Home / Veröffentlichungen / Ende der Corona-Sonderregeln für Gesellschaften...

Ende der Corona-Sonderregeln für Gesellschaften, Genossenschaften und Vereine zum 31. August 2022 – was ist zu tun?

Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung 04/2022

April 2022

Die coronabedingten Sonderregeln zur vereinfachten Beschlussfassung in Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Vereinen (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie v. 27. März 2020, BGBl. I, 569, 570 – „COVMG“) enden mit Ablauf des 31. August 2022. Ursprünglich waren die Sonderregelungen auf das Jahr 2020 befristet und wurden aufgrund der fortbestehenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie durch Verordnung zunächst bis zum 31. Dezember 2021 und daraufhin nochmals durch Gesetz bis zum 31. August 2022 verlängert. Derzeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass es eine nochmalige Verlängerung der Sonderregelungen gibt.

Regelungen nach dem COVMG

Bis zum 31. August 2022 können die erleichterten Bedingungen des COVMG für die Durchführung virtueller Haupt-, General- und Mitgliederversammlungen bei Aktiengesellschaft, Genossenschaft und Verein weiter genutzt werden. 

Für die Aktiengesellschaft bedeutet dies, dass eine Hauptversammlung auch ohne physische Präsenz der Aktionäre stattfinden und der Vorstand (z.B.) nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann, wie er Fragen beantwortet. Eine Pflicht zur umfassenden Beantwortung aller Fragen in der Hauptversammlung besteht also bei der virtuellen Hauptversammlung nach dem COVMG nicht. Der Vorstand kann zudem vorgeben, dass Fragen der Aktionäre bis spätestens einen Tag vor der Versammlung in elektronischer Form einzureichen sind. Von diesen Ausnahmen wurde in der Hauptversammlungssaison 2021 rege Gebrauch gemacht.

Bei Genossenschaft und Verein erlaubt das COVMG auch ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung eine Abstimmung im schriftlichen Verfahren oder eine virtuelle oder teilvirtuelle Durchführung der General- bzw. Mitgliederversammlung. Für beide Rechtsformen unklar ist nach den Sonderregelungen, inwieweit die Mitgliedschaftsrechte in der Versammlung aufgrund vorheriger Anordnung des Vorstandes eingeschränkt werden können. Dies hat in der Praxis verschiedentlich zu erheblichen Verunsicherungen geführt. Anders als bei einer Aktiengesellschaft, für die das COVMG insoweit ausdrücklich Einschränkungen der Frage- und Antragsrechte vorsieht, gibt es entsprechende Regelungen für Genossenschaft und Verein nicht. Eine besonders sorgfältige Vorbereitung dieser Versammlungen ist daher auch unter dem COVMG notwendig, um die Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse zu verhindern.

Für die GmbH hat das COVMG eine virtuelle Beschlussfassung ohne Satzungsermächtigung nicht vorgesehen. Hier wurde stattdessen abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG geregelt, Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder schriftliche Stimmabgaben auch dann zuzulassen, wenn nicht alle Gesellschafter diesem Verfahren zustimmen. Voraussetzung ist daher nur, dass die schriftliche Stimmabgabe durch die Geschäftsführung oder einen anderen hierzu Berechtigten angeordnet wird und eine (einfache) Mehrheit eine solche Vorgehensweise befürwortet.

Änderungen und Handlungsbedarf nach dem 31. August 2022

Der Handlungsbedarf für die Geschäftsleitungen, Vorstände und Gesellschafter ist nach dem 31. August 2022 je nach Rechtsform sehr unterschiedlich.

Für Aktiengesellschaften plant der Gesetzgeber die rein virtuelle Hauptversammlung auch zukünftig zuzulassen. Das BMJ hat daher wie bereits im Koalitionsvertrag der „Ampel-Regierung“ vorgesehen am 10. Februar 2022 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vorgestellt. Damit soll die virtuelle Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft dauerhaft eingeführt werden. Allerdings werden die Aktionärsrechte gegenüber den bisherigen Ausnahmeregelungen des COVMG wieder etwas gestärkt. Derzeit befindet sich der Gesetzesentwurf im parlamentarischen Verfahren.

