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Prüfstand für Schiedsklauseln bei Personengesellschaften

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2022

April 2022

Einleitung

Die Gründe für Streit zwischen Gesellschaftern können vielschichtig sein. Manche davon möchte man lieber vertraulich klären. Insbesondere dies bewegt viele Gesellschafter dazu, eine Schiedsvereinbarung in ihren Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Dass der Weg zu einer wirksamen Schiedsvereinbarung viele Stolperfallen bereithält, veranschaulicht ein Gesellschafterstreit, der bei einem Schiedsgericht begann und später beim Bundesgerichtshof (BGH) landete. Die Entscheidung des BGH vom 23. September 2021 (Az. I ZB 13/21) sorgt im Ergebnis für mehr Klarheit bei der Auslegung und Gestaltung von Schiedsvereinbarungen in Personengesellschaften.

BGH: Schiedsfähigkeit I und II

Lange Zeit galt der Grundsatz, dass Schiedsgerichte Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse bei Kapitalgesellschaften nicht entscheiden dürfen. Denn bei solchen ist die Klage gegen die Gesellschaft zu richten. Es besteht also das Risiko, dass die Gesellschafter an dem Prozess nicht beteiligt sind, obwohl das Urteil gegen sie gelten würde.

Entsprechend lehnte der BGH 1996 die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten bei einer GmbH zunächst ab („Schiedsfähigkeit I“, BGH, Urteil vom 29. März 1996 – II ZR 124/95).

Gut zehn Jahre später stellte der BGH in seiner Entscheidung „Schiedsfähigkeit II“ klar, dass es darauf ankomme, ob in dem Schiedsverfahren ein vergleichbares Rechtsschutzniveau für Gesellschafter bestehe wie vor staatlichen Gerichten (BGH, Urteil vom 6. April 2009 – II ZR 255/08). Hierzu stellte der BGH vier Kriterien auf, die einen Mindeststandard an Rechtsschutz gewährleisten sollen. Halte eine Schiedsvereinbarung diese Mindestanforderungen ein, seien auch Beschlussmängelstreitigkeiten schiedsfähig.

Unterschiede bei Gesellschafterbeschlüssen in einer Personengesellschaft

Bei Personengesellschaften hingegen muss ein Gesellschafter grundsätzlich alle anderen Gesellschafter verklagen, um die (Un-)Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses gerichtlich feststellen zu lassen. Häufig sehen jedoch auch Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften die Möglichkeit vor, bei Streitigkeiten über Beschlussmängel direkt gegen die Gesellschaft vorzugehen. In diesem Bereich war die Rechtslage lange unklar. Daran änderte auch die Entscheidung des BGH nichts, mit der er seine zunächst für Kapitalgesellschaften aufgestellten Mindestanforderungen auf Personengesellschaften übertrug („Schiedsfähigkeit III“, BGH, Beschluss vom 6. April 2017 – I ZB 23/16). Sie traf – ganz im Gegenteil – auf deutliche Kritik (Lörcher/Otte, in: FS Thümmel, 2020, S. 515; Bryant, SchiedsVZ 2017, 194 (196); Nolting, ZIP 2017, 1641; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993). Diese bestand hauptsächlich darin, dass man die Interessenlage einer Kapitalgesellschaft nicht ohne Weiteres mit der bei einer Personengesellschaft vergleichen könne. Dort finde regelmäßig gerade keine Rechtskrafterstreckung statt, wie es bei Kapitalgesellschaften der Fall ist.

In der nun als „Schiedsfähigkeit IV“ bezeichneten Entscheidung hat der BGH diese Kritik aufgenommen und die Gelegenheit für eine Klarstellung genutzt (dazu später mehr).

Wie kam es zu der Entscheidung?

Anlass dafür war der Streit über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, das ein Teil der Gesellschafter mit dem Ziel angerufen hatte, einen anderen Gesellschafter auszuschließen. Das Schiedsgericht hatte sich – wie häufig in Schiedsverfahren – in einem Zwischenentscheid zunächst mit seiner eigenen Zuständigkeit befasst. Es kam zu dem Ergebnis, für die Entscheidung über den Gesellschafterstreit zuständig zu sein.

Dabei stützte es sich auf eine in dem 1997 von den Gründungsgesellschaftern geschlossenen Gesellschaftsvertrag enthaltene Klausel. Diese sah unter der Überschrift „Schiedsgericht“ vor, dass „alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaftunter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden werden“. Des Weiteren enthielt der Gesellschaftsvertrag Regelungen, nach denen die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung gefasste und zu protokollierende Beschlüsse angreifen können, indem sie gegenüber der Gesellschaft Einspruch gegen das Protokoll erheben oder sie anfechten – und auch eine salvatorische Klausel.

