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Produktinterventionsrechte der BaFin im neuen Licht

Update Banking & Finance 12/2017 - Kapitalmarktrecht

Gemäß § 4 b Abs. 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu einer sogenannten Produktintervention innerhalb Deutschlands berechtigt.

Das bedeutet, dass es der BaFin derzeit noch unter anderem erlaubt ist, die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf von
(i) bestimmten Finanzinstrumenten oder strukturierten Einlagen,
(ii) Finanzinstrumenten oder strukturierten Einlagen mit bestimmten Merkmalen einzuschränken oder zu verbieten bzw. bestimmte Formen der Finanztätigkeit oder Finanzpraxis einzuschränken oder zu verbieten.

Von dieser Vorschrift hat die BaFin in der jüngsten Vergangenheit Gebrauch gemacht: 

Zum einen hatte die BaFin mit Datum vom 28. Juli 2016 eine öffentliche Anhörung zur Allgemeinverfügung gemäß § 4 b Abs. 1 WpHG bezüglich sogenannter Bonitätsanleihen herausgegeben. Der Inhalt der angestrebten Allgemeinverfügung wäre das Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Zertifikaten, bezogen auf Bonitätsrisiken (Bonitätsanleihen oder Credit Linked Notes), an Privatkunden im Sinne des § 31 a Abs. 3 WpHG gewesen. Die Frist zur Stellungnahme lief bis zum 2. September 2016. Mit Datum vom 16. Dezember 2016 teilte die BaFin dann mit, dass die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und der Deutsche Derivate Verband (DDV) eine Selbstverpflichtung für die Emission und den Vertrieb von bonitätsabhängigen Schuldverschreibungen vorgelegt haben. Damit habe die Branche auf die Anlegerschutzbedenken, die die BaFin hinsichtlich des Retailvertriebs dieser Produkte hat, reagiert. Die BaFin hat daraufhin die geplante Allgemeinverfügung zu dem Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs derartiger Produkte zurückgestellt und angekündigt, dass sie nach Ablauf von sechs Monaten überprüfen werde, ob die Selbstverpflichtung der Branche wirksam sei. Mit Datum vom 12. Juli 2017 verlängerte die BaFin die Überwachungsfrist noch bis Ende September 2017. Ganz aktuell, mit Datum vom 5. Dezember 2017, teilte die BaFin dann mit, dass sie nach der neunmonatigen Überwachungsphase davon absehe, den Vertrieb von bonitätsabhängigen Schuldverschreibungen an Privatkunden zu verbieten. Als Begründung für diesen Entschluss gab die BaFin an, dass sie nach intensiver Überprüfung der Emission und des Vertriebes dieser Produkte bis Ende September 2017 festgestellt habe, dass die Selbstverpflichtung der DK und des DDV weitgehend eingehalten werde und dadurch der Privatanleger in ausreichendem Maße geschützt sei.

Zum anderen ist die BaFin bei sogenannten Contracts for Difference (CFDs) eingeschritten. Mit Datum vom 8. Mai 2017 hat sie eine Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von CFDs im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG angeordnet. Die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von CFDs an Privatkunden im Sinne des § 31 a Abs. 3 WpHG wurde insoweit untersagt, als diese für den Privatkunden eine Nachschusspflicht begründen können. 

Ab dem 3. Januar 2018 wird das Produktinterventionsrecht der BaFin ausgeweitet werden: Durch die Einführung der Richtlinie 2014 / 65 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates am 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002 / 92 / EG und 2011 / 61 / EU (MiFID II) durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) in deutsches Recht werden der nationalen Aufsichtsbehörde, in Deutschland also der BaFin, weitergehende Produktinterventionsrechte zugestanden, als dies bisher der Fall war.

Gemäß § 15 Abs. 1 WpHG n. F. i. V. m. Art. 42 der Verordnung (EU) Nr. 600 / 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR) wird es der BaFin zukünftig erlaubt sein, nicht nur gegen die oben genannten Finanzinstrumente einzuschreiten, sondern auch gegen die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG). 

Bei Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 VermAnlG handelt es sich um nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte und nicht als Anteile an Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) ausgestaltete
(i) Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren,
(ii) Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen),
(iii) partiarische Darlehen,
(iv) Nachrangdarlehen,
(v) Genussrechte,
(vi) Namensschuldverschreibungen und
(vii) sonstige Anlagen, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewähren oder in Aussicht stellen,
sofern die Annahme der Gelder nicht als Einlagengeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) zu qualifizieren ist.

Insbesondere wird die BaFin berechtigt sein, die entsprechenden Maßnahmen im Rahmen des § 15 Abs. 1 WpHG n. F. sowie Art. 42 MiFIR gegenüber jedermann treffen zu können, soweit Art. 42 MiFIR nicht unmittelbar anwendbar ist. 

Im Lichte der tatsächlichen Produktintervention der BaFin vom 8. Mai 2017 sowie der eben noch abgewendeten geplanten Produktintervention in Bezug auf Bonitätsanleihen in September 2016 bleibt abzuwarten, inwieweit die BaFin zukünftig von ihrem erweiterten Produktinterventionsrecht Gebrauch machen wird. Eins ist aber sicher: Es bleibt spannend!


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Autoren

Oliver Dreher, LL.M. (King's College London)
Tanja Kordys