für methodisch fehlerhaft. Diese Infrastruktur sei prognostisch noch nicht hinreichend sicher vorhersehbar.

Die Entscheidung

Das BVerwG hält das Urteil in diesen Punkten nicht aufrecht und verweist es wegen der ausstehenden Tatsachenfeststellungen an das OVG zurück.

Die Revision der beklagten Planfeststellungsbehörde sei begründet, denn die Auffassung, die Berücksichtigung des Lückenschlusses der A 52 sei methodisch fehlerhaft, verstoße gegen Bundesrecht. Zwar sei das OVG zutreffend von den Grundsätzen zu den Anforderungen an eine Verkehrsprognose ausgegangen. Es sei aber zu restriktiv, ein anderes Vorhaben erst zu berücksichtigen, wenn bereits ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde. Schon wegen der Dauer von Planungsverfahren und der Notwendigkeit einer frühzeitigen Verkehrsprognose (etwa für das Lärmschutzkonzept nach §§ 41, 42 BImSchG) sei es nicht sachgerecht, auf den Beginn des Planfeststellungsverfahrens abzustellen. Zudem könne ein anderes Vorhaben im maßgeblichen Prognosezeitraum auch dann verwirklicht werden, wenn das Planfeststellungsverfahren später eingeleitet werde.

Das BVerwG weist auch den Ansatz der Planfeststellungsbehörde zurück, dass alle in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben ohne Weiteres berücksichtigt werden müssen. Die Verwirklichung von als vordringlich eingestuften Vorhaben könne zwar unterstellt werden, anders sei dies aber bei gewichtigen Anhaltspunkten gegen eine Verwirklichung innerhalb des Prognosehorizonts.

Die Anschlussrevision der Kläger sei begründet, weil die Verkehrsuntersuchung hätte ausgelegt werden müssen. Zum einen handele es sich dabei in der Regel um einen entscheidungserheblichen Bericht i. S. v. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG. Eine Verkehrsuntersuchung gehöre jedenfalls dann zu den wichtigsten Berichten und Empfehlungen, wenn die Ermittlung der Verkehrszahlen im Erläuterungsbericht nicht hinreichend nachvollziehbar dargestellt ist. Darüber hinaus hätte sie auch auf Grundlage von § 17 a FStrG i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 VwVfG ausgelegt werden müssen. Ohne das Verkehrsgutachten hätte es für die Kläger keinen Anstoß dafür gegeben, die angenommene Verkehrsbelastung zu hinterfragen.

Praxistipp

Es gibt keine schematische Lösung, welche Vorhaben einzustellen sind. Diese Herausforderungen sieht auch das BVerwG. Wichtig dürfte sein, fortlaufend die der Verkehrsuntersuchung zugrunde liegenden Eingangsdaten zu hinterfragen und die Prognose im laufenden Verfahren ggf. zu aktualisieren. Klarer ist die Frage der Auslegung: Wegen der Anstoßwirkung sollte die Verkehrsuntersuchung aus Vorsorgegründen stets ausgelegt werden.

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Autoren

Dr. Benjamin Schirmer