Für Genossenschaft und Verein ist durch Vorstand und Mitglieder zu prüfen, ob man auch zukünftig die Möglichkeit virtueller oder teilvirtueller Beschlussfassung oder Beschlussfassungen im schriftlichen Verfahren zulassen will. Notwendig ist hierfür die Einführung einer entsprechenden Satzungsregelung. Bei zweckmäßiger Regelung kann eine solche Satzungsregelung auch so ausgestaltet werden, dass sämtliche Zweifelsfragen, die das COVMG noch ausgelöst hat, beseitigt werden. Dies betrifft insbesondere die Ermächtigung des Vorstandes zur Ausgestaltung der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der Versammlung und den Ausschluss von Anfechtungsmöglichkeiten im Falle von technischen Problemen. Im Vereinsbereich haben bislang nur einige wenige Großvereine von der Möglichkeit zur Zulassung einer virtuellen oder teilvirtuellen Mitgliederversammlung Gebrauch gemacht. Eröffnet man diese Möglichkeit, kann dies gerade bei einer teilvirtuellen Versammlung die Vereinsdemokratie stärken, da man hierdurch auch solche Mitglieder erreicht, die sonst nicht zur Versammlung kommen können oder wollen. Ein Anreiz zur persönlichen Teilnahme bleibt in diesem Fall auch weiterhin bestehen, wenn man die Teilhaberechte der Mitglieder in der Satzung oder durch Satzungsermächtigung unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob die Mitglieder persönlich oder digital teilnehmen.

Für die GmbH stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man durch Satzungsermächtigung virtuelle oder teilvirtuelle Gesellschafterversammlungen zulassen will. Möglich ist dies aufgrund der Satzungsautonomie in der GmbH, sodass die Ausgestaltung ähnlich wie die Gesetzesregelung für die Aktiengesellschaft oder privatautonom wie bei den anderen Verbandsformen erfolgen kann. Darüber hinaus kann auch das schriftliche Verfahren im Sinne des COVMG modifiziert und entweder durch die Geschäftsführung schlicht angeordnet oder der Mehrheitsentscheidung unterworfen werden. § 48 Abs. 2 GmbHG ist insoweit dispositiv.

Entscheidung über die Form der Beschlussfassung

Die Entscheidung, welche Form der Beschlussfassung nach dem 31. August 2022 möglich sein soll, ist je nach Verbandsform und der tatsächlichen Ausgestaltung individuell zu entscheiden. Mit Ausnahme der Aktiengesellschaft, bei der aufgrund der limitierten Satzungsautonomie der Gestaltungsspielraum sehr eingeschränkt ist, besteht bei Genossenschaften, Vereinen, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und den Personenhandelsgesellschaften ein großer Gestaltungsspielraum. Dieser sollte genutzt werden und die möglichen Alternativen sollten mit juristischen Experten abgewogen werden. Gestaltungshinweise können auch unserem Buch Schindler/Schaffner, Virtuelle Beschlussfassung in Kapitalgesellschaften und Vereinen, C.H. Beck, München 2021, entnommen werden. Insbesondere diejenigen, die die vielen technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters bei der Beschlussfassung weiterhin nutzen wollen, sollten jetzt mit den Überlegungen beginnen und entsprechende Satzungsänderungen auf den Weg bringen, damit ihre Satzung nach dem 31. August 2022 entsprechend modernisiert und flexibel ist.

Dieser Artikel ist Teil des Update Gesellschaftsrechtliche Gestaltung, das Sie hier abonnieren können.

Autoren

Foto vonHendrik Schindler
Dr. Hendrik Schindler
Partner
Köln