06/12/2023
Standardessenzielle Patente: Neue Trends und EU-VO-Entwurf
Nachdem die sog. Connected Cars Fälle durch Lizenznahmen von Autoherstellern weitestgehend gelöst sind, rückt nun mit der steigenden Bedeutung des Internets der Dinge (IoT) die Verwertung von standardessenziellen Patenten (SEPs), insbesondere für Konnektivitätsstandards, in den Fokus. Beispielsweise hat Avanci Ende Oktober 2023 sein 4G Smart Meter Patentlizenzprogramm gestartet und Nokia hat ein eigenes IoT Patentlizenzprogramm aufgelegt. Betroffen sind Anwendungen, bei denen die erforderlichen Daten wie bei Zahlungsterminals, Smart Meter und beim Tracking von Gütern über verschiedene Protokolle übertragen werden. In den nächsten Jahren wird hier wegen der viel höheren Geschwindigkeit und Übertragungsrate, deutlich geringeren Signallaufzeiten und einer radikalen Senkung des Energieverbrauchs vor allem die Datenübertragung nach dem 5G-Standard Bedeutung erlangen. Hierbei zeichnet sich im IoT Bereich neuerdings der Trend ab, Lizenzen an SEPs erstmals auch auf Komponentenebene zu vergeben. Das heißt, dass SEP-Inhaber die Lizenzen nicht direkt mit jedem Anwendungsanbieter z.B. von SmartHome Geräten vereinbaren, sondern die Lizenzvergabe für eine Vielzahl von Anwendungen an einen Hersteller von z.B. standardnutzenden Verbindungsmodulen erfolgt. Auch wenn damit eine gewisse „Entflechtung“ der komplexen Lizenzbeziehungen an SEPs einhergehen könnte, bleibt ein gut funktionierender SEP-Lizenzmechanismus, der Innovationen hinreichend belohnt, von entscheidender Bedeutung für die Schaffung und Verbreitung innovativer Standards. Der FRAND-Mechanismus SEPs verleihen ihren Inhabern erhebliche Marktmacht. Denn die Nutzung von SEPs lässt sich nicht vermeiden, wenn Unternehmen standardkonforme Geräte vertreiben möchten. Um zu verhindern, dass Standardimplementierer willkürlich ausgeschlossen werden, sind SEP-Inhaber daher nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, den mutmaßlichen Patentverletzern anzubieten, ihre SEPs zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien (FRAND) Bedingungen zu lizenzieren, bevor sie ihren Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen können. Die Modalitäten dieser Lizenzierung werden vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung den Verhandlungen zwischen SEP-Inhabern und Standardimplementierern überlassen. SEP-Inhaber müssen lediglich nachweisen, dass ihr Angebot ingesamt FRAND-konform war, um ihr Patent durchsetzen zu können. Die Standardimplementierer hingegen trifft die Verpflichtung, die FRAND-Lizenzbedingungen in angemesser Zeit voranzutreiben. EU-Kommissionsvorschlag für eine SEP-Verordnung Ein Vorschlag der EU-Kommission für eine SEP-Verordnung vom 27. April 2023 (VO-Vorschlag) verfolgt nun einen deutlich stärker regulierenden Ansatz für die Lizenzierung von und die Rechtsdurchsetzung aus SEPs. Dazu soll beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein neues Kompetenzzentrum eingerichtet werden, das u.a. ein SEP-Register führen und die Schirmherrschaft über ein obligatorisches „FRAND-Bestimmungsverfahren“ innehaben soll. SEP-Registrierung und EUIPO Kompetenzzentrum SEP-Inhaber müssen ihre SEPs beim EUIPO innerhalb von sechs Monaten nach der Erteilung in einem neu geschaffenen Register eintragen lassen. Kommt der SEP-Inhaber dem nicht nach, soll er bis zur Eintragung keine Lizenzgebühren oder Schadensersatz von Standardimplementierern verlangen können. Das Kompetenzzentrum am EUIPO soll u.a. die in dem Register eingetragenen Patente auf ihre Standardwesentlichkeit prüfen und eine Datenbank mit Stellungnahmen, Rechtsprechung sowie einschlägigen Normen, Produkten und Dienstleistungen, die den Standard umsetzen, sowie mit den Standardlizenzbedingungen der SEP-Inhaber aufbauen und pflegen. FRAND-Bestimmungsverfahren Der VO-Vorschlag sieht ein komplexes, obligatorisches FRAND-Bestimmungsverfahren von (mindestens) neun Monaten Dauer als Voraussetzung für die Einleitung eines Verletzungsverfahrens vor Gericht vor, das auch gegen den Willen des SEP-Inhabers durchgeführt werden kann. Dieses Verfahren soll von einem vom Kompetenzzentrum ernannten „Schlichter“ geleitet werden. Der Unterschied zu bereits gängigen Mediationsverfahren bei der FRAND-Lizenzierung besteht darin, dass diese von privaten Einrichtungen betrieben werden, weniger Gelegenheit bieten, den Abschluss einer FRAND-Lizenz zu verzögern, und parallel ein gerichtliches Verfahren ermöglichen. Es wird daher angezweifelt, ob das neue Verfahren das Zustandekommen einer gütlichen außergerichtlichen Einigung befördert. Es bestehe kein Anreiz für Standardimplementierer, sich an den Verhandlungen über akzeptable FRAND-Bedingungen konstruktiv zu beteiligen, solange das Verfahren läuft und keine Klagemöglichkeit des SEP-Inhabers besteht. Auswirkungen und Einordnung Die geplante Verordnung könnte das Gleichgewicht bei der FRAND-Lizenzierung zu Gunsten der Standardimplementierer verschieben und die Transaktionskosten erhöhen. Andererseits wird lediglich zeitlich befristet der Einfluss einer Klageandrohung auf die Verhandlungen verringert. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Gerichte mit dem Ergebnis einer vom EUIPO durchgeführten FRAND-Bestimmung umgehen werden. Wenn der VO-Vorschlag in seiner jetzigen Form angenommen wird, dürfte er die Art und Weise, wie SEPs in der EU in Zukunft lizenziert und durchgesetzt werden, in jedem Fall erheblich verändern.
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