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Unterschriftsprozesse in Zeiten von Corona

08/04/2020

Oder: „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. 
– Goethe – 

Ausgangslage

Die Coronakrise bedingt es, dass Unternehmen langjährig gelebte Prozesse neu überdenken und an die geänderte – nunmehr in weiten Teilen durch Homeoffice-Tätigkeiten geprägte – Wirklichkeit anpassen müssen. Ein Beispiel hierfür sind Unterschriftsprozesse, die bislang entweder die persönliche Anwesenheit der beiden Vertragspartner voraussetzten oder bei denen die unterschriebenen Verträge mittels Briefpost ausgetauscht wurden.

Beide Prozesse sind zurzeit stark eingeschränkt – sei es, weil persönliche Treffen gegenwärtig nicht mehr opportun erscheinen, sei es, weil Post nunmehr umständlich an das „Homeoffice“ des zuständigen Mitarbeiters weitergeleitet werden muss. Neben daraus folgenden zeitlichen Verzögerungen drohen auch wirtschaftliche Schäden, die beispielsweise daraus resultieren können, dass Angebote aufgrund von Postlaufzeiten nicht mehr fristwahrend angenommen werden können.

Es verwundert insofern nicht, dass sich Unternehmen coronabedingt verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, ob bislang gelebte „analoge“ Unterschriftsprozesse (d. h. solche, die eine händische Unterschrift voraussetzen) zukünftig nicht besser durch digitale Unterschriftsprozesse ersetzt werden können.

Keine gesetzlichen Schriftformerfordernisse

Grundsätzlich unproblematisch stellt sich die Ersetzung der händischen Unterschrift (sog. „Schriftform“) durch ein digitales Äquivalent jedenfalls in all denjenigen Fällen dar, in denen keine gesetzlichen Formvorschriften zu beachten sind. Dies dürfte eine Vielzahl von Fällen betreffen – geht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) doch von einer grundsätzlichen Formfreiheit von Verträgen aus und ordnet lediglich in Einzelfällen als Wirksamkeitsvoraussetzung die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB an („echte“ Schriftform).

Vertragliche Schriftformerfordernisse

Einschränkungen von diesem Grundsatz können sich jedoch aus vertraglichen Klauseln ergeben, welche die grundsätzliche Formfreiheit abbedingen und den Unterschriftsprozess einer vertraglichen Schriftform unterwerfen (d. h. die händische Unterschrift zur Wirksamkeitsvoraussetzung erklären). 

Soweit dies der Fall ist, kommen digitale Unterschriftsprozesse nur dann in Betracht, wenn bei Neuverträgen auf ein solches Schriftformerfordernis verzichtet wird bzw. in Rahmenverträgen enthaltene vertragliche Schriftformerfordernisse zuvor aufgehoben wurden. Bei Letzterem gilt es zu beachten, dass Änderungen von Schriftformklauseln regelmäßig ebenfalls der Schriftform bedürfen (was diesen Klauseln den sprechenden Namen „doppelte Schriftformklauseln“ eingebracht hat) und die Zustimmung des Vertragspartners voraussetzen. Oder anders gewendet: Die Vertragsparteien kommen nicht umhin, einen mit einer doppelten Schriftformklausel versehenen Vertrag zunächst formwirksam zu ändern, bevor sie im Anschluss digitale Unterschriftsprozesse leben können.

Gesetzliche Schriftformerfordernisse

Darüber hinaus gibt es für einzelne Vertragstypen gesetzliche Schriftformerfordernisse, die nicht durch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Parteien aufgehoben werden können. Doch auch insoweit ist der Einsatz von digitalen Unterschriften regelmäßig nicht ausgeschlossen – wenn auch durch den Gesetzgeber an erschwerte Bedingungen gekoppelt. So sieht § 126 a BGB vor, dass zumindest dann eine „elektronische“ Unterschrift der gesetzlichen Schriftform gleichsteht, wenn (i) die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form nicht ausgeschlossen ist, (ii) der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und (iii) der Aussteller das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht. 

Qualifizierte elektronische Signatur

Das Erfordernis einer sog. qualifizierten elektronischen Signatur (hierbei handelt es sich letztlich um ein kryptografisch gesichertes Verfahren) stellte sich mangels Verbreitung der notwendigen Infrastruktur (zertifizierte Chipkarte, Chipkartenleser etc.) in der Vergangenheit als größter Hemmschuh einer Nutzung elektronischer Unterschriften dar und begründete ein klassisches Henne-Ei-Problem: Mangels Verbreitung der Infrastruktur wurde das Verfahren nur sehr begrenzt genutzt – was wiederum dazu führte, dass kein besonderer Anreiz für Investitionen in die notwendige Infrastruktur geschaffen wurde.
Dies änderte sich erst unlängst durch die auf europäischer Ebene verabschiedete eIDAS-Verordnung (Verordnung [EU] Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG), die es Nutzern erstmals ermöglichte, auf eine eigene Infrastruktur zu verzichten und die qualifizierte elektronische Signatur nach einer vorherigen Identifizierung mittels VideoIdent über einen zertifizierten „Vertrauensdienstleister“ zu nutzen. Damit ist es letztlich möglich, den Prozess „qualifizierte elektronische Signatur“ auf einen Subunternehmer auszulagern (Outsourcing). 

Fazit

Die Ersetzung „analoger“ (händischer) Unterschriftsprozesse durch digitale Unterschriftsprozesse ist – ein entsprechender Wille auf Seiten der Vertragsparteien unterstellt – bereits heute in weiten Teilen technisch und rechtlich umsetzbar. Die Vorteile einer solchen Prozessumstellung sind jedenfalls bei Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur durch die Beschleunigung des Unterschriftsprozesses bei gleichzeitiger Beibehaltung des Beweiswerts der Unterzeichnung evident. Es bleibt insofern mit Spannung abzuwarten, ob das Coronavirus in der Retrospektive nicht nur als Pandemie, sondern auch als Booster für die Umstellung auf digitale Prozesse in Erinnerung bleiben wird.


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Autoren

Dr. Jörn Heckmann