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Dürfen Marktbeherrscher Rabatte verhandeln?

Update Gewerblicher Rechtsschutz & Kartellrecht 05/2019

Mai 2019

Wer Produkte von einem marktbeherrschenden Lieferanten beziehen und mit ihm Rabatte verhandeln will, stößt oft auf Ablehnung. Manch ein Lieferant widersetzt sich diesem Ansinnen mit der Begründung, als Marktbeherrscher müsse er alle Abnehmer gleichbehandeln und dürfe sich auf keine Rabattverhandlungen einlassen. Wer hat Recht?

Wie so oft antwortet der Jurist: „Es kommt darauf an.“ Im Grundsatz darf auch der Marktbeherrscher verhandeln, allerdings unterliegt er bei der Rabattgestaltung gewissen Grenzen. Rabatte mit einer besonderen Sogwirkung zugunsten des Marktbeherrschers sind wegen ihrer schädigenden Wirkung auf den verbleibenden Restwettbewerb kritisch. Das betrifft aber nicht den Wettbewerb zwischen den Abnehmern. Im Ausgangspunkt sind bei der Rabattgestaltung zwei Szenarien voneinander zu unterscheiden: Die Auswirkung der Rabatte auf Wettbewerber des Marktbeherrschers und die Auswirkung auf Wettbewerber des Abnehmers.

Auswirkungen auf Wettbewerber des Marktbeherrschers

Der Marktbeherrscher darf seine Wettbewerber nicht durch seine Rabattpolitik behindern. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH liegt eine solche Behinderung vor, wenn die Gewährung des Rabattes nicht auf einer sie rechtfertigenden wirtschaftlichen Gegenleistung beruht, sondern darauf abzielt, den Abnehmern die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und so andere Hersteller am Marktzugang zu hindern. Aus diesem Grund dürfen marktbeherrschende Unternehmen in der Regel keine Rabatte vereinbaren, die den Bezug von Teilmengen bei Wettbewerbern unattraktiv machen und daher eine Sogwirkung zugunsten des marktbeherrschenden Anbieters haben. Dies gilt zunächst für Rabatte, die den exklusiven Bezug beim Marktbeherrscher zur Bedingung haben. Unter bestimmten Umständen gilt es auch für umsatzbezogene Rabatte, die auf einen längeren Bezugszeitraum gewährt werden. Demgegenüber haben Rabatte, die für die Übernahme gewisser Funktionen oder Dienste gewährt werden, regelmäßig keine negativen Auswirkungen auf den Restwettbewerb. Entsprechendes gilt für angemessene Mengenrabatte. Indes steht die Behinderung von Wettbewerbern des Marktbeherrschers nicht im Zentrum der Argumentation zur Verweigerung der Rabattverhandlung gegenüber Abnehmern.

Auswirkungen auf Wettbewerber des Abnehmers

Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann durch seine Rabattpolitik auch zwischen den Abnehmern diskriminieren und so möglicherweise die Wettbewerber des bevorzugten Abnehmers behindern.

Bei der unterschiedlichen Behandlung von Abnehmern stellt sich zunächst die Frage, ob es sich um gleichartige Unternehmen handelt. Relevant für die kartellrechtliche Bewertung ist nur die ungleiche Behandlung gleichartiger Unternehmen.

Auch im Verhältnis zu den Abnehmern kommt es im Grundsatz darauf an, ob eine Preisdifferenzierung das Ergebnis eines wettbewerbskonformen Interessenausgleichs ist, der sich aus Angebot und Nachfrage im Einzelfall ergibt oder auf Willkür und Missbrauch beruht. Es geht also um (1) die Unterscheidung zwischen Diskriminierung und Differenzierung, (2) den Nachweis einer Behinderung von Abnehmern als Wettbewerber und (3) eine Rechtfertigungsprüfung.

Unterscheidung zwischen Diskriminierung und Differenzierung

Grundsätzlich ist ein Unternehmen in der Gestaltung seiner Preise und Konditionen frei. Das Streben nach vorteilhaften Konditionen auf der Anbieter- und Abnehmerseite ist wettbewerbskonform. Das Diskriminierungsverbot enthält keine Meistbegünstigungsklausel, die einen Anbieter verpflichtet, allen Abnehmern die gleichen – günstigen – Bedingungen einzuräumen. Maßgeblich für die Abgrenzung von Differenzierung und Diskriminierung ist ihr Ausmaß und ihre Auswirkung auf das Marktgeschehen. Sofern andere Abnehmer durch eine unterschiedliche Behandlung nicht in relevantem Ausmaß behindert werden, ergeben sich auch kartellrechtlich keine Probleme. Die maßgebliche Frage ist, unter welchen Umständen eine Behinderung vorliegt.

Wechselwirkung zwischen nachweislicher Behinderung und Rechtfertigung

Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot liegt nur vor, wenn sich die Ungleichbehandlung nachteilig auf die Wettbewerbsposition eines der Handelspartner auswirkt. Die Schwelle liegt deutlich unterhalb der Existenzgefährdung und jedenfalls über einer völligen Unerheblichkeit. Die Behinderung muss durch tatsächliche Auswirkungen nachweisbar sein. Viel genauer sind die Ausführungen der Rechtsprechung noch nicht. Geklärt ist nur Folgendes: Preisdifferenzierungen dürfen jedenfalls kein Ausmaß erreichen, das kaufmännisch nicht zu vertreten ist und konkurrierende Nachfrager massiv behindert. Demgegenüber sind Produkt- und auftragsbezogene Mengen- und Umsatzrabatte, die ausschließlich an die abgenommenen Mengen anknüpfen und darin ihre Rechtfertigung finden, nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für angemessene Funktionsrabatte. Sie stellen eine Gegenleistung an den Abnehmer für die Übernahme gewisser Funktionen oder Dienste (z. B. Verrechnungsaufgaben, Werbung, Transport) dar. Sie sind jedenfalls unproblematisch, wenn sie für eine tatsächlich erfolgte Leistungserbringung gewährt werden und in ihrer Höhe nicht über den Wert der Leistung hinausgehen.

Zwischen den Anforderungen an die Erheblichkeit einer Behinderung und an ihre Rechtfertigung besteht eine Wechselwirkung. Je größer das Ausmaß der Behinderung, desto größer sind auch die Anforderungen an die Rechtfertigung und desto geringer der Beurteilungsspielraum der Parteien. Im Ergebnis bleibt den Parteien oft ein erheblicher Verhandlungsspielraum, der richterlich nur beschränkt überprüfbar ist.

Fazit

Für die Praxis bedeutet das, dass auch Marktbeherrscher verhandeln dürfen und ihre Vertragspartner sich nicht mit dem Argument abspeisen lassen sollten, Verhandlungen wären wegen der marktbeherrschenden Stellung ausgeschlossen. Kartellrechtliche Risiken bestehen jedenfalls dann nicht, wenn die Verhandlungen willkürfrei erfolgen und eine Behinderung von Wettbewerbern des Marktbeherrschers oder des Abnehmers nicht ersichtlich ist.

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Autoren

Foto vonMarkus Schöner
Dr. Markus Schöner, M.Jur. (Oxford)
Partner
Hamburg
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Dr. Nantje Johnston, LL.M. (LSE)
Principal Counsel
Hamburg