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Standardessenzielle Patente: Neue Trends und EU-VO-Entwurf

Nachdem die sog. Connected Cars Fälle durch Lizenznahmen von Autoherstellern weitestgehend gelöst sind, rückt nun mit der steigenden Bedeutung des Internets der Dinge (IoT) die Verwertung von standardessenziellen Patenten (SEPs), insbesondere für Konnektivitätsstandards, in den Fokus. Beispielsweise hat Avanci Ende Oktober 2023 sein 4G Smart Meter Patentlizenzprogramm gestartet und Nokia hat ein eigenes IoT Patentlizenzprogramm aufgelegt. Betroffen sind Anwendungen, bei denen die erforderlichen Daten wie bei Zahlungsterminals, Smart Meter und beim Tracking von Gütern über verschiedene Protokolle übertragen werden. In den nächsten Jahren wird hier wegen der viel höheren Geschwindigkeit und Übertragungsrate, deutlich geringeren Signallaufzeiten und einer radikalen Senkung des Energieverbrauchs vor allem die Datenübertragung nach dem 5G-Standard Bedeutung erlangen.

Hierbei zeichnet sich im IoT Bereich neuerdings der Trend ab, Lizenzen an SEPs erstmals auch auf Komponentenebene zu vergeben. Das heißt, dass SEP-Inhaber die Lizenzen nicht direkt mit jedem Anwendungsanbieter z.B. von SmartHome Geräten vereinbaren, sondern die Lizenzvergabe für eine Vielzahl von Anwendungen an einen Hersteller von z.B. standardnutzenden Verbindungsmodulen erfolgt. Auch wenn damit eine gewisse „Entflechtung“ der komplexen Lizenzbeziehungen an SEPs einhergehen könnte, bleibt ein gut funktionierender SEP-Lizenzmechanismus, der Innovationen hinreichend belohnt, von entscheidender Bedeutung für die Schaffung und Verbreitung innovativer Standards.

Der FRAND-Mechanismus

SEPs verleihen ihren Inhabern erhebliche Marktmacht. Denn die Nutzung von SEPs lässt sich nicht vermeiden, wenn Unternehmen standardkonforme Geräte vertreiben möchten. Um zu verhindern, dass Standardimplementierer willkürlich ausgeschlossen werden, sind SEP-Inhaber daher nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, den mutmaßlichen Patentverletzern anzubieten, ihre SEPs zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien (FRAND) Bedingungen zu lizenzieren, bevor sie ihren Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen können.

Die Modalitäten dieser Lizenzierung werden vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung den Verhandlungen zwischen SEP-Inhabern und Standardimplementierern überlassen. SEP-Inhaber müssen lediglich nachweisen, dass ihr Angebot ingesamt FRAND-konform war, um ihr Patent durchsetzen zu können. Die Standardimplementierer hingegen trifft die Verpflichtung, die FRAND-Lizenzbedingungen in angemesser Zeit voranzutreiben.

EU-Kommissionsvorschlag für eine SEP-Verordnung

Ein Vorschlag der EU-Kommission für eine SEP-Verordnung vom 27. April 2023 (VO-Vorschlag) verfolgt nun einen deutlich stärker regulierenden Ansatz für die Lizenzierung von und die Rechtsdurchsetzung aus SEPs. Dazu soll beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein neues Kompetenzzentrum eingerichtet werden, das u.a. ein SEP-Register führen und die Schirmherrschaft über ein obligatorisches „FRAND-Bestimmungsverfahren“ innehaben soll.

SEP-Registrierung und EUIPO Kompetenzzentrum

SEP-Inhaber müssen ihre SEPs beim EUIPO innerhalb von sechs Monaten nach der Erteilung in einem neu geschaffenen Register eintragen lassen. Kommt der SEP-Inhaber dem nicht nach, soll er bis zur Eintragung keine Lizenzgebühren oder Schadensersatz von Standardimplementierern verlangen können.

Das Kompetenzzentrum am EUIPO soll u.a. die in dem Register eingetragenen Patente auf ihre Standardwesentlichkeit prüfen und eine Datenbank mit Stellungnahmen, Rechtsprechung sowie einschlägigen Normen, Produkten und Dienstleistungen, die den Standard umsetzen, sowie mit den Standardlizenzbedingungen der SEP-Inhaber aufbauen und pflegen.