Die Schiedsbeklagten und Antragsteller im staatlichen Verfahren sahen das anders. Sie argumentierten, die Schiedsvereinbarung sei so weit gefasst („alle Streitigkeiten“), dass sie auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfasse. Seit der Schiedsfähigkeit-III-Entscheidung müssten auch Personengesellschaften die vom BGH für derartige Streitigkeiten aufgestellten Mindestanforderungen einhalten. Das sei bei der streitgegenständlichen Klausel nicht der Fall und habe zur Folge, dass diese gemäß § 138 BGB insgesamt nichtig sei. Schließlich könne man die Klausel auch nicht in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil „aufsplitten“. Denn einer Aufspaltung der Rechtswege stünde der klare Wortlaut der Regelung entgegen, „alle“ auftretenden Streitigkeiten von einem Gericht klären zu lassen.

Dem folgte das angerufene OLG Köln. Es hob den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts auf und stellte fest, dass dieses nicht zuständig sei (OLG Köln, Beschluss vom 4. Januar 2021 – 19 SchH 38/20). Dabei nahm es die Aussage des BGH aus der Entscheidung Schiedsfähigkeit III auf, wonach die Mindestanforderungen zur Wirksamkeit von Schiedsverträgen „jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften gelten, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten seien“. Für derartige Abweichungen sah das OLG – anders als das Schiedsgericht – keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Beschluss des BGH

Der BGH wiederum gab dem Schiedsgericht im Ergebnis recht. Er hob den Beschluss des OLG Köln auf und erklärte das Schiedsgericht für zuständig. In weiten Teilen liegt der BGH inhaltlich jedoch mit dem OLG auf einer Linie. So bestätigte der BGH, dass die in seiner Schiedsfähigkeit-II-Entscheidung aufgestellten Mindestanforderungen auch für Personengesellschaften gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass die Gesellschafter Beschlussmängelstreitigkeiten mit der Gesellschaft auszutragen haben. Das kommt in der Praxis häufig vor (und wird bei Personengesellschaften ab 2024 sogar der gesetzliche Normalfall sein). Nur wenn die Beschlussmängelklage gegen alle Gesellschafter zu richten ist, gelten die vom BGH aufgestellten Mindestanforderungen nicht.

Der BGH kam nur deshalb zu einem anderen Ergebnis als das OLG, weil die in Rede stehende Schiedsklausel seiner Auffassung nach auch nur teilweise nichtig sein könne. Während das OLG aufgrund des Wortlauts als objektiven Anknüpfungspunkts von einer „einheitlichen“ Regelung ausging, die nur entweder ganz oder gar nicht zur Anwendung kommen könne, legte der BGH den Schwerpunkt bei seiner Auslegung auf die subjektive Komponente. Danach komme in der Schiedsvereinbarung zum Ausdruck, dass die Gesellschafter etwaige Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis möglichst umfassend der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen wollten. Nach Ansicht des BGH bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Gründungsgesellschafter bei Kenntnis der Teilnichtigkeit gegen eine im zulässigen Rahmen teilweise Zuständigkeit des Schiedsgerichtes entschieden hätten.

Praxistipp

Auch wenn hier nur der Zwischenentscheid des Schiedsgerichts Gegenstand der öffentlichen Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten war und die Parteien den eigentlichen Ausschlussstreit vertraulich vor dem Schiedsgericht verhandeln können, zeigt der Fall deutlich, dass Uneindeutigkeiten bei der Auslegung einer Schiedsvereinbarung erhebliche Ressourcen (vor allem Zeit und Geld) in Anspruch nehmen können. Allerdings liefert die Entscheidung wertvolle Hinweise, wie der „Prüfstand“ für Schiedsvereinbarungen bei Personengesellschaften aussieht, und damit die Möglichkeit, Zweifel auszuräumen, bevor ein Streit entsteht.

Es ist daher ratsam, bestehende Personengesellschaftsverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Auseinandersetzung etwaiger Beschlussmängel mit der Gesellschaft oder mit den Gesellschaftern vorsehen. Ist die Gesellschaft als „Gegner“ vorgesehen, muss eine eingehende Prüfung der durch die Schiedsfähigkeit-II-Entscheidung festgelegten Voraussetzungen erfolgen. Hierbei lassen sich zum Beispiel die von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) entwickelten „Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten“ (DIS-ERGeS) heranziehen. Sollten Zweifel bestehen, ob bei Beschlussmängeln gegen die Gesellschaft oder die Gesellschafter vorzugehen ist, empfiehlt es sich, jetzt zu handeln und eine Klarstellung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Das gilt – wie die unterschiedlichen Beurteilungen des OLG und des BGH zeigen – auch für salvatorische Klauseln. Hier kann ein Zusatz in der salvatorischen Klausel oder der Schiedsvereinbarung Missverständnissen vorbeugen.

Spätestens mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG, allgemein dazu BB im Gespräch mit Dr. Daniel Otte – Betriebs-Berater) sollte eine Überprüfung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. Ab dem 1. Januar 2024 ändert sich der gesetzliche Regelfall, sodass Beschlussmängelstreitigkeiten (wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht) mit der Gesellschaft auszutragen sind. Damit gelten die Mindestanforderungen des BGH.

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Marc Barmscheid