FRAND-Bestimmungsverfahren

Der VO-Vorschlag sieht ein komplexes, obligatorisches FRAND-Bestimmungsverfahren von (mindestens) neun Monaten Dauer als Voraussetzung für die Einleitung eines Verletzungsverfahrens vor Gericht vor, das auch gegen den Willen des SEP-Inhabers durchgeführt werden kann. Dieses Verfahren soll von einem vom Kompetenzzentrum ernannten „Schlichter“ geleitet werden. Der Unterschied zu bereits gängigen Mediationsverfahren bei der FRAND-Lizenzierung besteht darin, dass diese von privaten Einrichtungen betrieben werden, weniger Gelegenheit bieten, den Abschluss einer FRAND-Lizenz zu verzögern, und parallel ein gerichtliches Verfahren ermöglichen. Es wird daher angezweifelt, ob das neue Verfahren das Zustandekommen einer gütlichen außergerichtlichen Einigung befördert. Es bestehe kein Anreiz für Standardimplementierer, sich an den Verhandlungen über akzeptable FRAND-Bedingungen konstruktiv zu beteiligen, solange das Verfahren läuft und keine Klagemöglichkeit des SEP-Inhabers besteht.

Auswirkungen und Einordnung

Die geplante Verordnung könnte das Gleichgewicht bei der FRAND-Lizenzierung zu Gunsten der Standardimplementierer verschieben und die Transaktionskosten erhöhen. Andererseits wird lediglich zeitlich befristet der Einfluss einer Klageandrohung auf die Verhandlungen verringert. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Gerichte mit dem Ergebnis einer vom EUIPO durchgeführten FRAND-Bestimmung umgehen werden. Wenn der VO-Vorschlag in seiner jetzigen Form angenommen wird, dürfte er die Art und Weise, wie SEPs in der EU in Zukunft lizenziert und durchgesetzt werden, in jedem Fall erheblich verändern.

Autoren

Thomas Hirse
Dr. Thomas Hirse
Partner
Rechtsanwalt
Düsseldorf
Thomas Fröhlich
Thomas Fröhlich
Counsel
Rechtsanwalt
Stuttgart
06/12/2023
2024 - Themen, die Sie bewegen werden
Das Jahr 2023 hat die Welt in besonderem Maße bewegt. Die Zunahme regionaler Krisen und Kriege sowie eine instabile wirtschaftliche Lage haben uns allen viel abverlangt. In diesen herausfordernden Zeiten gilt es besonders, vorausschauend zu handeln und den Realitäten mit Augenmaß zu begegnen, um sich auch im Jahr 2024 erfolgreich behaupten zu können. Besonders hervorzuheben ist hierbei die zukünftige Ausrichtung unseres Handelns. Künstliche Intelligenz ist mittlerweile allgegenwärtig und stellt uns vor die Frage nach einem adäquaten und un­ter­neh­mer­freund­li­chen Rechtsrahmen. In Zeiten geopolitischer Spannungen wird Cybersicherheit mehr denn je essenzieller Bestandteil jeder Un­ter­neh­mens­stra­te­gie bleiben müssen, Datenschutz und ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Tech­no­lo­gie­nut­zung sind Schlüs­sel­fak­to­ren für geschäftlichen Erfolg. Themen wie die Umsetzung der globalen Min­dest­be­steue­rung in Deutschland und die Beschleunigung von Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren bei In­fra­struk­tur­pro­jek­ten werden Unternehmen auch im kommenden Jahr weiter be­schäf­ti­gen. Die­se Her­aus­for­de­run­gen sind zweifellos anspruchsvoll, bergen jedoch auch erhebliches Potenzial. Mut machen die Prognosen der Wirt­schafts­for­schen­den. So rechnet das DIW für das kommende Jahr wieder mit einem leichten Wirt­schafts­wachs­tum von 1,2 Prozent. Zeit also, verlorene Zuversicht wieder zu­rück­zu­ge­win­nen. Gerade in Zeiten globaler Her­aus­for­de­run­gen ist es von entscheidender Bedeutung, nicht nur wirtschaftliche Verantwortung zu tragen, sondern auch aktiv dazu beizutragen, den ge­sell­schaft­li­chen Zusammenhalt zu stärken und die Demokratie zu verteidigen. Gemeinsam spielen wir eine bedeutende Rolle als Sta­bi­li­täts­fak­to­ren in der Gesellschaft, indem wir soziale Verantwortung übernehmen und uns für eine gerechte und inklusive Entwicklung sowie den Schutz demokratischer Werte einsetzen. Zeit also, die Weichen zu stellen. Mit Mut und un­ter­neh­me­ri­scher Weitsicht. Im Jahr 2024 stehen wir Ihnen selbst­ver­ständ­lich mit unserer breiten Expertise zur Seite, um Sie aktiv bei der Bewältigung dieser umfassenden Her­aus­for­de­run­gen zu unterstützen. Einen Überblick über die wichtigsten Themen des kommenden Jahres haben wir wie gewohnt für Sie zu­sam­men­ge­stellt. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen die Chancen und Her­aus­for­de­run­gen anzugehen, und danken Ihnen einmal mehr für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Gemeinsam können wir viel erreichen – wirtschaftlich, rechtlich und ge­sell­schaft­lich. 

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